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BUNDESTAG/4460: Heute im Bundestag Nr. 325 - 20.06.2014


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 325
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Freitag, 20. Juni 2014, Redaktionsschluss: 13.45 Uhr

1. Sorge wegen doppelter Stimmen bei EU-Wahlen
2. Lebensversicherung wird stabilisiert



1. Sorge wegen doppelter Stimmen bei EU-Wahlen

Bundeswahlausschuss

Berlin: (hib/JOH) Bundeswahlleiter Roderich Egeler hat sich am Freitagmittag in einer öffentlichen Sitzung des Bundeswahlausschusses im Bundestag besorgt über die Möglichkeit der doppelten Stimmabgabe bei Europawahlen gezeigt. Er sehe einen "dringenden Handlungsbedarf des Gesetzgebers", um das zweifache Wählen durch Doppelstaater, die ihren Wohnsitz in einen Mitgliedstaat der EU haben, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen, künftig zu verhindern. Die Debatte hatte der Chefredakteur der Wochenzeitung "Die Zeit", Giovanni di Lorenzo, in Gang gesetzt, als er am Wahlabend öffentlich bekannt hatte, zweimal gewählt zu haben: einmal als deutscher Staatsbürger in einer Hamburger Wahllokal, ein weiteres Mal als italienischer Staatsbürger im italienischen Konsulat.

Die doppelte Stimmabgabe im Wahlgebiet der Europäischen Union stelle eine Verletzung des geltenden Wahlrechts dar, betonte Egeler. Das Wahlrecht dürfe sowohl nach dem deutschen Europawahlgesetz als auch nach den europarechtlichen Regelungen stets nur einmal ausgeübt werden. "Das Gebot, dass jeder Wähler nur einmal wählen kann, ist Ausdruck des Gleichheitsgrundsatzes der Wahl und damit ein fundamentales Prinzip jeder demokratisch verfassten Gesellschaft", machte Egeler klar. Gegen dieses Gebot habe di Lorenzo eindeutig verstoßen. Zwar lasse sich für diesen Einzelfall eine Auswirkung auf die Sitzverteilung des deutschen Kontingents definitiv ausschließen. Doch lägen "tatsächliche Anhaltspunkte" dafür vor, dass es in einer "nicht unerheblichen Anzahl" von Fällen zu einer doppelten Stimmabgabe gekommen sein könnte. Egeler verwies auf seit kurzem vorliegende Zensus-Angaben: Ihnen zufolge leben rund eine Millionen Wahlberechtigte in Deutschland, die neben der deutschen noch eine weitere Staatsangehörigkeit eines Mitgliedslandes der Europäischen Union besitzen. Anhand dieser Zahlen bekomme die Möglichkeit der zweifachen Stimmabgabe durch Doppelstaater "eine neue Bedeutung", betonte Egeler.

Recherchen des Bundeswahlleiters hätten ergeben, dass in fünf EU-Mitgliedstaaten eine automatische Aufnahme der im Ausland lebenden Staatsangehörigen in die dortigen Wählerverzeichnisse erfolge, darunter auch in Italien. Zudem seien unter den Mitgliedstaaten, die zwar einen Antrag voraussetzen, um als im Ausland lebender Staatsangehöriger in das Wählerverzeichnis eingetragen zu werden, fünf Staaten, in denen die einmal erfolgte Eintragung über mehrere Jahre oder sogar unbegrenzt fortgeschrieben würde. Demzufolge übersende der überwiegende Teil der genannten Mitgliedstaaten den im Ausland lebenden Staatsangehörigen offenbar automatisch die zur Ausübung der Wahl erforderlichen Unterlagen.

Egeler betonte, dass er durch seine Schilderungen nicht den Eindruck erwecken wolle, "den Personenkreis der Doppelstaater einem Generalverdacht von missbräuchlichem Wahlverhalten auszusetzen". Sein Anliegen sei es vielmehr darauf hinzuweisen, dass es derzeit gänzlich an einem System fehle, welches die doppelte Stimmabgabe verhindere. Regelungen zur Ausübung des Wahlrechts durch Doppelstaater sähen weder die europäischen noch die deutschen Rechtsgrundlagen vor. Egeler sprach sich als Konsequenz für eine Entscheidungspflicht für Doppelstaater aus. Sie sollten sich vor der Wahl klar entscheiden müssen, in welchem Land sie wählen wollten. Idealerweise sollte eine umfassende Regelung nicht nur auf nationaler, sondern auch auf europäischer Ebene gefunden werden, mahnte Egeler.

Anlass der knapp 40 minütigen Sitzung war die Bekanntgabe des endgültigen amtlichen Ergebnisses der Wahl zum Europäischen Parlament in Deutschland am 25. Mai 2014. Dieses wird in Kürze auch im Bundesanzeiger öffentlich bekannt gegeben und auf der Homepage des Bundeswahlleiters unter www.bundeswahlleiter.de veröffentlicht.

Egeler zufolge betrug die endgültige Zahl der Wahlberechtigten in Deutschland 61,99 Millionen. Davon beteiligten sich 29,84 Millionen an der Europawahl. Dies entspreche einer Wahlbeteiligung von 48,1 Prozent. 29,36 Millionen Stimmen seien gültig gewesen (98,4 Prozent), 488.706 Stimmen ungültig (1,6 Prozent).

Auf die einzelnen Parteien entfielen folgende Stimmenanteile: CDU 30 Prozent, SPD 27,3 Prozent, Bündnis 90/Die Grünen 10,7 Prozent, FDP 3,4 Prozent, Die Linke 7,4, CSU 5,3 Prozent, Freie Wähler 1,5 Prozent, Tierschutzpartei 1,2 Prozent, Familienpartei 0,7 Prozent, Piraten 1,4 Prozent, ÖDP 0,6 Prozent, Alternative für Deutschland (AfD) 7,1 Prozent, NPD 1 Prozent, Die Partei 0,6 Prozent, Sonstige 1,5 Prozent. Daraus ergibt sich folgende Aufteilung der 96 deutschen Sitze im Europäischen Parlament: Die CDU erhält 29 Sitze, die SPD 27, die CSU fünf, die FDP drei, Linke und AfD bekommen jeweils sieben Sitze. Die Grünen können elf Abgeordnete nach Straßburg schicken. Freie Wähler, Tierschutzpartei, Familienpartei, Piratenpartei, ÖDP, NPD und Partei erhalten jeweils einen Sitz.

Egeler räumte ein, dass die nachträglichen Änderungen durch die Kreis- und Landeswahlausschüsse bei dieser Wahl "nicht in den gewohnten Grenzen" gelegen hätten. Er betonte aber, dass dies keine Auswirkungen auf die nach dem vorläufigen Ergebnis ermittelte Sitzverteilung gehabt habe. Tatsächlich seien die Abweichungen bei den Ergebnissen jedoch dreimal so hoch gewesen wie in den Jahren zuvor. Auch bei der Bundestagswahl im vergangenen Jahr habe es schon ähnliche Probleme gegeben. "Die Wahlhelfer scheinen offenbar überfordert zu sein", konstatierte Egeler. Er habe sie daher zu einer Besprechung eingeladen, um gemeinsam zu überlegen, wie bei den nächsten Wahlen Besserungen erreicht werden können.

Der Bundeswahlleiter wies zuletzt auf die Möglichkeit hin, noch bis zum 25. Juli schriftlich beim Wahlprüfungsausschuss des Bundestages Einspruch gegen die Europawahl einlegen zu können. Berechtigt dazu sei jeder Wahlberechtigte, jede Gruppe von Wahlberechtigten und in amtlicher Eigenschaft auch der Bundeswahlleiter, jeder Landeswahlleiter sowie der Präsident des Deutschen Bundestages.

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2. Lebensversicherung wird stabilisiert

Finanzen/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/HLE) Die Leistungen an Lebensversicherte durch ihre Versicherungen sollen auch in der Niedrigzinsphase auf den Kapitalmärkten stabil und fair bleiben. Diesem Ziel dient der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf eines Gesetzes zur Absicherung stabiler und fairer Leistungen für Lebensversicherte (18/1772). Damit sollen unter anderem die Beteiligung der Versicherten an den Risikoüberschüssen der Unternehmen von 75 auf 90 Prozent erhöht werden. Zugleich wird die Verzinsung für Neuverträge gesenkt.

Die Regierung begründet ihr Vorhaben mit einem Hinwies auf ein Stressszenario der Deutschen Bundesbank, wonach in einem bis 2023 anhaltenden Niedrigzinsumfeld mehr als ein Drittel der deutschen Lebensversicherer die regulatorischen heutigen Eigenmittelanforderungen nicht mehr erfüllen würden. Gemessen an den ab voraussichtlich ab 2016 geltenden Solvabilitätsvorschriften könnten noch mehr Unternehmen die Eigenmittelanforderungen nicht mehr erfüllen. Wörtlich heißt es in dem Entwurf: "Das bestehende lang anhaltende Niedrigzinsumfeld bedroht mittel- bis langfristig die Fähigkeit der privaten Lebensversicherungsunternehmen, die den Versicherten zugesagten Zinsgarantien zu erbringen."

Die Rendite öffentlicher Anleihen des Bundes sei auf aktuell 1,4 Prozent gesunken, schreibt die Bundesregierung weiter. Die Europäische Zentralbank (EZB) erwarte, dass die Leitzinsen langfristig auf dem derzeitigem oder einem niedrigeren Niveau verharren würden. Gleichzeitig würden die Verpflichtungen der Versicherer zur Bedienung der Altverträge hoch bleiben, denn der Rechnungszins im Bestand der Lebensversicherer betrage im Durchschnitt 3,2 Prozent. Noch lägen die durchschnittlichen Kapitalerträge der Lebensversicherer über diesem Rechnungszins, aber die Erträge würden bei gleichbleibend niedrigen Kapitalmarktzinsen in den kommenden Jahren abnehmen.

Zu den wesentlichen Inhalten des Entwurfs gehört, dass den Versicherungsunternehmen Ausschüttungen an Aktionäre untersagt werden können, um die Erfüllung der garantierten Zusagen sicherzustellen. Außerdem kann die Ausschüttung von sogenannten Bewertungsreserven an Kunden, deren Verträge enden, begrenzt werden, sofern die von einem Versicherungsunternehmen gebildeten Rückstellungen bei den gegenwärtig niedrigen Zinsen nicht ausreichen, um die den verbleibenden Versicherten gegebenen Garantiezusagen zu finanzieren. Die gegenwärtige Situation sei unbefriedigend, weil die Kunden bevorzugt würden, die jetzt aus den Verträgen ausscheiden. Künftig sollen die Interessen derjenigen, deren Versicherungsverträge erst in Zukunft fällig werden, besser berücksichtigt werden.

Die Verzinsung für Neuverträge (Höchstrechnungszins) soll zum 1. Januar 2015 auf 1,25 Prozent gesenkt werden. Zwar hätte der Zins unter Berücksichtigung der Rendite zehnjähriger Staatsanleihen des Eurogebietes (mit AAA-Rating) nicht höher als 1,14 liegen dürfen, doch legte die Regierung hier die Umlaufrendite mehrerer Jahre zu Grunde, "woraus sich deutlich höhere Werte ergeben". Offenbar sinken die Renditen weiter. Berechnungen hätten gezeigt, "dass der Höchstrechnungszins in den kommenden Jahren weiter fallen wird, selbst wenn für die Zukunft ein Zinsanstieg unterstellt wird."

Außerdem soll die Kostentransparenz der Versicherungsprodukte erhöht werden. So müssen Versicherungsvermittler die Höhe ihrer Provisionen offenlegen.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 325 - 20. Juni 2014 - 13.45 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Juni 2014