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BUNDESTAG/3505: Heute im Bundestag Nr. 510 - 08.11.2012


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 510
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 8. November 2012 Redaktionsschluss: 14:55 Uhr

1. MAD war über Jenaer "Bombenbastler" informiert
2. Union und FDP wollen Zivilgesellschaft in Russland durch "umfassende Modernisierungspartnerschaft" stärken
3. Grüne: Anbindung deutscher Seehäfen verbessern
4. Grüne wollen Nationalen Radverkehrsplan 2020 überarbeiten
5. Linke: Notfall- und Havariemanagement weiterentwickeln
6. Im Bundestag notiert: Ausrüstung der Antriebe mit Rußpartikelfiltern



1. MAD war über Jenaer "Bombenbastler" informiert

2. Untersuchungsausschuss (Rechtsterrorismus)

Berlin: (hib/KOS) Der Militärische Abschirmdienst (MAD) war zwischen 1999 und 2002 über das 1998 untergetauchte Jenaer Trio unterrichtet, das im November 2011 als "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) aufgeflogen ist, und hat bei Befragungen von Soldaten nach Hinweisen auf diese auch namentlich bekannte Gruppe und deren Aufenthaltsort geforscht. Zum Auftakt der Sitzung des Untersuchungsausschusses, der Pannen und Fehlgriffe bei den Ermittlungen zu den dem NSU angelasteten zehn Morden zwischen 2000 und 2006 durchleuchten soll, konfrontierten der Vorsitzende Sebastian Edathy (SPD) und die Fraktionsobleute den Zeugen Dieter Huth, Ex-Chef der Abteilung Rechtsextremismus beim MAD, mit entsprechenden Akten- und Dateivermerken des Bundeswehr-Geheimdiensts.

Für Clemens Binninger stellt sich die "zentrale Frage", ob mit Hilfe der MAD-Informationen Erkenntnisse hätten gewonnen werden können, die für eine Festnahme des Trios Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe gereicht hätten. Der Unions-Obmann: "Dann hätte die Verbrechensserie vielleicht verhindert werden können." Offenbar habe seinerzeit jemand beim MAD die Zelle "präzise und aufmerksam auf dem Schirm" gehabt, so Binninger. Edathy betonte, bei Befragungen von Soldaten habe sich der MAD sogar gezielt nach den "Bombenbastlern" erkundigt.

Huth räumte ein, dass dies beim MAD "jemand gewusst haben muss". Er selbst könne sich daran "nicht erinnern". Der Zeuge hatte zunächst erklärt, von der Jenaer Gruppe habe man beim MAD damals nur "indirekt" von einem Soldaten erfahren: Nach dessen Angaben sei in der Szene Geld gesammelt worden "für irgendwelche Leute, die untergetaucht seien". Auch die Namen der Trio-Mitglieder seien nicht bekannt gewesen.

Aus Sicht von Linken-Sprecherin Petra Pau war der MAD "sehr umfassend" über Rechtsextremisten bei der Armee und auch über Mundlos unterrichtet, der von 1994 bis 1995 seinen Wehrdienst ableistete und 1995 einer Befragung unterzogen wurde, nachdem er durch rechtsextremistische Aktivitäten aufgefallen war. Grünen-Obmann Wolfgang Wieland würdigte die Vermerke des MAD als die "faktenreichsten und besten" im Vergleich mit Unterlagen anderer Sicherheitsbehörden zum Rechtsextremismus. Allerdings kritisierte Pau, dass der MAD Staatsanwaltschaft und Polizei über seine Erkenntnisse nicht informiert habe - etwa im Rahmen der "Operation Rennsteig", bei der Verfassungsschutz und MAD auch mit Hilfe von Spitzeln den "Thüringer Heimatschutz" ausforschen wollten, bei dem vor ihrem Untertauchen das Jenaer Trio aktiv war. Huth erklärte dazu, Staatsanwaltschaft und Polizei seien in der Regel nicht vom MAD direkt, sondern vom Verfassungsschutz unterrichtet worden, dem der MAD seine Erkenntnisse übermittelt habe.

Laut dem Zeugen ist es beim MAD üblich, sich bei Befragungen von Soldaten, die unter dem Verdacht des Extremismus stehen, auch nach deren Bereitschaft zu einer Informantentätigkeit für Verfassungsschutz oder Polizei nach dem Ausscheiden aus der Truppe zu erkundigen. Mundlos war bei seiner Anhörung 1995 kurz vor dem Ende seines Wehrdiensts eine entsprechende Frage gestellt worden, was der Soldat aber abgelehnt hat. Eva Högl sagte, offensichtlich agiere der MAD "als eine Art Headhunter für zivile Behörden". Die SPD-Sprecherin findet es "höchst problematisch", seitens des MAD Rechtsextremisten als V-Leute zu führen. Dies werde auch nicht gemacht, so Huth, man engagiere vielmehr lediglich Soldaten, die Kontakt mit solchen Leuten hätten.

Mehrfach kritisierten Abgeordnete, dass trotz der MAD-Erkenntnisse über Rechtsextremisten solche Soldaten nicht aus der Bundeswehr entlassen würden - und dies trotz "drastischer Äußerungen" etwa über Hitler als "großen Mann", so Högl über einen Fall. Wieland berichtete von einem Soldaten mit der tätowierten SS-Parole "Blut und Ehre", der auch bei seiner Befragung die SS gelobt habe. Huth räumte ein, dass in den neunziger Jahren solche Wehrdienstleistenden zwar keine Zeitsoldaten hätten werden können, aber in der Regel nicht aus der Bundeswehr entlassen worden seien. "Das hat auch mich öfters geärgert", erklärte der Zeuge. Nach einem entsprechenden Erlass sei dies seit 2000 jedoch "zusehends besser geworden", jetzt würden solche Soldaten "rausgeworfen". Er wies darauf hin, dass der MAD zwar über die Einstufung einer Person als extremistisch entscheide, über eine Entlassung jedoch die zuständige Dienststelle befinde. FDP-Obmann Hartfrid Wolff sprach vom MAD als einem "Papiertiger, der in der Truppe nicht ernst genommen wird".

Zur Rolle des MAD in der NSU-Affäre wollte der Ausschuss im Laufe des Nachmittags und Abends noch drei weitere Zeugen vernehmen, unter ihnen Karl-Heinz Brüsselbach, den ehemaligen Präsidenten des Bundeswehr-Geheimdiensts.

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2. Union und FDP wollen Zivilgesellschaft in Russland durch "umfassende Modernisierungspartnerschaft" stärken

Auswärtiges/Antrag

Berlin: (hib/AHE) Die Fraktionen von CDU/CSU und FDP wollen Zivilgesellschaft und Rechtsstaatlichkeit in Russland durch eine "umfassende Modernisierungspartnerschaft" stärken. Weit über die wirtschaftlich-technologische Zusammenarbeit hinaus gehöre dazu die "Förderung von Demokratie, Menschenrechten Rechtsstaatlichkeit, Zivilgesellschaft, bürgerliches Engagement und das Wachsen einer breiten Mittelschicht", heißt es in einem Antrag (17/11327), der am Freitag auf der Tagesordnung des Bundestagsplenums steht.

Mit Sorge verweisen die Abgeordneten auf die jüngste russische Gesetzgebung, die auf eine "wachsende Kontrolle aktiver Bürger", auf eine Kriminalisierung kritischen Engagements und einen "konfrontativen Kurs gegenüber Regierungskritikern" abziele. Dabei, so schreiben die Abgeordneten weiter, komme der wachsenden Mittelschicht in Russland eine "wesentliche Rolle" bei der technisch-wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Modernisierung zu. Russland habe sich mit dem Beitritt zum Europarat freiwillig und selbständig zur Einhaltung bestimmter Standards bezüglich Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit verpflichtet, an denen es sich messen lassen müsse.

Die Bundesregierung wird unter anderem aufgefordert, ihre Besorgnis über die jüngsten innenpolitischen Entwicklungen in Russland zum Ausdruck zu bringen, die Kontakte zu den "liberalen und oppositionellen Eliten" zu verstärken und darauf zu drängen, dass Oppositionsvertreter ihre Aktivitäten frei entfalten und zur Entwicklung eines modernen repräsentativen Parteiensystems beitragen können. Die Partnerschaft mit Russland sei zu einer "umfassenden gesamtgesellschaftlichen Modernisierungspartnerschaft" weiterzuentwickeln und zu vertiefen. Weiter fordern die Abgeordneten die Bundesregierung auf, in ihren Kontakten und Absprachen mit der russischen Seite "die zivilgesellschaftliche Entwicklung in Russland verstärkt zu thematisieren und die konsequente Einbeziehung gesellschaftlicher und nicht-staatlicher Akteure in gemeinsame Projekte zu fördern". Zudem müsse der Petersburger Dialog als "offenes Diskussionsforum" eine "nicht-gelenkte Diskussionskultur fördern".

Schließlich fordern die Abgeordneten die Bundesregierung auf, sich stärker für die Ausarbeitung einer "kohärenten Russlandstrategie" der EU einzusetzen. Dafür sollten "insbesondere Polen und Deutschland - möglichst gemeinsam mit Frankreich - initiativ werden".

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3. Grüne: Anbindung deutscher Seehäfen verbessern

Verkehr und Bau/Antrag

Berlin: (hib/MIK) Die Anbindung deutscher Seehäfen soll verbessert werden. Dies fordert die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in einem Antrag (17/11352), der am Donnerstag erstmals im Bundestag beraten wird.

Deshalb soll die Bundesregierung die derzeit laufenden vorbereiteten Arbeiten für einen neuen Verkehrswegeplan 2015 zur Aufstellung eines Gesamtverkehrskonzeptes nutzen und alle geplanten und im Bau befindlichen Schienenneu- und ausbauvorhaben im Norden Deutschlands auf ihre Wirksamkeit für den Gütertransport Richtung Süden und Südosten überprüfen. Dabei soll besonders der ansteigende Bedarf an Gütertransporten von und zu den Seehäfen Hamburg, Bremen/Bremerhaven und Jade-Weser-Port berücksichtigt werden.

Weiter fordern die Abgeordneten, dem Erhalt sowie der Beseitigung von Engpässen Vorrang vor Neubaumaßnahmen einzuräumen. Schließlich soll die Bundesregierung unter anderem alle weiteren Planungen für die Y-Trasse (Hamburg/Bremen-Hannover) bis zur Verabschiedung des nächsten Bundesverkehrswegeplans ruhen lassen und in Abstimmung mit der Deutschen Bahn AG baldmöglichst eine belastbare Kostenschätzung für Alternativen zu dieser Trasse vorlegen.

Die deutschen Seehäfen und ihre Anbindung an das Hinterland sind vor dem Hintergrund des stark angewachsenen Seefahrtverkehrs von zentraler Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung der Bundesrepublik, heißt es in dem Antrag. Der wachsende Hafenhinterlandverkehr solle bevorzugt auf der umweltfreundlichen Schiene stattfinden. Dazu sei ein massiver Ausbau von Strecken für den Schienengüterverkehr notwendig.

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4. Grüne wollen Nationalen Radverkehrsplan 2020 überarbeiten

Verkehr und Bau/Antrag

Berlin: (hib/MIK) Der Nationale Radverkehrsplan 2020 soll zum ambitionierten Aktionsplan der Radverkehrsförderung weiterentwickelt werden. Dies fordert die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in einem Antrag (17/11357), der am heutigen Donnerstag erstmals im Bundestag beraten wird.

Dazu soll der vom Kabinett beschlossene Radverkehrsplan überarbeitet werden mit dem Ziel, dass der Radverkehrsanteil an allen Wegen in Deutschland bis 2020 auf mindestens 20 Prozent ansteigen soll. Analog dazu sollen die Länder und Kommunen aufgefordert werden, ebenfalls entsprechende konkrete Zielvorgaben zu definieren.

Weiter fordern die Abgeordneten unter anderem, die Bundeshaushaltsmittel für den Bau von Radwegen entlang von Bundesstraßen mindestens auf 100 Millionen Euro pro Jahr zu erhöhen und zu verstetigen. Zur Besserung der Verkehrssicherheit des Radverkehrs soll der Bund die rechtlichen Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Restriktionen in der Straßenverkehrsordnung für Kommunen abgeschafft werden, Tempo 30 als innerörtliche Regelgeschwindigkeit anzuordnen.

Radfahren sei preiswert, umwelt- und klimafreundlich und trage zur Verbesserung der Lebensqualität in den Städten bei, da es keinen Lärm verursache und keine Schadstoffe in die Luft ausstoße, schreiben die Abgeordneten zur Begründung. Trotzdem würden die Potentiale des Radverkehrs längst nicht ausgeschöpft. Die Bedeutung des Radverkehrs werde in Deutschland von Politik und Verwaltung häufig noch unterschätzt, obwohl der Radverkehr bezogen auf die Zahl der Wege etwa den gleichen Anteil am Verkehrsaufkommen habe wie der Öffentliche Personennahverkehr.

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5. Linke: Notfall- und Havariemanagement weiterentwickeln

Verkehr und Bau/Antrag

Berlin: (hib/MIK) Das europäische Notfall- und Havariemanagement soll wirksam und verbindlich weiterentwickelt werden. Dies fordert die Fraktion Die Linke in einem Antrag (17/11324), der am Donnerstag im Bundestag erstmals beraten wird.

Vor dem Hintergrund der Odyssee des havarierten Containerschiffes "MSC Flaminia" soll sich die Bundesregierung zusammen mit den betroffenen anderen Regierungen für eine umfassende Klärung des Vorfalls sowie eine Überprüfung der bestehenden EU-Regelungen für die Überwachung, Bergung und Sicherung von havarierten Schiffen und Schiffsladungen einsetzen und im Rahmen ihrer Möglichkeiten in der EU darauf hinwirken, schnellstmöglich ein verbindliches und wirksames Schiffssicherheitskonzept im EU-Recht und im internationalen Recht zu vervollständigen. Weiter soll die Europäische Agentur für die Sicherheit in der Schifffahrt zu einer Gemeinsamen Küstenwache mit koordinierender Funktion weiterentwickelt werden.

Die Havarie der "MSC Flaminia" und die bisherige Abwicklung habe deutlich gemacht, dass es einen dringenden rechtlichen Handlungsbedarf für die Eindämmung der möglichen Folgen derartiger Ereignisse gibt, schreibt die Fraktion zur Begründung.

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6. Im Bundestag notiert: Ausrüstung der Antriebe mit Rußpartikelfiltern

Verkehr und Bau/Antwort

Berlin: (hib/MIK) Im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit werden zwei Barkassen betrieben, die seit 2010 mit Rußfiltern ausgestattet sind. Dies erklärt die Bundesregierung in ihrer Antwort (17/10943) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (17/10652) zu "rußfreien Schiffen". Eine Ausrüstung der Antriebe mit Rußpartikelfiltern bei den Forschungsschiffen im Verantwortungsbereich der Bundesregierung sei in der Planungsphase nicht Stand der Technik gewesen und sei heute ohne eine komplette Erneuerung der Antriebssysteme und Schaffung zusätzlicher Aufbauten nicht möglich, heißt es weiter.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 510 - 8. November 2012 - 14:55 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. November 2012