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BUNDESTAG/4461: Heute im Bundestag Nr. 326 - 23.06.2014


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 326
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 23. Juni 2014, Redaktionsschluss: 14.10 Uhr

1. Experten-Disput zu Optionsregelung
2. Internationale Rechtshilfe stärken
3. Beförderung von Frauen bei Polizeibehörden
4. ADAC: Grüne wollen Transparenz
5. Entschädigungen für Gewaltopfer
6. Patientensicherheit in Krankenhäusern
7. Wartezeiten auf einen Arzttermin



1. Experten-Disput zu Optionsregelung

Innenausschuss (Anhörung)

Berlin: (hib/STO) Die von der Bundesregierung geplante Neuregelung der sogenannten Optionspflicht im Staatsangehörigkeitsrecht stößt bei Experten auf ein gemischtes Echo. Dies wurde am Montag bei einer Sachverständigen-Anhörung des Innenausschuss zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung (18/1312) deutlich. Der Expertenrunde lag zugleich je ein Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke (18/1092) und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/185(neu)) zur Aufhebung der Optionspflicht sowie einen Antrag der Linksfraktion "für ein fortschrittliches Staatsangehörigkeitsrecht" (18/286) vor.

Wie die Regierung in ihrer Vorlage ausführt, sollen "in Deutschland geborene und aufgewachsene Kinder ausländischer Eltern" in Zukunft nicht mehr die deutsche Staatsangehörigkeit verlieren können. Nach der bisher geltenden Optionspflicht müssen sich in Deutschland geborene Kinder von Ausländern bis zum 23. Lebensjahr zwischen der deutschen Staatsangehörigkeit und der ihrer Eltern entscheiden. Dem Gesetzentwurf zufolge ist in der Bundesrepublik aufgewachsen, wer sich bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres "acht Jahre gewöhnlich in Deutschland aufgehalten hat, sechs Jahre in Deutschland eine Schule besucht hat oder über einen in Deutschland erworbenen Schulabschluss oder eine in Deutschland abgeschlossene Berufsausbildung verfügt".

Der Leiter der Stuttgarter Staatsangehörigkeits- und Einbürgerungsbehörde, Andreas Deuschle, verwies in der Anhörung darauf, dass sich nach der derzeit geltenden Rechtslage die Zahl der Optionspflichtigen ab dem Jahr 2018 gegenüber den jetzigen Zahlen verzehnfachen werde. Vor diesem Hintergrund stelle der Regierungsentwurf "aus der Sicht des Praktikers eine wesentliche Verbesserung gegenüber der alten Regelung dar". Deshalb begrüße er diese Vorlage grundsätzlich. Dabei sehe er, dass ein vollständiger Wegfall der Optionspflicht "politisch derzeit nicht im Raum steht".

Martin Jungnickel vom Regierungspräsidium Darmstadt betonte, die Verwaltung sei natürlich froh, dass es den Regierungsentwurf gebe. Die darin vorgesehene Regelung bedeute im Verhältnis zum jetzt geltenden Recht eine große Entlastung. Gleichwohl müssten auch bei dem geringeren Aufwand "alle ius-soli-Deutschen durch ein - wenn auch reduziertes - Verwaltungsverfahren". Daher stelle sich "die Frage nach Verhältnis und Ertrag" nach wie vor, wenn auch auf einem geringeren Niveau als vorher.

Der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Safter Çinar, sprach sich dafür aus, das Optionsmodell zu streichen. Mehrstaatigkeit sollte zum Regelfall werden. Viele Menschen wollten ihre ursprüngliche, von den Eltern übertragene Staatsbürgerschaft beibehalten und sich zugleich gerne einbürgern lassen. Insbesondere die "türkeistämmigen Bewohner der Bundesrepublik" sähen "immer mehr in der Ablehnung der Mehrstaatigkeit die Ablehnung ihrer ethnischen Herkunft". Für die Ablehnung der Mehrstaatigkeit sehe er keine zeitgemäßen Argumente.

Professor Bernd Grzeszick von der Universität Heidelberg sagte demgegenüber, Mehrstaatigkeit könne zu Komplikationen "rechtlicher, tatsächlicher und politischer Art" führen. Mehrstaatigkeit sei nicht immer zwingend abzulehnen, doch gebe es gute Gründe, "zu verlangen, dass begründungslastig wird, Mehrstaatigkeit auf Dauer (...) hinzunehmen". Der Gesetzgeber könne sich indes "vertretbar dafür entscheiden, diesen Personenkreis der hier Geborenen und hier Aufgewachsenen aus dem Bereich der Optionsobliegenheit hinauszunehmen".

Professor Christian Hillgruber von der Universität Bonn sagte, wer über eine doppelte Staatsangehörigkeit verfüge, habe dadurch "erhebliche Vorteile". Es gebe aber auch "Lasten und Probleme". So seien Loyalitätskonflikte nicht gänzlich auszuschließen. Auch könne es "zu einem doppelten Wahlrecht kommen". So sehe die Türkei seit 2012 auch das Wahlrecht für im Ausland lebende Türken bei Parlaments- und Präsidentenwahlen vor. Die Bundesrepublik könne zwar das Wahlrecht in anderen Staaten nicht beeinflussen, aber indem sie eine doppelte Staatsangehörigkeit erlaube, übernehme sie "Mitverantwortung für eine damit einhergehende Privilegierung des Doppelstaatlers".

Professorin Astrid Wallrabenstein von der Goethe-Universität Frankfurt am Main kritisierte "die Regelung, die den Aufenthalt im Inland (...) verlangt", als "unionsrechtswidrig". Schließlich handele es sich bei den Betroffenen "um mindestens deutsche Staatsangehörige, die auch Unionsbürger sind und auch ein Interesse daran haben können, von ihrer Unionsbürger-Freizügigkeit Gebrauch zu machen". Daran würden sie aber durch die vorgesehene Regelung in bestimmten Konstellationen gehindert. Unionsrechtlich müsse der Aufenthalt in einem EU-Staat dem Aufenthalt im Inland gleichgestellt werden. Das führe aber zu einem verfassungsrechtlichen Problem, weil man dann erklären müsse, warum die Optionspflicht greife, wenn man sich in einem Drittstaat aufgehalten habe, aber nicht, wenn man in einem anderen EU-Staat lebt.

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2. Internationale Rechtshilfe stärken

Recht und Verbraucherschutz/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/KOS) Im gesamten Bereich des Europarats mit seinen 47 Mitgliedsländern soll künftig eine internationale Rechtshilfe bei der grenzüberschreitenden Verfolgung von Straftaten möglich sein, die sich an der zwischen den 28 EU-Staaten gängigen Praxis orientiert. Zu diesem Zweck hat die Regierung einen Gesetzentwurf (18/1773) vorgelegt, der die Ratifizierung des Zweiten Zusatzprotokolls vom November 2001 zum Europäischen Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen vom April 1959 durch den Bundestag zum Ziel hat. Dieser Europaratsvertrag wird durch das Zusatzprotokoll von 2001 ergänzt, das beispielsweise moderne Ermittlungsmethoden wie etwa die Bildung gemeinsamer Ermittlungsgruppen auf transnationaler Ebene erlauben soll. Im Gesetzentwurf heißt es, das Zusatzprotokoll werde die Fähigkeit der Europaratsnationen und der übrigen Zeichnerländer dieses Protokolls verbessern, "auf Straftaten angemessen reagieren zu können". Bei dem Straßburger Staatenbund sind neben den 28 EU-Nationen noch 19 weitere europäische Länder Mitglied. Dem Zusatzprotokoll von 2001 zur grenzüberschreitenden Rechtshilfe in St rafsachen können zudem Staaten beitreten, die nicht zum Europarat gehören.

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3. Beförderung von Frauen bei Polizeibehörden

Inneres/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/STO) Um die "dienstliche Beurteilung und Beförderung von Frauen bei den Polizeibehörden des Bundes" geht es in einer Kleinen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/1755). Darin erkundigen sich die Abgeordneten, welche Untersuchungen der Bundesregierung zur Beurteilungs- und Beförderungssituation von Frauen in diesen Behörden mit welchen Ergebnissen bekannt sind. Auch wollen sie wissen, welche Konsequenzen die Bundesregierung aus diesen Erkenntnissen "im Hinblick auf die Sicherstellung einer diskriminierungsfreien Beurteilung und Beförderung in Bundesbehörden" gezogen hat. Ferner fragen sie unter anderem, wie hoch der Frauenanteil im Polizeivollzugsdienst beziehungsweise im Verwaltungsdienst der Bundespolizei sowie des Bundeskriminalamtes (BKA) in den einzelnen Besoldungsgruppen in den vergangenen zehn Jahren war und ob es bei BKA und Bundespolizei Führungspositionen gibt, die Teilzeitbeschäftigten nicht offen stehen.

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4. ADAC: Grüne wollen Transparenz

Recht und Verbraucherschutz/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/KOS) Im Rahmen einer Kleinen Anfrage (18/1757) setzen sich die Grünen mit dem ADAC kritisch auseinander. Angesichts des Verdachts auf Manipulationen bei der Vergabe des Autopreises "Gelber Engel" verweist die Fraktion darauf, dass Millionen von Autofahrern auf Umfragen, Aussagen oder Tests des ADAC vertrauen würden. Die wirtschaftliche Betätigung des ADAC und dessen Beteiligungen an Unternehmen wie Tankstellenbetrieben oder Fahrzeugvermietungen führten jedoch zu Zweifeln an der Objektivität von Tests und zu Unklarheiten über die Interessenlage des Clubs, moniert die Oppositionspartei. Wie es in der Anfrage heißt, überprüft das Amtsgericht München derzeit, ob dem ADAC weiterhin der Vereinsstatus zuerkannt werden könne. Dies hänge vor allem davon ab, ob ökonomische Aktivitäten und Gewinne Hauptzweck des ADAC seien: "Angesichts der undurchsichtigen Strukturen zwischen ADAC und seinen Tochterunternehmen ist fraglich, ob eine klare Trennung zwischen wirtschaftlicher Betätigung und Vereinstätigkeit besteht."

Die Grünen haben im Detail zahlreiche Fragen formuliert und wollen u. a. wissen, zu welchen Ergebnissen die von der Regierung im Januar angekündigten Gespräche mit dem ADAC geführt haben - etwa zur Einführung von Qualitätskontrollen bei dem Club, zu einer externen Qualitätskontrolle von Tests oder zu einer Reduzierung der Geschäftstätigkeit des ADAC auf die Pannenhilfe. Die Regierung soll Auskunft geben, inwieweit der Vereinsstatus der Organisation von den bekannt gewordenen Vorwürfen berührt sei. Die Fraktion begehrt Auskunft, ob die rechtlichen Möglichkeiten zur Offenlegung von Beteiligungsstrukturen im konkreten Fall des ADAC ausreichend seien. Schließlich soll die Regierung erläutern, welche Konsequenzen sie aus den Vorfällen beim ADAC für ihre verbraucherpolitische Strategie ziehe. Aus Sicht der Grünen ist im Interesse der Verbraucher vor allem mehr Transparenz vonnöten.

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5. Entschädigungen für Gewaltopfer

Recht und Verbraucherschutz/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/KOS) Auskunft über die finanzielle Entschädigung von Opfern rechtsextremer Gewalt mit Geldern eines im Jahr 2001 von der damals amtierenden rotgrünen Koalition geschaffenen Fonds begehren die Grünen. In einer Kleinen Anfrage (18/1758) verweist die Fraktion darauf, dass dieser aus Haushaltsmitteln finanzierte Fonds bis Ende 2009 ausschließlich zur symbolischen Entschädigung von Opfern rechtsextrem motivierter Gewalt gedient habe. Seit 2010 seien auch Opfer islamistisch und linksextrem motivierter Übergriffe anspruchsberechtigt. "Der ursprüngliche Gründungszweck des Fonds, speziell Opfer rechter Gewalt zu entschädigen, wurde damit stark verwässert, im ungünstigsten Fall sogar konterkariert", kritisiert die Oppositionspartei. Zudem beklagen die Grünen, dass die für diesen Fonds bereitgestellten Gelder von rund fünf Millionen Euro im Jahr 2001 auf nur noch 300.000 Euro im Jahr 2008 gekürzt worden seien.

Mit Hilfe eines umfangreichen Fragenkatalogs will die Fraktion u. a. erfahren, warum der einst für Opfer rechtsextremer Gewalt geschaffene Fonds 2010 auch für Opfer anderer extremistischer Übergriffe geöffnet wurde. Justizminister Heiko Maas soll mitteilen, ob er vor dem Hintergrund der NSU-Verbrechen diesen Fonds wieder ausschließlich auf die Entschädigung von Opfern rechter Hasskriminalität ausrichten wolle. Konkret will die Oppositionspartei wissen, wie viele Entschädigungsanträge zwischen 2009 und 2013 gestellt wurden, wie viele dieser Ersuchen bewilligt oder aus welchen Gründen abgelehnt wurden und wie viele dieser Anträge Übergriffe betrafen, die als rechtsextremistisch, antisemitisch, linksextremistisch, islamistisch oder sonstig extremistisch eingestuft wurden. Erläutern soll die Regierung, bei wie vielen Entschädigungsersuchen es um Tötungsdelikte, um Körperverletzungen oder um Bedrohungen und Ehrverletzungen ging. "Wurden auch die Hinterbliebenen der Mordopfer des NSU-Terrors aus diesem Fonds entschädigt?", fragen die Grünen.

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6. Patientensicherheit in Krankenhäusern

Gesundheit/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/PK) Mit der Sicherheit von Patienten bei Krankenhausbehandlungen befasst sich eine Kleine Anfrage (18/1765) der Fraktion Die Linke. Die Abgeordneten verweisen auf den Krankenhausreport 2014, wonach es an deutschen Kliniken bei fünf bis zehn Prozent der Patienten zu "unerwünschten Ereignissen" komme, die für deren Sicherheit relevant seien. Rund 19.000 Todesfälle gingen auf solche Ereignisse zurück, was einer Häufigkeit von rund einem Promille bezogen auf alle Klinikbehandlungen entspreche. Viele Fehler seien dabei vermeidbar.

Ärzte und Krankenhäuser stellten die Daten des Reports allerdings infrage, heißt es in der Anfrage weiter. Patienten hätten große Probleme, verlässliche Zahlen zur Gefährdung der Patientensicherheit in Kliniken zu erhalten. Die Studienlage zur Patientensicherheit werde in dem Krankenhausreport als schlecht beschrieben. Die Abgeordneten fragen nun unter anderem, was die Bundesregierung unternehmen wolle, um die Defizite bei der Dokumentation und Auswertung von Daten zur Patientensicherheit in Krankenhäusern zu beheben.

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7. Wartezeiten auf einen Arzttermin

Gesundheit/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/PK) Die unterschiedlichen Wartezeiten von gesetzlich und privat versicherten Patienten auf einen Arzttermin sind Thema einer Kleinen Anfrage (18/1768) der Fraktion Die Linke. Die Abgeordneten verweisen in ihrer Anfrage auf Äußerungen der Bundesärztekammer, wonach Privatpatienten schneller einen Arzttermin bekämen, weil die Private Krankenversicherung (PKV) das bessere Vergütungsmodell habe. Die Linke will nun Näheres wissen über die Vergütung der Ärzte, wenn ihre Patienten Mitglied in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) oder in der PKV sind.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 326 - 23. Juni 2014 - 14.10 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Juni 2014