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BUNDESTAG/3897: Heute im Bundestag Nr. 297 - 05.06.2013


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 297
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 5. Juni 2013 Redaktionsschluss: 13:20 Uhr

1. Schaffung einer "Bundesfinanzpolizei" abgelehnt
2. Abstimmung über Aufhebung von Homosexuellen-Urteilen vertagt
3. Bundesregierung bekräftigt Ziel einer schnellen und sicheren Stilllegung der Schachtanlage Asse II



1. Schaffung einer "Bundesfinanzpolizei" abgelehnt

Finanzausschuss

Berlin: (hib/HLE) Eine neue Bundesfinanzpolizei als Wirtschafts- und Finanzermittlungsbehörde wird es nicht geben. Der Finanzausschuss lehnte in seiner Sitzung am Mittwoch einen entsprechenden Antrag der Fraktion Die Linke (17/12708) ab. Nur die Linksfraktion stimmte dafür, die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP lehnten den Antrag mit ihrer Mehrheit ab, während sich die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen enthielten.

Die Finanzpolizei sollte nach den Vorstellungen aus dem Zoll ausgegliedert werden und die Aufgabe erhalten, "organisierte Geldwäsche, Außenwirtschaftskriminalität, Subventionsbetrug, organisierten Schmuggel (Waffen, geschützte Tiere oder Pflanzen), Verstöße beim Verbraucherschutz (zum Beispiel kontaminierte Lebensmittel) zu bekämpfen, also Kriminalitätsformen, die vorrangig im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Geld-, Wirtschafts-, und Handelsbeziehungen stattfinden".

Durch Finanz- und Wirtschaftskriminalität einschließlich illegalem Waffenhandel, Subventionsbetrug, Korruption, Geldwäsche und anderem würden Wirtschaft und Staat jährlich Schaden in unterschiedlich bezifferter Milliardenhöhe entstehen, heißt es im Antrag der Fraktion. Sie verweist auch auf das illegal in die Schweiz verbrachte Geldvermögen, das auf 150 Milliarden Euro geschätzt werde. In der Begründung des Antrags heißt es: "Wirtschaftskriminalität und Korruption schaden der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, verhindern Einnahmen der öffentlichen Haushalte und reduzieren die Mittel für öffentliche Investitionen."

Eine Sprecherin der Linksfraktion sagte in der Sitzung, wenn man es ernst meine mit dem Kampf gegen Steuerhinterziehung, müsse man im eigenen Land anfangen. Die CDU/CSU-Fraktion warnte davor, nach den Umstrukturierungen beim Zoll in den vergangenen zehn Jahren erneut Unruhe hineinzubringen. Die bestehenden Strukturen müssten gestärkt und nicht neue Konstruktionen geschaffen werden, sagte eine Sprecherin.

Von der SPD-Fraktion hieß es, bei dem Antrag gebe es "Licht, aber auch viel Schatten". Zwar würden die Probleme richtig beschrieben, aber viele Delikte, um die sich die neue Behörde kümmern solle, würden in die Zuständigkeit der Länder fallen. Die FDP-Fraktion sprach sich zwar dafür aus, die Verfahren und die Vollstreckung bei Finanz- und Wirtschaftskriminalität bundeseinheitlich durchzuführen, aber ob dafür eine neue Behörde geschaffen werden solle, sei zweifelhaft. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stand dem mit dem Antrag verfolgten Ziel grundsätzlich positiv gegenüber, aber insgesamt sei der Antrag "zu dünn" und lasse zu viele Fragen offen. Es gebe auch verfassungsrechtliche Bedenken. Dagegen verteidigte die Sprecherin der Linksfraktion den Antrag als "gut und wichtig". Niemand wolle eine neue Mammutbehörde schaffen.

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2. Abstimmung über Aufhebung von Homosexuellen-Urteilen vertagt

Rechtsausschuss

Berlin: (hib/KOS) Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen Union und FDP hat der Rechtsausschuss am Mittwoch gegen das Votum von SPD, Linken und Grünen die Abstimmung über Anträge zur Rehabilitierung und Entschädigung von Homosexuellen vertagt, die nach 1945 in der Bundesrepublik oder der DDR strafrechtlich belangt wurden. Eingebracht haben entsprechende Vorlagen die Linksfraktion (17/10841) und die Grünen (17/4042), in denen eine parlamentarische Annullierung der damaligen Gerichtsentscheidungen gefordert wird.

Der politische Streit dreht sich im Kern um ein Grundsatzproblem: Darf der Bundestag Verurteilungen von Homosexuellen aus den fünfziger und sechziger Jahren aufheben, die seinerzeit rechtmäßig waren und 1957 sogar vom Bundesverfassungsgericht legitimiert wurden, aus heutiger Perspektive aber als menschenrechtswidrig eingestuft werden? Umstritten ist bei diesem Konflikt auch die Frage, ob eine nachträglich beschlossene Aufhebung der betreffenden Urteile durch den Bundestag mit dem Prinzip der Gewaltenteilung vereinbar ist, wonach die Legislative nicht in die Belange der Justiz hineinregieren und so deren Unabhängigkeit gefährden darf.

In ihren Anträgen betonen Linke und Grüne, dass die strafrechtliche Verfolgung von Homosexuellen in der Nachkriegszeit der Menschenrechtscharta des Europarats, den Entscheidungen des Straßburger Menschenrechtsgerichtshofs und den rechtlichen Standards der EU widerspreche. Die Bundesregierung solle dem Parlament einen Gesetzentwurf zur Annullierung der ehemaligen Urteile und zur Entschädigung der Betroffenen unterbreiten. Die Linke plädiert zudem für die Einrichtung einer Kommission, die sich mit der "Entrechtung, Verfolgung und Diskriminierung" von Homosexuellen in beiden deutschen Staaten befassen soll.

Eine rückwirkende Aufhebung der einst gegen Homosexuelle gerichteten Urteile durch den Bundestag wird nicht nur in der Politik, sondern auch in der Wissenschaft kontrovers diskutiert. Befürworter einer Annullierung der alten Gerichtsentscheidungen argumentieren, dass eine Aufhebung dieser Urteile zwar in erster Linie eine Angelegenheit der Justiz sei, dass aber auch ein solches Vorgehen durch das Parlament nicht ausgeschlossen sei. In diesem Lager werden Parallelen gesehen zwischen der Strafverfolgung Homosexueller nach 1945 und den während der NS-Zeit gegen diesen Personenkreis verhängten Urteilen. Es sei rechtsstaatlich nicht akzeptabel, dass auch heute noch rund 50.000 Bürger wegen ihrer Homosexualität als strafrechtlich verurteilt gelten.

Kritiker hingegen halten eine pauschale Annullierung der einst gefällten Gerichtsentscheidungen für verfassungsrechtlich problematisch. Urteile, die ehedem von Karlsruhe als grundgesetzkonform klassifiziert worden seien, dürfe man nicht mit Verdikten der Willkürjustiz zur NS-Zeit gleichsetzen. Auch könne man, so ein Argument, dem 1957 amtierenden Bundesverfassungsgericht nicht vorwerfen, vom NS-Geist beeinflusst gewesen zu sein. Betont wird zudem, dass eine generelle Aufhebung der früheren Gerichtsentscheidungen durch den Bundestag unvereinbar sei mit der Gewaltenteilung. Die Unabhängigkeit der Justiz von den anderen Staatsgewalten sei schließlich zentral für einen Rechtsstaat. Als Alternative zu einer parlamentarischen Annullierung der alten Urteile gilt die Möglichkeit, dass in Einzelfällen Betroffene eine Wiederaufnahme der einst gegen sie gerichteten Prozesse anstrengen.

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3. Bundesregierung bekräftigt Ziel einer schnellen und sicheren Stilllegung der Schachtanlage Asse II

Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

Berlin: (hib/AS) Sechs Wochen nach dem Inkrafttreten des sogenannten Lex-Asse-Gesetzes hat die Bundesregierung das Ziel bekräftigt, die Fässer mit radioaktiven Abfällen aus der Schachtanlage Asse (Wolfenbüttel) zurückzuholen und die Anlage, stillzulegen. Die Rückholung ist nach den bisherigen Planungen für das Jahr 2033 vorgesehen. "Wir setzen alles daran, es so schnell wie möglich und so sicher wie möglich zu machen", betonte die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium (BMU), Ursula Heinen-Esser (CDU), im Umweltausschuss des Bundestages am Mittwochvormittag. Gleichzeitig machte sie deutlich, dass die Rückholung der Fässer und die Stilllegung der Anlage eine neue Dimension hätten: "Es ist eine Herausforderung, vor der wir stehen, die wir mit nichts vergleichen können", sagte Heinen-Esser. Die Vizepräsidentin des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS), Stefanie Nöthel, hob hervor, dass das Asse-Gesetz eine neue Rechts- und Planungssicherheit bringe. Durch das Gesetz habe die "Rückholung eine neue Priorität erhalten", betonte sie. Sie wies zudem darauf hin, dass die Zeit dränge. "Wir sind in einer Situation, in der wir schnell vorankommen müssen" sagte sie und fügte hinzu: "Wir können uns nicht viele Fehler leisten."

Auf die Frage, wie die Bürger vor Ort die Umsetzung des Gesetzes empfinden, sagte die Bürgermeisterin der Samtgemeinde Asse, Regina Bollmeier, dass das Gesetz vor Ort "nicht zu spüren sei". Allerdings stoße bei den Bürgern die lange Planungszeit auf Unverständnis. Es sei nicht nachvollziehbar, warum für den Bau des geplanten Schachts fünf insgesamt 15 Jahre veranschlagt würden. Außerdem fragte sie, warum noch keine Planungen für die notwendigen Konditionierungs- und Pufferanlagen bekannt seien. "Das Asse-Gesetz muss mit Leben erfüllt werden", betonte Bollmeier. Im Zusammenhang mit der Schachtanlage machte sie auf zwei weitere Probleme aufmerksam: Zum einen müsse der kleine Rest des Naherholungsgebietes Asse für die Bewohner der Stadt erhalten bleiben. Zum anderen habe die Region durch die Schlagzeilen um die Schachtanlage einen "hohen Imageschaden" erlitten, so dass "niemand mehr herzieht". Auch Udo Dettmann vom Asse II-Koordinierungskreis, einem Zusammenschluss von Bürgerinitiativen, äußerte sich positiv über die Bemühungen von Bundestag und Bundesregierung. Das Gesetz sei ein "klares Zeichen, dass sie unser Problem zu ihrem gemacht haben", erklärte er. Er wies darauf hin, dass der Zeitplan für die Rückholung der Fässer um drei Jahre, auf 2033 überarbeitet worden sei. "Wir sind vom Zwischensprint zurückgefallen in den Dauerlauf", sagte er. Außerdem kritisierte Beckmann, dass es Unklarheit über die sogenannten "Module", die einzelnen Planungsschritte, auf diesem Weg gebe.

Maria Flachsbarth (CDU) sagte, dass sechs Wochen kein ausreichender "Zeitraum sei, um Ergebnisse vorweisen zu können". Man habe aber die Gelegenheit vor Ende der Legislaturperiode nutzen wollen, sich über den Stand der Dinge informieren zu lassen. Ute Vogt (SPD) erkundigte sich nach dem Sachstand bei der Entsorgung der Lauge, die in das Bergwerk eindringt. BfS-Vizepräsidentin Nöthel sagte dazu, es gebe Vorbereitungen, die Lauge einzubetonieren. Für die FDP erkundigte sich auch Angelika Brunkhorst, warum für den Schacht eine so lange Bauzeit geplant sei. Dazu erklärte Nöthel, dass man im Gegensatz zum Bau von Industrieschächten, nicht viele Möglichkeiten hätte, das Bergwerk an den Schacht anzuschließen. Die Sicherheit müsse dabei im Vordergrund stehen. Dorothée Menzner (Die Linke) kritisierte, dass bislang die Internetpräsenz zur Information der Bevölkerung noch nicht ausreichend sei und fragte, warum die Asse weiterhin als Endlager bezeichnet werde. Sylvia Kotting-Uhl sagte dazu, sie glaube, dass diese Frage durch das Gesetz ausreichend geregelt sei. Sie wies jedoch eindringlich darauf hin, dass es notwendig sei, dass sich die Legislative auch weiterhin"in sehr engem Abstand" über das Projekt informiere.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 297 - 5. Juni 2013 - 13:20 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Juni 2013