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BUNDESTAG/4945: Heute im Bundestag Nr. 146 - 18.03.2015


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 146
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 18. März 2015, Redaktionsschluss: 12.00 Uhr

1. Reaktion auf NSU-Terrorserie
2. Europäisches Jahr für Entwicklung
3. Acatech: Akzeptanz von Technik stärken
4. Rückstellungen für Atomkraftwerke
5. Fracking schon seit den 1960er-Jahren
6. Verfahren gegen Terror-Vereinigungen


1. Reaktion auf NSU-Terrorserie

Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz

Berlin: (hib/SCR) Als Reaktion auf die Terrorserie des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) soll künftig der Generalbundesanwalt schneller Ermittlungen übernehmen können. Zudem sollen bei der Strafzumessung künftig Motive wie Fremdenfeindlichkeit und Rassismus stärker berücksichtig werden. Ein entsprechender Gesetzentwurf der Bundesregierung (18/3007) passierte am Mittwochmorgen den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz mit Stimmen der Fraktionen CDU/CSU und SPD. Die Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die Linken enthielten sich. Der Gesetzentwurf steht am morgigen Donnerstag zur abschließenden Beratung im Plenum auf der Tagesordnung. Einen Antrag der Grünen zur Bekämpfung der Hasskriminalität (18/3150) lehnte der Ausschuss mit Stimmen von CDU/CSU und SPD ab.

Fraktionsübergreifend begrüßt wurde die geplante Ausweitung der Kompetenzen des Generalbundesanwaltes. Dies hatte auch der NSU-Untersuchungsausschuss der 17. Legislaturperiode gefordert. Demnach soll der Generalbundesanwalt künftig einfacher seine Zuständigkeit begründen können. Ein Grünen-Abgeordneter kritisierte jedoch, dass der Generalbundesanwalt trotzdem noch zu sehr auf die Zuarbeit der Staatsanwaltschaften der Länder angewiesen sei. Ihm sollten mehr eigene Ermittlungsbefugnisse eingeräumt werden. Dem wiedersprach ein Vertreter der CDU/CSU-Fraktion. Mit der Neuregelung entstehe eine Pflicht für die Länderstaatsanwaltschaften zur Vorlage einschlägiger Vorgänge. Diese Neuregelung sei zudem "das Äußerste, was man machen kann", denn es sei die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern zu achten.

Umstrittener war die Erweiterung des § 46 Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuches. In diesem sollen künftig rassistische, fremdenfeindliche und sonstige menschenverachtende Beweggründen und Ziele explizit im Katalog der Strafzumessungsumstände berücksichtig werden. Diese Klarstellung sei wichtig, auch wenn solche Motive schon jetzt bei der Strafzumessung berücksichtigt werden, betonte ein SPD-Abgeordneter. Ein Vertreter der Grünen nannte die Regelung hingegen "vollkommen verunglückt". Zum einen sei sie nicht systematisch im Gesamtzusammenhang des Strafgesetzbuches, zum anderen sei der Katalog aus nicht nachvollziehbaren Grünen unvollständig. So fehle zum Beispiel eine ausdrückliche Nennung religionsfeindlicher Motivlagen. Auch Die Linke zeigte sich mit der Neuregelung nicht zufrieden.

Ein Vertreter der Bundesregierung teilte mit, dass auch in Hinblick auf die Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) Änderungen zu erwarten seien. Ein Ausschuss der Justizministerkonferenz habe entsprechende Vorschläge Ende Februar vorgelegt, die vorsähen, dass bei Ermittlungen - analog zur Änderung im StGB - rassistische und ähnliche Motivlagen stärker berücksichtig werden müssen.

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2. Europäisches Jahr für Entwicklung

Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Berlin: (hib/AHE) Die EU-Kommission plant 2015 - im Europäischen Jahr für Entwicklung - eine Initiative nach dem Vorbild des deutschen Textilsiegels ins Leben rufen: "Wir werden etwas ähnliches auf europäischer Ebene lancieren", sagte ein Vertreter der EU-Kommission am Mittwoch im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Es gehe darum, die Bedingungen für die Produktion von Bekleidung in Entwicklungsländern zu verbessern und Transparenz für den Verbraucher herzustellen.

Das Europäische Jahr für Entwicklung sei das erste Motto-Jahr, das sich mit den Außenbeziehungen befasse und den Blick für die EU als globalen Akteur schärfen könne, sagte der Vertreter aus Brüssel. Ziel sei, dass die Bürger wissen, "was wir in der Entwicklungszusammenarbeit erreichen". Es gehe darum, Entwicklungszusammenarbeit als "Win-win-Strategie" darzustellen, die dabei helfe, Partnerländer zu stabilisieren und auf ihrem Weg zu eigenständigen und "potenten Akteuren" zu stärken. Für das Entwicklungsjahr seien eine Reihe von Veranstaltungen und Kampagnen auf EU-Ebene und in den Mitgliedstaaten geplant, die ihrerseits eigene Aktionspläne aufgestellt hätten. Als Wegmarke nannte der Vertreter der Kommission zudem die Europäischen Entwicklungstage Anfang Juni in Brüssel - nach seinen Worten ein "Davos der Entwicklungszusammenarbeit", das Vertreter von Politik, Zivilgesellschaft, Entwicklungsorganisationen und Wirtschaft ins Gespräch bringe.

Als große Herausforderung benannte der Gast aus Brüssel zudem die in diesem Jahr anstehende Entscheidung, ob sich die EU kollektiv erneut auf das Ziel einigen werde, 0,7 Prozent des EU-weiten Bruttonationaleinkommens für Entwicklungszusammenarbeit aufzubringen. Diese Entscheidung falle unter die schwierigen Rahmenbedingungen der Euro-Krise, selbst große Mitgliedsländer wie Frankreich oder Deutschland hätten das Ziel bisher nicht erreicht. Andererseits gelte, dass die EU global 55 Prozent der Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit stelle. "Wir sollten uns unsere Vorreiterrolle nicht zerreden lassen."

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3. Acatech: Akzeptanz von Technik stärken

Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung

Berlin: (hib/ROL) "Die Akzeptanz von Technologie und Infrastruktur in der Bevölkerung zu fördern, ist ein wichtiges Ziel", hob Professor Reinhard Hüttl, Präsident der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech) vor dem Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung am Mittwochvormittag in Berlin hervor. Die acatech ist die jüngste nationale Akademie. Sie wurde 2002 gegründet, stieg aber erst 2008 zur nationalen Akademie auf. Acatech berät im Auftrag von Bund und Ländern die Politik und Gesellschaft in Technikwissenschaften und technologiepolitischen Zukunftsfragen. Zudem vertritt die Akademie Deutschland in Technikfragen im Ausland. Acatech hat sich zum Ziel gesetzt, den Wissenstransfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft zu unterstützen und den technikwissenschaftlichen Nachwuchs zu fördern. Die Akademie stellt grundlegende Fragen zur Zukunft. Dabei geht es um die Arbeitswelt in Fabriken, zum Gelingen der Energiewende, zur Veränderung von Mobilität und zur Förderung von Innovatoren.

In ihrer Arbeit setzt die Akademie vor allem auf Networking. Die Akademie bringt herausragende Köpfe aus Wissenschaft und Wirtschaft zusammen. Im Austausch sollen Innovationen entstehen, die nachhaltiges Wachstum ermöglichen. Zur Akademie gehören 447 Mitglieder aus der Wissenschaft, die aufgrund ihrer herausragenden wissenschaftlichen Leistungen und ihrer hohen Reputation in die Akademie aufgenommen worden sind. Die Wissenschaftler kommen aus den Ingenieur-, Natur- aber auch den Geistes- und Sozialwissenschaften. Die zweite Säule der Akademie bilden die 107 Senatoren. Die Senatoren sind führende Fachleute aus technologieorientierten Unternehmen und Vereinigungen sowie den großen Wissenschaftsorganisationen. Die Senatoren unterstützen die Arbeit von acatech und unterstützen den Wissenstransfer.

Die Akademie verfügt derzeit über einen Haushalt von 13 Millionen Euro, wie der Generalsekretär von acatech, Professor Michael Klein, dem Ausschuss vortrug. Davon finanziert rund sechs Millionen Euro die Wirtschaft, rund drei Millionen kommen von der öffentlichen Hand. Weitere Mittel erhält die acatech durch institutionelle Drittmittel und Spenden.

Aktuell hat sich die Akademie drei Themenschwerpunkte gesetzt. Das erste Thema ist die Schaffung guter Rahmenbedingungen für IT-basierte Innovationen und IT-Sicherheit. Ein zweites Feld ist das Thema Fachkräfte-Nachwuchs. Bildung in den sogenannten MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) soll in Zukunft auf allen Ebenen vom Elternhaus bis zur beruflichen Weiterbildung gefördert werden und die Attraktivität technischer Berufe soll erhöht werden. Als drittes bemüht sich acatech darum, das Innovationklima in Deutschland insgesamt zu verbessern und die Technologieoffenheit zu fördern.

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4. Rückstellungen für Atomkraftwerke

Wirtschaft und Energie/Antwort

Berlin: (hib/HLE) Die Rückstellungen für nukleare Stilllegungs- und Entsorgungsverpflichtungen des Kernkraftwerks Brunsbüttel betrugen Ende 2013 1,652 Milliarden Euro. Wie die Bundesregierung in ihrer Antwort (18/4273) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/3953) weiter mitteilt, betragen die entsprechenden Rückstellungen für das Kernkraftwerk Brunsbüttel 1,805 Milliarden Euro. In der Antwort kündigt die Bundesregierung Gespräche mit den Energieversorgern über die Umsetzung ihrer rechtlichen Verpflichtungen zur Stilllegung, zum Rückbau und zur Entsorgung der radioaktiven Abfälle an. Dabei werde auch die beabsichtigte Umstrukturierung des Vattenfall-konzerns ein Thema sein.

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5. Fracking schon seit den 1960er-Jahren

Wirtschaft und Energie/Antwort

Berlin: (hib/HLE) Die Fracking-Technologie wird in anderen Lagerstätten als Schiefer- und Kohleflözgestein schon seit den 1960er-Jahren eingesetzt. Wie die Bundesregierung in ihrer Antwort (18/4272) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/3954) mitteilt, darf der Einsatz der Fracking-Technologie bereits nach dem geltenden Bergrecht keine Gefahren für die Gesundheit oder das Trinkwasser hervorrufen. Trotzdem sollen die Regelungen nach Angaben der Bundesregierung noch verschärft werden. Dagegen seien die Auswirkungen von Fracking im Schiefer- und Kohleflözgestein bisher nicht ausreichend erforscht. "Hier bedarf es zudem einer größeren Anzahl von Bohrungen als in anderen Gesteinen. Daher müssen hier die strengsten Regelungen gelten", kündigt die Bundesregierung an. Auf Fragen zu Umweltschäden durch die Erdgas- und Erdölförderung in Deutschland geht die Bundesregierung nicht näher ein. Die Genehmigung und Überwachung der Förderstätten sei Aufgabe der Länder

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6. Verfahren gegen Terror-Vereinigungen

Recht und Verbraucherschutz/Antwort

Berlin: (hib/SCR) Die Mitgliedschaft in, die Unterstützung von beziehungsweise das Werben für terroristische Vereinigungen im Ausland hat 2014 zu zahlreichen Ermittlungsverfahren durch den Generalbundesanwalt geführt. Schwerpunkt waren dabei islamistische Gruppen. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung (18/4288) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (18/4063) hervor. Die Fragesteller hatten sich in dieser unter anderem nach der Zahl der Ermittlungsverfahren aufgrund der Paragraphen 129 (Bildung krimineller Vereinigungen), 129a (Bildung terroristischer Vereinigungen) und 129b (Kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland) des Strafgesetzbuches (StGB) erkundigt.

Laut Aufstellung der Bundesregierung hat der Generalbundesanwalt 91 Ermittlungsverfahren gegen 115 Beschuldigte aufgrund des Verdachts einer Straftat nach § 129b StGB neu eingeleitet. Weitere 40 Verfahren gegen 55 Beschuldigte übernahm der Generalbundesanwalt von den Ländern. 129 Beschuldigten wird die Mitgliedschaft in einer Terrororganisation vorgeworfen, 40 die Unterstützung und einem Beschuldigten das Werben für solche Organisationen. Die Bundesregierung führt 26, überwiegend islamistische Organisationen auf, die im Zusammenhang mit diesen Ermittlungen stehen. Darunter sind etwa Al-Qaida, Boko Haram und der "Islamische Staat im Irak und Großsyrien" (ISIG).

2014 erhob der Generalbundesanwalt laut Antwort zudem sieben Mal Anklage gegen insgesamt 15 Beschuldigte, denen eine Straftat - teilweise neben anderen - nach § 129b StGB vorgeworfen wird. In diesem Zusammenhang sind vier ausländische terroristische Vereinigungen betroffen, unter anderem ISIG. 2014 wurden zudem zehn Angeklagte verurteilt, fünf davon bereits rechtskräftig.

Der Generalbundesanwalt hat zudem 2014 insgesamt ein Ermittlungsverfahren gegen sechs Beschuldigte wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung nach § 129a StGB mit rechtsextremistischer Orientierung eingeleitet. Ein weiteres Verfahren gegen unbekannte Beschuldigte in diesem Bereich wurde vom Generalbundesanwalt von den Staatsanwaltschaften der Länder übernommen. In Bezug auf linksextremistische Gruppen wurde der Generalbundesanwalt 2014 nicht tätig.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 145 - 18. März 2015 - 12.00 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. März 2015

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