Schattenblick → INFOPOOL → PARLAMENT → FAKTEN


BUNDESTAG/4939: Heute im Bundestag Nr. 140 - 16.03.2015


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 140
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 16. März 2015, Redaktionsschluss: 18.00 Uhr

1. Crowdfunding bleibt umstritten
2. TTIP entzweit die Experten


1. Crowdfunding bleibt umstritten

Finanzausschuss/Öffentliche Anhörung

Berlin: (hib/HLE) Alternative Finanzierungsformen wie die Schwarmfinanzierung (Crowdfunding), für die auch soziale Netzwerke im Internet genutzt werden, bleiben umstritten. In einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses am Montag zu dem von der Bundesregierung geplanten Kleinanlegerschutzgesetz (18/3994) forderten Vertreter der Branche und von am Gemeinwohl orientierten Initiativen bessere Ausnahmeregelungen als von der Regierung in ihrem Entwurf vorgesehen. Die Verbraucherzentrale Bundesverband warnte dagegen im Zusammenhang mit Crowdinvestments vor "Sonderregelungen für einen Anlagetyp, der sich in Teilen bereits als problematisch erwiesen hat". Auch Rechtsanwalt Peter Mattil befasste sich kritisch mit dem Crowdfunding. Mattil verwies auf negative Erfahrungen mit geschlossenen Fonds: "Inwieweit die Internet-Plattformen sich in seriöser Weise davon abheben, bedarf der genauen Beobachtung." Es gebe keinen Grund, die Ausnahmen zu erweitern.

Die Deutsche Kreditwirtschaft (DK), die Spitzenorganisation der deutschen Banken und Sparkassen, warnte in ihrer schriftlichen Stellungnahme davor, Crowdfunding dem Anleger- und Verbraucherschutz überzuordnen. "Aus Anlegersicht handelt es sich bei Crowdfunding um ein Hochrisikoinvestment, bei dem ein Totalverlust des eingesetzten Kapitals drohen kann", hieß es in der Stellungnahme der Kreditwirtschaft. Auf den Plattformen dürfe nicht der Eindruck erweckt werden, "dass Investitionen in Crowdfunding-Projekte mit der Sicherheit einer Bank- und Spareinlage vereinbar wären". Banken und Sparkassen forderten auch, dass Finanzanlagenvermittler genauso wie Bank-Mitarbeiter von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) überwacht würden: "Es reicht nicht aus, den grauen Kapitalmarkt nur von der Produktseite her zu regulieren."

Mit dem Gesetzentwurf soll die Transparenz von Finanzprodukten erhöht werden. Anleger sollen besser informiert werden als bisher. Wie die Bundesregierung in der Begründung des Entwurfs schreibt, haben Anleger erhebliche Verluste erlitten, "indem sie in Produkte investierten, die nur einer eingeschränkten Aufsicht durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht unterlagen. Die eingetretenen Vermögensschäden beruhten auch auf der fehlerhaften Annahme der Anleger, hohe Renditen könnten ohne Risiko erreicht werden."

Als Konsequenz aus den Vorfällen in der Finanzbranche sollen Anlageprospekte nur noch zwölf Monate und nicht mehr unbegrenzt gültig sein. Anbieter von Nachrangdarlehen und ähnlichen Produkten sollen ebenfalls verpflichtet werden, einen Prospekt zu erstellen. Da solche Darlehen aber auch beim Crowdinvestment sowie bei sozialen und gemeinnützigen Projekten zur Finanzierung eingesetzt werden, soll es hier einige Ausnahmen von der Prospektpflicht geben. Werbung für Vermögensanlagen im öffentlichen Raum (zum Beispiel in Bussen und Bahnen) soll nicht mehr zulässig sein. In Printmedien bleibt sie erlaubt, wird aber eingeschränkt. Diese Werbeeinschränkungen zeigen nach Ansicht des Zentralverbands der deutschen Werbewirtschaft "eine falsche Anordnung von Werbung im Entscheidungsprozess der Verbraucher". Werbung ersetze nicht die nachhaltige Befassung mit dem beworbenen Produkt, schrieb der Zentralverband in seiner Stellungnahme und forderte: "Inhaltlich rechtmäßige, also nicht irreführende Werbung, die zudem etwaige weitere inhaltliche Vorgaben für die Bewerbung des jeweiligen Produkts enthält, muss selbstverständlich in jedem Werbeträger unabhängig vom redaktionellen Schwerpunkt geschaltet werden können." Der Verband befürchtet, dass die geplanten Werbeverbote die Finanzierung von Start-ups und innovativen Unternehmen erheblich erschweren oder sogar praktisch unmöglich machen würden. Auch Tamo Zwinge von der Companisto GmbH erklärte, Crowdinvestments müssten anders beworben und vertrieben werden als klassische Finanzprodukte. Wenn dies nicht in sozialen Medien geschehen dürfe, würden diese Investments erheblich erschwert werden. Auch die in der Höhe der Anlagesummen begrenzten Ausnahmen für Crowdinvestments (eine Million Euro) wurden kritisiert. In der Start-up-finanzierung gehe es oft um höhere Beträge, erklärten auch mehrere andere Sachverständige. Professor Lars Klöhn (Ludwig-Maximilians-Universität München) wies darauf hin, dass allein für die Finanzierung eines Windrades schon drei Millionen Euro notwendig werden könnten. Tobias Riethmüller, Gründungsmitglied von German Crowdfunding Network, sprach außerdem von Abgrenzungsproblemen bei den Ausnahmebestimmungen.

Die GLS-Bank warnte in ihrer Stellungnahme vor einer Entwicklung, die es Vereinen und Genossenschaften erschwere, Nachrangdarlehen von ihren Mitgliedern entgegenzunehmen. Bürgerschaftliche Beteiligungsformen seien Voraussetzung für die Weiterentwicklung der Gesellschaft. Auch die Genova Wohnungsgenossenschaft Vauban und das "Mietshäuser Syndikat" Freiburg bezeichneten Nachrangdarlehen als essentiell für Projekte, mit denen die eigene Lebenswelt gemeinschaftlich und initiativ gestaltet werde. Dazu gehörten das Bedürfnis nach gemeinschaftlichem und sicherem Wohnen sowie nach gemeinschaftlich organisierter Energieversorgung, nach gemeinschaftlich organisierter Bildung und nach gemeinschaftlichem ökologischen Handel. Der Zentralverband deutscher Konsumgenossenschaften begrüßte den Entwurf, sprach sich aber für Änderungen und Präzisierungen bei den Regelungen für Genossenschaften aus.

Positiv äußerte sich die Bundesarbeitsgemeinschaft mittelständischer Investmentpartner. Der Entwurf enthalte Maßnahmen, mit denen Fälle wie Prokon verhindert werden sollte. Bei dem in Konkurs gegangenen Windanlagenbauer und -betreiber hatten 75.000 Anleger rund 1,4 Milliarden Euro in Genussrechte investiert. Kritisch betrachtet wurde von der Bundesarbeitsgemeinschaft mittelständischer Investmentpartner die Mindesthaltedauer von zwei Jahren. Die wirtschaftliche Realität sei eine andere, zum Beispiel bei Zwischenfinanzierungen. Lobend äußerte sich auch Professor Andreas Oehler (Universität Bamberg). Der Entwurf gehe grundsätzlich in die richtige Richtung, aber die Trennung der Regulierung eines weißen und eines grauen Kapitalmarktes sei längst überholt und obsolet, weil nicht bedarfsgerecht.

*

2. TTIP entzweit die Experten

Ausschuss für Wirtschaft und Energie (Anhörung)

Berlin: (hib/FLA) Positive Erwartungen, beträchtliche Sorgen, komplette Ablehnung: Das geplante europäisch-amerikanische Freihandelsabkommen TTIP ("Transatlantic Trade and Investment Partnership") stieß am Montag unter Experten bei einer Anhörung im Ausschuss für Wirtschaft und Energie auf ein geteiltes Echo. Der stellvertretende Ausschussvorsitzende Klaus Barthel (SPD), der die öffentliche Anhörung leitete, sah den Bundestag vor noch vielen Beratungsstunden, da "bis jetzt nur Grundzüge" zu erkennen seien. Die EU-Kommission strebe an, dass es bis Ende dieses Jahres ein "Grundgerüst" für TTIP gebe, sagte ihr Vertreter Lutz Güllner.

Viele Fragen kreisten um die rechtlichen Auswirkungen. Jedes solcher Abkommen begrenze staatliches Handeln, machte Professor Markus Krajewski (Universität Erlangen-Nürnberg) klar. Freilich halte er den Bundestag für "hinreichend selbstbewusst", Beschlüsse zu fassen und es notfalls auf eine Klage ankommen zu lassen. Der Sachverständige Jürgen Maier (Forum Umwelt und Entwicklung) führte aus, dass es nicht insgesamt zu höheren Standards kommen werde. Beim Geben und Nehmen der Verhandlungen werde es um die vorhandenen unterschiedlichen Standards gehen.

Der Unternehmer Bertram Kawlath hob die "Chance" hervor, "besonders den kleinen Unternehmen große Markteintrittsbarrieren zu nehmen". Stefan Körzell vom Deutschen Gewerkschaftsbund befürchtete hingegen einen "Wettlauf, um Arbeitnehmerstandards zu senken". Professor Gabriel Felbermayr (ifo Institut - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e. V.) sprach von "Vorteilen in der langen Frist" mit einem Wirtschaftswachstum von ein bis drei Prozent.

Professor Sebastian Dullien (Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin) machte "leichte wirtschaftliche Vorteile" für die EU und "etwas stärkere, aber immer noch recht geringe" für Deutschland aus. Allerdings würden derzeit "Bereiche mit verhandelt, die keinerlei gesamtwirtschaftliche Vorteile erkennen lassen, aber große Risiken für die Handlungsfähigkeit der Politik mit sich bringen" - etwa Investitionsschutz oder Schlichtungsmechanismus.

Jürgen Maier wartete mit einem Generalverriss auf: Aus wirtschaftlichen Gründen sei TTIP nicht nötig. Man brauche das Abkommen "nur, wenn man eine neue Welle von Deregulierung einleiten" wolle, wenn man "der Wirtschaft mehr Macht geben will, unerwünschte Regulierungen abzuwehren". Thomas Fritz (PowerShift e.V.) befand, die Investitionsschutzregeln seien "nicht nur vor dem Hintergrund überflüssig, dass beide Partner entwickelte Rechtsschutzsysteme aufweisen". Sie seien auch "ökonomisch widersinnig".

Die kommunalen Spitzenverbände unterstützen das Ziel des Abkommens, machen aber auch "erhebliche Risiken" geltend: "Sollten typische kommunale Dienstleistungen wie die Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung, der Öffentliche Personennahverkehr, Sozialdienstleistungen, Krankenhäuser oder die Kultur Regeln zur Liberalisierung unterworfen werden, würde die derzeit garantierte umfassende Organisationsentscheidung von Kommunalvertretern durch rein am Wettbewerb ausgerichtete einheitliche Verfahren ersetzt", heißt es in ihrer Stellungnahme.

Ausgangspunkte für die Anhörung waren drei Anträge der Opposition. Die Fraktion Die Linke verlangt, die laufenden Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und den USA über das TTIP-Abkommen "unverzüglich zu stoppen"(18/1093). Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/1457; 18/1964) fordert "fairen Handel ohne Demokratie-Outsourcing" und dringt darauf, keine Regelungen zu schaffen, die "die Handlungs- und Gestaltungsspielräume der demokratisch legitimierten Gesetzgeber zukünftig einschränken". Die Bundesregierung solle sich außerdem dafür einsetzen, dass weder in das mit den USA geplante TTIP noch in das mit Kanada geplante "Comprehensive Economic and Trade Agreement" (CETA) ein Mechanismus zu außergerichtlichen Schiedsverfahren zwischen Investoren und Staaten aufgenommen wird.

*

Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 140 - 16. März 2015 - 18.00 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
Platz der Republik 1, 11011 Berlin
Telefon: +49 30 227-35642, Telefax: +49 30 227-36191
E-Mail: mail@bundestag.de
Internet: www.bundestag.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. März 2015

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang