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BUNDESTAG/3204: Heute im Bundestag Nr. 209 - 25.04.2012


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 209
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 25. April 2012 Redaktionsschluss: 18:30 Uhr

1.‍ ‍Antrag zu japanischen "Trostfrauen" abgelehnt
2.‍ ‍Experten uneinig über Zukunft von KapMuG und Musterverfahren
3.‍ ‍Perspektiven für wissenschaftlichen Nachwuchs sollen weiter entwickelt werden
4.‍ ‍Linke will Bildung für alle



1. Antrag zu japanischen "Trostfrauen" abgelehnt

Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe

Berlin: (hib/SKE) Der Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe hat am Mittwochnachmittag mit den Stimmen der Koalition einen SPD-Antrag (17/8789) zur Zwangsprostitution durch das japanische Kaiserreich im Zweiten Weltkrieg abgelehnt. Es sei nicht ersichtlich, warum dieses Thema ausgerechnet jetzt auf die Tagesordnung gehoben werde, hieß es von CDU/CSU. Auch sei nicht nachvollziehbar, warum der Fokus auf Japan gelegt werde. Zwangsprostitution in Kriegen gebe es auf der ganzen Welt. "Das furchtbare Leid und die Schuld ist unbestritten", sagte eine Abgeordnete der FDP-Fraktion. Als außenstehende Nation sei es aber immer schwierig, einen gesellschaftlichen Diskurs in einem Land anzustoßen.

Die Sozialdemokraten rufen in ihrem Antrag dazu auf, das Leid der sogenannten Trostfrauen im Zweiten Weltkrieg anzuerkennen. Die überwiegend aus Korea, China, Taiwan, Burma/Myanmar, Malaysia, Vietnam, den Philippinen, Niederländisch-Indien, Portugiesisch-Timor und Indonesien stammenden Mädchen und Frauen seien entführt und in japanischen Kriegsbordellen der Armee und in Betrieben zur Prostitution gezwungen worden. Die vermutlich größte Gruppe stamme aus Korea mit möglicherweise 200.000 Opfern. Gerade einmal ein Drittel der Frauen soll überlebt haben. Die juristische Aufarbeitung in Japan sei ungenügend, die Regierung habe sich nicht entschuldigt.

"Wenn wir jetzt nicht darüber reden, dann reden wir nie mehr darüber", betonte die SPD-Fraktion die Wichtigkeit ihres Anliegens. Die noch lebenden Opfer seien schon sehr alt. Deutschland als Verursacher des Zweiten Weltkriegs in Europa sei bei diesem Thema in der Pflicht. Japan müsse die Taten als Kriegsverbrechen und sexuelle Sklaverei anerkennen. Allgemeine Anträge zur Ächtung von Gewalt gegen Frauen seien bereits gestellt worden. Es sei wichtig, diese generellen Aussagen durch konkrete Beispiele zu untermauern.

Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke stimmten dem Antrag zu. Schon in der Vergangenheit seien Probleme in einzelnen Ländern angesprochen worden, sagte ein Vertreter der Grünen. Es sei daher nicht einzusehen, warum das ausgerechnet in diesem Fall ein Problem sein sollte. Der Antrag entspreche den Forderungen der Opfer. Die Linke sagte, es wäre zwar wünschenswert gewesen, den Antrag nicht nur auf Japan zu beziehen, an sich sei der Antrag aber gut.

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2. Experten uneinig über Zukunft von KapMuG und Musterverfahren

Rechtsausschuss (Anhörung)

Berlin: (hib/VER) Die Praxistauglichkeit des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zur "Reform des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes" (KapMuG, 17/8799) ist am Mittwochnachmittag Thema im Rechtsausschuss gewesen. Im Rahmen einer öffentlichen Anhörung legten acht Experten ihre Meinung zum Gesetzentwurf und seiner Anwendbarkeit dar.

Nach dem Willen der Bundesregierung soll das aktuelle KapMuG beibehalten werden. Das zumindest ist das Ziel ihres Gesetzentwurfes zur KapMuG-Reform. Ende Oktober würde das aktuell geltende KapMuG außer Kraft treten, da es lediglich befristet ist. Allerdings hätte laut Bundesregierung eine Evaluation ergeben, dass das Musterfeststellungsverfahren "ein taugliches Instrument" zur Bewältigung von Massenklagen im Bereich des Kapitalmarktrechts ist. Das Gesetz stelle insgesamt "ein funktionsfähiges Modell der kollektiven Rechtsdurchsetzung" dar und sei somit eine Verbesserung gegenüber dem früheren Rechtszustand. Das KapMuG ist laut Regierung "ein erster Schritt in die richtige Richtung", um die Situation geschädigter Anleger zu verbessern und ihre Rechtsschutzmöglichkeiten effektiver zu gestalten. Die positive Einschätzung des KapMuG werde von fast allen Befragten bestätigt. Daher empfehle der Bericht die Entfristung. Gleichzeitig werde eine Auswertung des Anwendungsbereichs auf sonstige zivilrechtliche Ansprüche vorgeschlagen.

Die Experten hingegen waren gespaltener Meinung; die meisten von Ihnen sahen jedoch Nachbesserungsbedarf beim Gesetzentwurf. Positiv äußerte sich Professor Dr. Volkert Vorwerk, Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe, zum Entwurf, den er als "relativ gelungen" bezeichnete. Zu begrüßen sei "das Ziel des Gesetzgebers, am Musterverfahren festzuhalten."

Die Vorsitzende Richterin am Kammergericht Berlin, Dagmar Junck, analysierte das KapMuG aus dem Blickwinkel der richterlichen Praxis. Aus diesem sei "eine zuverlässige abschließende Bewertung derzeit noch nicht möglich". Denn, argumentierte Junck, dafür bedürfe es des rechtskräftigen Abschlusses wenigstens einiger Musterverfahren. Deshalb erachte sie die weitere Befristung für "unverzichtbar".

Der Rechtsanwalt Andreas W. Tilp aus dem württembergischen Kirchentellinsfurt betonte, dass das KapMuG keinesfalls nur für Kleinanleger gelten dürfe, sondern vor allem "auch für institutionelle Anleger" gelten müsse. Sein Vorschlag ist allerdings, das KapMuG "auslaufen zu lassen" und an seiner Stelle einen "effizienten Rechtsschutz im Bereich von Massenschäden bei Kapitalanlegern zu schaffen".

Klaus Rotter, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht aus Grünwald, befand das KapMuG generell für "widersprüchlich". Er forderte, dass der Bundesgerichtshof immer "als Kontrollinstanz" zur Verfügung stehen müsse, da es "immer um das Vertrauen des gesamten Kapitalmarkts" gehe.

"Der Gesetzgeber soll die Unternehmen unter die Lupe nehmen" und dürfe "den Schutz durch Verjährung nicht gewähren", forderte in diesem Zusammenhang Lars Labryga, Vertreter der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V. aus Berlin. Dieser Meinung schloss sich auch Katja Fohrer, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht, aus München an: "Man braucht das KapMUg für einen kollektiven Rechtsschutz", sagte sie. Allerdings nur, fügte Fohrer hinzu, wenn es die Prozesse beschleunige. Zuvor hatte sie berichtet, dass sie seit 2006 einen Prozess mit großem Aufwand mit einem Anleger führe; 21 Zeugen seien insgesamt geladen gewesen, allerdings habe sich "der Aufwand aus Anlegersicht nicht gelohnt".

Der Stuttgarter Rechtsanwalt Dr. Wolf H. von Bernuth befand, das Ziel der Verfahrensbeschleunigung werde - insofern das Prozessgericht falsch entscheidet - "nur vordergründig erreicht". Folglich müsse dann der Stritpunkt "wenig effizient in diverseren Einzelverfahren geklärt werden." Das koste Zeit, so von Bernuth weiter, und schließe das "Risiko uneinheitlicher Entscheidungen ein".

"Ein verbessertes KapMuG ist besser als gar kein Rechtsschutz", resümierte Professor Dr. Axel Halfmeier, LL.M., vom Institut für Wirtschaftsrecht der Leuphana Universität Lüneburg gegen Ende der Anhörung. Abschließend äußerte er sich noch zu der Befristung des KapMuG: "Es gibt Erfahrungen, die eine Entfristung begründen würden", und bezog persönlich Stellung: "Ich selbst bin kein Freund von Befristungen", sagte Halfmeister und fügte erläuternd hinzu, dass der Gesetzgeber ja auch zu einem späteren Zeitpunkt wenn nötig Verbesserungen an einem Gesetz vornehmen könnte.

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3. Perspektiven für wissenschaftlichen Nachwuchs sollen weiter entwickelt werden

Bildung und Forschung/Antrag

Berlin: (hib/ROL) Der wissenschaftliche Nachwuchs spielt eine wichtige Rolle für die Innovationskraft und die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Damit begabte Hochschulabsolventen ihre Potenziale entwickeln und sich qualifizieren können, benötigen sie optimale Rahmenbedingungen. Die Regierungskoalition von CDU/CSU und FDP hat in einem Antrag mit dem Titel "Exzellente Perspektiven für den wissenschaftlichen Nachwuchs fortentwickeln" (17/9396) einen 15-Punkte-Plan aufgestellt. Darin fordert sie die Bundesregierung auf, in den entsprechenden Aufsichts- sowie Bund Länder-Gremien darauf hinzuwirken, dass die Vertragsdauer für die Nachwuchswissenschaftler in der Regel an die Laufzeit der Projekte gekoppelt ist, in denen sie beschäftig sind.

Ferner soll bei der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) ein Leitfaden zum wissenschaftlichen Nachwuchs angefordert werden. Darin soll die HRK Vorschläge machen, wie die festgestellten Defizite im Wissenschaftszeitvertrag in der Praxis abgestellt werden können. Auch sollen Projekt- und Nachwuchsforschergruppen an Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen stärker gefördert werden. Zudem soll eine bessere Vereinbarkeit von Familie und wissenschaftlicher Tätigkeit erreicht werden.

Laut Regierungskoalition empfinden sowohl Wissenschaftler wie politisch Handelnde es als zunehmend problematisch, dass in Deutschland Daten über den Qualifizierungsprozess des wissenschaftlichen Nachwuchses in systematischer Form fehlen, begründen sie ihren Antrag. Das gelte auch für die Promotions- und Postdoktorantenprogramme.

Zudem sei die geringe Kinderhäufigkeit bei Akademikern auffällig. Deshalb sei es wichtig, dass Wissenschaftler familiengerechte Arbeitsbedingungen vorfinden. Ein wichtiger Baustein sei dabei das Programm "Zeit gegen Geld" und die Einführung der familienpolitischen Komponenten im Wissenschaftszeitvertragsgesetz. Doch reichten diese Komponenten nicht aus. Vielmehr müssten zusätzliche Anstrengungen unternommen werden, um die strukturellen Defizite in der Promotions- und in der Postdoktoranden-Phase zu verbessern. Im Antrag heißt es: "Dem wissenschaftlichen Nachwuchs muss in seiner gesamten Breite früh eine Orientierung gegeben werden, ob und unter welchen Bedingungen eine wissenschaftliche Karriere im Einzelfall Erfolgsaussichten hat."

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4. Linke will Bildung für alle

Bildung und Forschung/Antrag

Berlin: (hib/ROL) Zu einer zukunftsfähigen Gesellschaft gehört nach Ansicht der Linken "Bildung für nachhaltige Entwicklung". Jeder müsse die Möglichkeiten erhalten, aktiv an einer nachhaltigen, gerechten und solidarischen Gesellschaft mitzuwirken. In ihrem Antrag "Bildung für nachhaltige Entwicklung ermöglichen - Gleiche Bildungsteilhabe sichern" (17/9395) fordert die Linke "ein ganzheitliches Bildungskonzept". Darunter versteht die Linke, "Bildung für alle" zu verwirklichen. Die Lösung von globalen Menschheitsproblemen erfordere Einsichten in Entwicklungsprozesse, die für zukunftsfähige Gesellschaften und eine nachhaltige Entwicklung erforderlich seien. Es sei nicht hinnehmbar, das in einem hochmodernisierten Land wie Deutschland nicht alle den gleichen Zugang zu Bildung hätten.

In einem 15-Punkte-Plan fordert die Linke die Bundesregierung daher auf, das öffentliche Bildungssystem ausreichend zu finanzieren. Die Mittel für Bildung in Bund, Ländern und Kommunen müssten auf sieben Prozent des Bruttoinlandsprodukts angehoben werden. Dem Bundestag solle zudem ein Gesetzentwurf zur Aufhebung der Schuldenbremse vorgelegt werden. Sie wirke wie eine "Bildungsbremse".

Die Linke verlangt zudem die Vorlage eines Gesetzentwurfes, in dem das Kooperationsverbot von Bund und Ländern aufgehoben wird. In der Folge sollten mit den Ländern geeignete Kooperationsinstrumente entwickelt werden.

Ferner tritt die Fraktion für ein "inklusives" Bildungssystem ein. Im Allgemeinen versteht man darunter ein System, das Kinder nicht aussortiert. Die Linke erinnert in ihrem Antrag daran, dass die Bundesregierung sich dazu verpflichtet hat, die Vereinbarungen im Rahmen der UN-Konventionen für die Rechte von Menschen mit Behinderungen zügig umzusetzen.

Auch will die Linke, dass die Bundesregierung gemeinsam mit den Ländern darauf hinwirkt, die Zahl der Schulabbrecher und Schulabgänger ohne Abschluss drastisch zu verringern.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 209 - 25. April 2012 - 18:30 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. April 2012