Schattenblick →INFOPOOL →PARLAMENT → FAKTEN

BUNDESTAG/3658: Heute im Bundestag Nr. 058 - 30.01.2013


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 058
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 30. Januar 2013 Redaktionsschluss: 17:15 Uhr

1. SPD-Antrag zur Neustrukturierung der Nationalen Anti Doping Agentur abgelehnt
2. Experten sehen keine Pannen bei der Bekämpfung der "Schweinegrippe"



1. SPD-Antrag zur Neustrukturierung der Nationalen Anti Doping Agentur abgelehnt

Sportausschuss

Berlin: (hib/HAU) Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen hat der Sportausschuss am Mittwochnachmittag einen Antrag der SPD-Fraktion (17/11320) mit der Forderung nach einer Neustrukturierung der Nationalen Anti Doping Agentur (Nada) abgelehnt. Die Sozialdemokraten hatten sich in der Vorlage mit Verweis auf die anhaltenden Finanzierungsprobleme der Nada dafür ausgesprochen, eine unabhängige Expertenkommission einzusetzen, die Vorschläge für eine neue Träger- und Finanzierungsstruktur der Nada erarbeiten soll.

Auf einem "toten Pferd" könne man nicht reiten, sagte Martin Gerster (SPD) und nahm damit Bezug auf die schwierige Finanzierungssituation, die durch das vor zehn Jahren beschlossene Stiftungsmodell mit den Stakeholdern Bund, Länder und Wirtschaft entstanden sei. Jahr für Jahr täten sich Finanzierungslücken auf, die dann kurzfristig aus dem Bundeshaushalt gestopft werden müssten. Da auch der Runde Tisch zwischen den Stakeholdern gescheitert und eine stärkere finanzielle Beteiligung von den Ländern und der Wirtschaft nicht zu erwarten sei, sollte eine Expertenkommission beauftragt werden, die Ausschau nach anderen Finanzierungsmodellen halten soll, forderte der SPD-Abgeordnete.

Von einem "Antrag zur Unzeit", sprach hingegen der Unionsabgeordnete Klaus Riegert. Es sei falsch, das gemeinsam vereinbarte Stakeholder-Modell zu begraben. Statt nach einer Expertenkommission zu rufen, sollten die Sozialdemokraten seiner Ansicht nach die von ihnen geführten Landesregierungen an die zugesagten Zahlungen erinnern. Wenn am Ende der Arbeit einer Kommission die Verstaatlichung stehe, sei dies zum einen das Ende der Unabhängigkeit der Nada und belaste zugleich den Steuerzahler, sagte Riegert. Lutz Knopek (FDP) erinnerte daran, dass man aus gutem Grunde das Finanzierungsmodell so gewählt habe. Die Unabhängigkeit der Nada habe auch für seine Fraktion einen hohen Stellenwert.

Dagegen sprach die Grünen-Abgeordnete Viola von Cramon von einem guten Antrag. Von einem Angriff auf die Autonomie des Sports kann aus ihrer Sicht keine Rede sein. Vielmehr sei es an der Zeit, umzudenken und das System kritisch zu hinterfragen. Ihre Fraktion, so erinnerte von Cramon, habe unlängst in einem letztlich abgelehnten Antrag angeregt, fünf Prozent der Spitzensportförderung für die Finanzierung der Nada bereitzustellen. Ebenfalls befürwortet wurde die SPD-Initiative von der Linksfraktion. Es sei sicher nicht falsch, auf externe Expertise zurückzugreifen, befand Jens Petermann.

Aus Sicht der Nada-Vorstandsvorsitzenden Andrea Gotzmann hat das Finanzierungsproblem vor allem mit dem zu geringen Stiftungskapital zu tun. Das sei ein "Gründungsfehler" gewesen, sagte sie. Grundsätzlich aber sei das Stiftungsmodell der richtige Weg.

*

2. Experten sehen keine Pannen bei der Bekämpfung der "Schweinegrippe"

Ausschuss für Gesundheit (Anhörung)

Berlin: (hib/TVW) Der Gesundheitsausschuss hat sich am Mittwoch in einer öffentlichen Anhörung mit dem Thema Pandemiebekämpfung befasst. Gegenstand der Beratungen knapp 20 Experten war ein Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/3544), in dem mehr Flexibilität und Transparenz bei der Pandemiebekämpfung gefordert werden. Hintergrund des Antrages ist die sogenannte Schweinegrippe, die Mitte 2009 in Mittelamerika aufgetreten war und sich rasch verbreitet hatte. Nachdem die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Anfang Juni 2009 die höchste Alarmstufe ausgerufen hatte, begannen die meisten Staaten, Maßnahmen gegen eine drohende Pandemie zu ergreifen. Dazu gehörte auch die Beschaffung von Impfstoffen. Bedingt durch einen vergleichsweise harmlosen Erkrankungsverlauf bei der Mehrzahl der Betroffenen sowie durch öffentliche Kritik an dem Impfstoff blieb die Zahl der in Deutschland Geimpften relativ gering. Dies führte dazu, dass ein großer Teil der von den Impfstoffanbietern erworbenen 34 Millionen Impfdosen nicht verwendet wurde und wahrscheinlich verfällt.

Prof. René Gottschalk von der Schutzkommission beim Bundesinnenministerium wies darauf hin, dass man vor dem Ausbrauch einer Pandemie nicht voraussagen könne, wie gefährlich ein Erreger sei. Im Rückblick betrachtet habe Deutschland, vor allem im Vergleich zu Ländern wie Großbritannien oder den USA, "alles richtig gemacht." "Eigentlich hätten wir noch viel mehr Impfstoff kaufen müssen", behauptete Gottschalk. Und Prof. Gert Antes vom Deutschen Cochrane Zentrum pflichtete ihm bei: "Wir wussten im Herbst 2009 noch nicht einmal annähernd, wie hoch die Infektionsrate war."

Prof. Reinhard Burger vom Robert-Koch-Institut (RKI) erklärte, dass Deutschland beim Ausbruch der sogenannten Schweinegrippe gut aufgestellt gewesen sei und zum Beispiel sehr rasch Tests für den Virus entwickelt habe. Im Übrigen hätten die zuständigen Institutionen die Pflicht, sich auch auf schwere Krankheitsverläufe einzustellen. Denn "man erfährt erst im Verlauf der Pandemie, wie sich das Virus verhält", sagte Burger. Andererseits sei es aber nötig, bereits zu Beginn der Pandemie schon sehr weitreichende Entscheidungen treffen. "Wir hatten Glück, dass die Pandemie so milde verlaufen ist", sagte Burger.

Prof. David Harper von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bestätigte, dass bei einem neu aufgetretenen Virus die Unsicherheit über dessen Wirkungen immer sehr groß sei. "In der Frühphase einer Pandemie ist es kaum möglich, Aussagen über den Schweregrad des Krankheitsverlaufs zu machen", sagte Harper. Bisher sei der Verbreitungsgrad der wichtigste Gradmesser. "Die WHO arbeitet ständig an einem Instrument zur Einschätzung des Schweregrades", berichtete Harper weiter. Dessen Entwicklung benötige aber noch Zeit. Vor diesem Hintergrund hält es Prof. Klaus Cichutek vom Paul-Ehrllich-Institut (PEI) für nicht vertretbar, sich bei der Entscheidung über den Kauf von Impfstoffen von den WHO-Warnstufen abzukoppeln. Annegret E. Schöller von der Bundesärztekammer (BÄK) erinnerte in diesem Zusammenhang an die Aufforderung der WHO im Jahre 2010 an die einzelnen Staaten, eigene Pandemiepläne zu entwickeln. "Wir mussten damals mit großen Unwägbarkeiten umgehen", sagte Schöller. Mittlerweile habe man Lehren aus den Ereignissen gezogen und einen neuen Pandemieplan entwickelt.

Thomas Barta von der Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesgesundheitsbehörden (AOLG) äußerte sich zu der die Öffentlichkeit seinerzeit stark bewegenden Frage, ob zu viel Impfstoff eingekauft worden sei. Seiner Ansicht nach hat damals zunächst sogar zu wenig Impfstoff zur Verfügung gestanden. Dann aber seien die Patienten durch die öffentliche Debatte und die vergleichsweise milden Verläufe sehr rasch impfmüde geworden, sagte Barta. Mittlerweile hätten die Länder aus dem Verlauf der Pandemie im Jahre 2010 die nötigen Schlüsse gezogen. So sei eine Arbeitsgruppe eingesetzt worden, deren Arbeitsergebnisse in einen Beschluss mit 21 Punkten Eingang gefunden hätten.

Kritisch beurteilt wurde von den Sachverständigen vor allem die Informationspolitik. So räumte Prof. Reinhard Burger vom Robert-Koch-Institut (RKI) ein, dass in der Öffentlichkeit eine erhebliche Verwirrung über die Frage geherrscht habe, welchen der beiden auf dem Markt befindlichen Impfstoffe man verwenden solle. "Mit der Kommunikation über die Verwendung des Impfstoffes waren wir nicht zufrieden", sagte Burger. Ähnliches berichtete Prof. Klaus-Dieter Kossow vom Deutschen Hausärzteverband (DHV): "Es ist uns nicht gelungen, unsere Meinung zur herrschenden Meinung zu machen." Einzelne Hausärzte hätten zum Kreis der Impfkritiker gehört. Aus den Erfahrungen seien nun die richtigen Schlüsse zu ziehen. "Wir brauchen eine Standardinformation, die alle wesentlichen Akteure gemeinsam verbreiten", forderte Kossow. Ergänzend wies Paul Rheinberger von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) darauf hin, dass auch die Vergütungsregelungen strittig gewesen seien. "Die Ärzte waren sich im Unklaren darüber, wie die Impfungen vergütet werden", sagte Rheinberger. So etwas müsse künftig im voraus und einheitlich geregelt werden.

*

Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 058 - 30. Januar 2013 - 17:15 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
Platz der Republik 1, 11011 Berlin
Telefon: +49 30 227-35642, Telefax: +49 30 227-36191
E-Mail: mail@bundestag.de
Internet: www.bundestag.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Februar 2013