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BUNDESTAG/3686: Heute im Bundestag Nr. 086 - 20.02.2013


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 086
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 20. Februar 2013 Redaktionsschluss: 14:50 Uhr

1. Experten bewerten Regierungsentwurf zur Ermöglichung von Schlichtungen im Luftverkehr positiv
2. Grünes Licht für Novellierung des Unterhaltsvorschussgesetzes
3. Experten befürworten "Lex-Asse"-Entwurf zur schnelleren Rückholung radioaktiver Abfälle aus Schachtanlage Asse II



1. Experten bewerten Regierungsentwurf zur Ermöglichung von Schlichtungen im Luftverkehr positiv

Rechtsausschuss (öffentliche Anhörung)

Berlin: (hib/HAU) Das Ziel der Bundesregierung, die Möglichkeit einer Schlichtung im Luftverkehr zu schaffen, wird sowohl von Vertretern der Luftfahrtunternehmen wie auch von Verbraucherschützern begrüßt. Den dazu vorgelegten Gesetzentwurf (17/11210) bezeichneten die am Mittwochvormittag zu einer öffentlichen Anhörung im Rechtsausschuss geladenen Experten als grundsätzlich begrüßenswert. Kritik gab es von Seiten der Luftverkehrswirtschaft an der aus ihrer Sicht zu kurz gefassten Frist von 30 Tagen, innerhalb der die Unternehmen mit dem Klagenden zu einem Vergleich gelangen müssten, ehe die Schlichtungsstelle angerufen werden kann. Verbraucherschützer bemängelten indes, dass die Zuständigkeit der Schiedsstelle zu eng geregelt sei.

Der Regierungsentwurf sieht sowohl die Möglichkeit einer freiwilligen Teilnahme an einer Schlichtung durch eine privatrechtlich organisierte Schlichtungsstelle vor, als auch bei fehlender Freiwilligkeit der Airlines die Möglichkeit zur Anrufung einer behördlichen Schlichtungsstelle. Die Schlichtung solle in beiden Fällen bis zu einem Streitwert von 5.000 Euro möglich sein und nicht bei Personenschäden greifen. Anspruchsberechtigt auf ein Schlichtungsverfahren sollen laut Entwurf Verbraucher sein, die den Flug zu privaten Zwecken genutzt haben.

An letzter Formulierung entzündete sich die Kritik von Ronald Schmid, Rechtsanwalt für Fragen des Verkehrsreiserechts. Es sei nicht einzusehen, dass ein Dienstreisender nach wie vor zum Gericht gehen müsse, um seine Ansprüche durchzusetzen, urteilte er. Auch der Rechtswissenschaftler Klaus Tonner von der Universität Rostock plädierte dafür, durch eine andere Formulierung auch dienstlich Reisenden einen Anspruch auf Schlichtung zuzubilligen. Diesen Änderungsbedarf konnte sein Kollege Ansgar Staudinger von der Universität Bielefeld nicht erkennen. Statt im Gesetz sollte dies seiner Ansicht nach in Rechtsverordnungen geklärt werden, sagte er.

Edgar Isermann, Leiter der Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (Söp), sprach sich gegen die im Gesetzentwurf angelegte diversifizierte Schlichtung aus. Wenn es etwa neben der Söp weitere privatrechtliche Schlichtungsstellen gebe, sei das sowohl aus Sicht des Verbrauchers als auch unter Betrachtung der entstehenden Kosten für die Luftfahrtunternehmen nachteilig. Dem stimmte Reiseanwalt Schmid zu. Eine zweite oder dritte Schlichtungsstelle würde den Reisenden nur verwirren. Auch sei ein Wettbewerb unter den Schlichtungsstellen nicht unbedingt von Vorteil. Für eine Verortung der Schlichtungsstelle bei der Söp sprach sich Otmar Lell von der Verbraucherzentrale Bundesverband aus. Dafür spräche die im Bahnbereich geleistete gute Arbeit, so Lell. Der Bund sei gar nicht befugt, beispielsweise mit der Söp eine einzige Stelle für die Schlichtung festzuschreiben, sagte hingegen der Bielefelder Rechtswissenschaftler Staudinger.

Aus Sicht von Air Berlin ist es zu begrüßen, dass es mehrere Anbieter für die Schlichtungen geben soll. Ansonsten komme es zu einer Monopolstellung, die zu erhöhten Verfahrenskosten führen könne, sagte Airline-Vertreter Sebastian Dreyer. Die Schaffung einer zentralen Anlaufstelle für die Reisenden ist aus seiner Sicht über eine zentrale Internetadresse trotzdem möglich. Dreyer verwies ebenso wie Matthias von Randow vom Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft auf das dem Wettbewerb geschuldete große Interesse der Fluggesellschaften an einer hohen Kundenzufriedenheit. Um den Gesellschaften eine eigene Regelung von Schadensanforderungen möglich zu machen, sollte die 30-Tage-Frist auf 90 Tage ausgeweitet werden, forderte von Randow mit Verweis auf die international agierenden Unternehmen, die mehr Zeit benötigen würden, um Recherchen zum Schadensfall anstellen zu können.

Auch Wolf Müller-Rosin, Rechtsanwalt und Berater in Luftfahrtangelegenheiten, nannte die 30-Tage-Frist "unangemessen niedrig". Der Anwalt sprach sich zudem dafür aus, wie im Gesetz vorgesehen, die Schlichtung auf Ansprüche aus dem Beförderungsvertrag zu beschränken. Für andere Ansprüche, wie etwa misslungene Internetbuchungen von Flügen, gebe es andere Rechtsverordnungen, sagte er. Im Gegensatz zu dem Rostocker Rechtswissenschaftler Tonner, der für die Einbeziehung von Personenschäden in die Schlichtung plädierte, lehnte Müller-Rosin dies ab. Diese Fälle seien "zu komplex", befand er.

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2. Grünes Licht für Novellierung des Unterhaltsvorschussgesetzes

Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Berlin: (hib/AW) Der Familienausschuss hat am Mittwoch der Novellierung des Unterhaltsvorschussgesetzes zugestimmt. Für den entsprechenden Gesetzesentwurf der Bundesregierung (17/8802 stimmten die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP. Die Oppositionsfraktionen SPD und Bündnis 90/Die enthielten sich der Stimme, die Linksfraktion votierte dagegen. Der Ausschuss hatte die Gesetzesvorlage noch einmal durch zwei Änderungsanträge der Koalitionsfraktionen verändert. Für erledigt erklärte der Ausschuss einen Gesetzentwurf des Bundesrates (17/2584) zum gleichen Thema.

CDU/CSU und FDP räumten ein, dass das ursprüngliche Vorhaben der Koalition, das derzeitige Höchstalter zum Bezug von Unterhaltsvorschuss vom vollendeten zwölften auf das 14. Lebensjahr auszudehnen, an der schwierigen Haushaltslage gescheitert sei. Das Gesetz stärke aber alleinerziehende Elternteile bei der Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen gegen den anderen Elternteil. Die Oppositionsfraktionen argumentierten, dass die Gesetzesnovelle zwar nicht schade, den betroffenen Alleinerziehenden aber auch substanziell und finanziell nichts bringe.

Abgelehnt wurde mit den Stimmen der CDU/CSU, FDP und SPD bei Enthaltung der Grünen ein Antrag der Linken (17/11142). Diese hatte gefordert, das Höchstalter zum Bezug von Unterhaltsvorschuss auf das 18. Lebensjahr zu erhöhen und die Bezugsbeschränkung von 72 Monaten ersatzlos zu streichen. Zudem wollte die Fraktion erreichen, dass das Kindergeld nur noch zu 50 Prozent auf die Leistungen des Unterhaltsvorschusses angerechnet wird. Diese Forderungen wurden von allen anderen Fraktionen als nicht finanzierbar bezeichnet.

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3. Experten befürworten "Lex-Asse"-Entwurf zur schnelleren Rückholung radioaktiver Abfälle aus Schachtanlage Asse II

Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Anhörung)

Berlin: (hib/AS) Der fraktionsübergreifende Gesetzentwurf zur Beschleunigung der Rückholung radioaktiver Abfälle und der Stilllegung der Schachtanlage Asse II (17/11822) ist bei einer Anhörung im Umweltausschuss am Mittwochvormittag von den Experten größtenteils positiv aufgenommen worden. Das Gesetz sieht eine atomrechtliche Neufassung von § 57b des Atomgesetzes vor. Damit sollen die verfahrensrechtlichen Rahmenbedingungen für die Rückholung des radioaktiven Abfalls aus der maroden Schachtanlage Asse II erleichtert und eine schnellere Stilllegung der Anlage erreicht werden.

Für den Asse II-Koordinationskreis, in dem sich zahlreiche Bürgerinitiativen und Umweltgruppen zusammengeschlossen haben, erklärte Udo Dettmann, dass er das Gesetz befürworte. Seiner Meinung nach sei es aber nicht notwendig, in dem Gesetzestext eine zusätzliche und grundsätzliche Rechtfertigung für die Rückholung festzuschreiben. Im Detail plädierte er dafür, im Zusammenhang mit der Rückholung das Wort "vorzugsweise" zu streichen, da es anders interpretiert werden könne. Eine Einschätzung, die auch der Sachverständige Rechtsanwalt Ulrich Wollenteit teilte. Er sprach sich ebenfalls gegen die Formulierung "soll vorzugsweise" aus, da diese einen Ermessensspielraum implizieren könne. Ansonsten bezeichnete er den Entwurf als "juristisch saubere Lösung", zu dem es "im Prinzip keine Alternative" gebe.

Rechtsanwalt Hartmut Gaßner hob hervor, dass zwischen den Fraktionen zwar ein breiter Konsens über die Rückholung des radioaktiven Abfalls herrsche, auf der Fachebene müssten aber verschiedene Interessengruppen unterschieden werden: Eine Gruppe gehe davon aus, dass die in der Asse gelagerten Abfälle auch langfristig dort verbleiben könnten. Eine zweite Gruppe halte die Rückholung nur dann für zulässig, nachdem eine sogenannte Rechtfertigungsprüfung erfolgt sei, bei der der wirtschaftliche oder soziale Nutzen der Rückholung gegenüber möglichen gesundheitlichen Gefahren abgewogen werde. Eine dritte Gruppe gehe davon aus, dass die Rückholung unverzüglich beginnen müsse. "Wir verstehen den Gesetzentwurf als klares Bekenntnis des Gesetzgebers, dass im Sinne der dritten Gruppe der unverzügliche Beginn der Rückholung ermöglicht werden soll", erklärte er und sprach sich ebenfalls dafür aus, den Rechtfertigungsgrundsatz zu streichen.

Stefanie Nöthel vom Bundesamt für Strahlenschutz stellte klar, dass die Rückholung "geboten" und daher keine "politische Entscheidung" sei. Denn niemand könne darlegen, wie das Atomrecht gewahrt bleiben solle, wenn es nicht zur Rückholung komme. Sie wies auf die Gefahr hin, dass es bei einem Verbleib der Fässer zu einem "radioaktiven Austrag" kommen könne. Es seien daher in erster Linie fachliche Gründe, die für eine rasche Rückholung der Fässer sprächen. Michael Sailer, der Vertreter des Öko-Instituts, machte vor diesem Hintergrund nochmals deutlich, dass die eigentliche Rückholung der Fässer frühestens im Jahr 2024 zu erwarten sei. Auf die Frage, wie lange anschließend die Bergung der eigentlichen Fässer dauere, sagte er, dass dies zeitlich nicht vorhersehbar sei und vom Zustand des radioaktiven Abfalls abhänge. Außerdem müsse zuvor ein zusätzlicher Schacht gebaut werden. Sailer gab in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass die technischen Voraussetzungen für die Konditionierung des radioaktive Abfalls nach der Rückholung bislang noch nicht geschaffen worden seien.

Der Umweltdezernent des Landkreises Wolfenbüttel, Claus-Jürgen Schillmann, betonte, dass die Rückholung der Abfälle die "einzig wirksame Sanierungsmaßnahme" sei und verwies darauf, dass die Zeit dränge. Er begrüßte das vorliegende Gesetz, kritisierte aber: "Der Umgang mit der Zeit ist unverantwortlich".

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 086 - 20. Februar 2013 - 14:50 Uhr
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Februar 2013