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BUNDESTAG/3921: Heute im Bundestag Nr. 321 - 12.06.2013


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 321
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 12. Juni 2013 Redaktionsschluss: 12:00 Uhr

1. Koalitionsfraktionen lehnen Mindestlohn-Anträge ab
2. Experten: Nachwuchswissenschaftler brauchen verlässliche Karrierewege



1. Koalitionsfraktionen lehnen Mindestlohn-Anträge ab

Ausschuss für Arbeit und Soziales

Berlin: (hib/CHE) Nach emotionaler Debatte hat der Ausschuss für Arbeit und Soziales zwei Anträge von Bündnis 90/Die Grünen (17/13719) und der Fraktion Die Linke (17/13551) für die Einführung von Mindestlöhnen mit Koalitionsmehrheit abgelehnt. Die Grünen forderten in ihrem Antrag einen Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro und eine Mindestlohnkommission für die Festsetzung und Anpassung des Mindestlohns. Die Linke setzte sich in ihrer Vorlage für einen Mindestlohn in Höhe von zehn Euro ein. Als Hauptargument für diese Höhe nannte sie das Problem der Altersvorsorge. Wer weniger verdiene, könne keine eigene Alterssicherung aufbauen. Außerdem sei der Sinn von Arbeit, dass man von dieser leben kann. Die Grünen verteidigten ihren Antrag mit dem großen Niedriglohnsektor in Deutschland und warfen den Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP vor, das Thema zu verschleppen. Mehrfach habe die Opposition in der aktuellen Legislaturperiode Mindestlohn-Anträge vorgelegt, wogegen von Koalitionsseite nichts gekommen sei. Auch die SPD empörte sich darüber, dass Union und FDP einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn weiter ablehnen. Keine andere Industrienation habe einen derart großen Niedriglohnsektor wie Deutschland. Hier nicht auf Mindestlöhne zu pochen, sei keine nachhaltige Politik, weil irgendwann der Staat für die Renten von Geringverdienern aufkommen müsse. Die Union bestritt dies und stellte klar, dass sie sehr wohl für Mindestlöhne eintrete. Jedoch differenziere sie nach Branchen und Regionen und überlasse es den Tarifpartnern vor Ort, die nötigen Entscheidungen zu treffen. Die FDP führte ins Feld, dass Löhne nun einmal Kosten seien, die gedeckt werden müsse, ob einem das gefalle oder nicht. Auch sie verteidigte tarifliche Mindestlöhne und warnte vor der Gefahr einer politischen Lohnsetzung. Die Abstimmung eines Entwurfes des Bundesrates (17/12857) für ein Mindestlohngesetz wurde gegen heftigen Protest der Oppositionsfraktion erneut verschoben.

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2. Experten: Nachwuchswissenschaftler brauchen verlässliche Karrierewege

Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (Anhörung)

Berlin: (hib/ROL) Die Beschäftigungslage des wissenschaftlichen Nachwuchses an Universitäten und anderen wissenschaftlichen Einrichtungen in Deutschland ist nicht zufriedenstellend. Viele Verträge hätten zu kurze Laufzeiten, für die Nachwuchswissenschaftler ergeben sich kaum lineare Karrierewege. Darin waren sich alle Experten weitgehend einig, die der Ausschuss für Bildung und Forschung am Mittwochvormittag zu einer Öffentlichen Anhörung mit dem Titel "Wissenschaftszeitvertragssetz und Perspektiven für den wissenschaftlichen Nachwuchs" in das Berliner Paul-Löbe-Haus eingeladen hatte.

Karin Bordasch, Max-Plack-Institut für Infektionsbiologie, beklagte, dass die befristeten Stellen im Mittelbau rasant zugenommen hätten. "An Gesundheitszentren arbeiten 80 Prozent der Wissenschaftler mittlerweile befristet", griff sie einen Bereich heraus. Auch der Vizepräsident für Forschung und Innovation der Technischen Universität München, Thomas Hoffmann, machte auf diesen Umstand aufmerksam und sagte über die Folgen: "Deutschland gehört zum Nettoexportland, was wissenschaftlichen Nachwuchs angeht." Zwischen 2007 und 2011 hätte 158 Nachwuchstalente mit einem ERC Grant - einem wissenschaftlich europaweiten anerkannten Standard - Deutschland verlassen.

Georg Jongmanns vom Hochschul-Informations-System (HIS) machte auf die unvorteilhafte Altersstruktur an den Hochsuchulen aufmerksam. Die Anzahl der Nachwuchswissenschaftler, die noch nicht promoviert sind, habe in den vergangenen zehn Jahren enorm zugenommen. Die Zahl der Postdocs sei aber in etwa gleich geblieben. Das würde für die Postdocs bedeuten, dass sie einerseits eine Vielzahl von Doktoranden zu betreuen hätten und den Alltag des Betriebes am Laufen halten müssten und andererseits selbst ihre Karriere verfolgen müssten. Dabei könnte es zu erheblichen Zielkonflikten kommen. Andreas Keller, Vorstandsmitglied der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) begrüßte, dass die Politik das Problem endlich ernst nehme und appellierte eindringlich an sie, es nicht bei Appellen zu belassen. "Die Karrierewege an deutschen Hochschulen sind international nicht mehr wettbewerbsfähig", machte er deutlich. Das habe nicht nur Auswirkungen auf das Leben der jungen Wissenschaftler sondern auch auf die Forschung und Lehre.

Matthias Neis, ver.di-Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft, forderte neben den Hauptpunkten Planbarkeit und Transparenz der beruflichen Laubahnen die Streichung der Tarifsperre. Diese sei ein Anachronismus. Die Tarifparteien müssten die Möglichkeit haben, auf die tariflichen Bestimmungen Einfluss zu nehmen. Jan-Henrik Olbertz, Präsident der Humboldt-Universität zu Berlin, hinterfragte, ob tatsächlich das Wissenschaftszeitvertragsgesetz zu diesen "prekären" Beschäftigungsverhältnissen geführt habe, oder ob nicht vielmehr in der Hauptsache die finanziell angespannte Lage der Universitäten Schuld an der Misere sei. Professoren könnten wegen anhaltend knapper Mittel junge Wissenschaftler oft nur befristet einstellen. Heike Wolke, Helmholtz-Gemeinschaft Deutsche Forschungszentren, unterstrich das Instrument der Selbstverpflichtung als Grundlage verantwortungsvollen Umgangs mit den Nachwuchswissenschaftlern. Dorothee Dzwonnek, Generalsekretärin der Deutschen Forschungsgemeinschaft sagte: "Im globalen Wettbewerb um die besten Köpfe können Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen nur mit einem Angebot verlässlicher Karrierewege bestehen." Zudem seien verstärkt Anstrengungen notwendig, um auch in der späten Postdoc-Phase einen strukturierten Ausstieg und damit eine planbare Karriereperspektive auch außerhalb der Wissenschaft zu ermöglichen.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 321 - 12. Juni 2013 - 12:00 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Juni 2013