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BUNDESTAG/3100: Heute im Bundestag Nr. 105 - 01.03.2012


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 105
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 1. März 2012 Redaktionsschluss: 15:15 Uhr


1. NSU-Ausschüsse fordern von Ländern umfassende Herausgabe von Akten
2. SPD-Fraktion warnt vor Ausschreibung von Wasserversorgung und Rettungsdienst


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1. NSU-Ausschüsse fordern von Ländern umfassende Herausgabe von Akten

2. Untersuchungsausschuss (Rechtsterrorismus)

Berlin: (hib/KOS) Die vom Bundestag und vom Thüringer Landtag zum sogenannten "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) eingesetzten Untersuchungsausschüsse wollen gegenüber den Innenministern der Länder mit Nachdruck darauf pochen, dass den Parlamentariern alle Unterlagen zur Verfügung gestellt werden, die für die Aufklärung der dem NSU zugerechneten Mordserie nötig sind. Nach einem Treffen der beiden Gremien in Berlin kündigte Sebastian Edathy, Vorsitzender des Bundestagsausschusses, einen gemeinsam verfassten Brief mit entsprechenden Forderungen an die Innenministerkonferenz an. "Wir haben einen Anspruch auf Amtshilfe", sagte der SPD-Abgeordnete.

Auch aus Sicht der Thüringer Vorsitzenden Dorothea Marx (SPD) ist eine solch umfassende Unterstützung geboten, um die zentrale Frage erhellen zu können, wie der NSU-Hintergrund der Morde jahrelang habe verborgen bleiben können und wie es unbemerkt zur Herausbildung der NSU-Strukturen habe kommen können. "Wir erwarten die bestmögliche Unterstützung durch die Innenminister", betonte Hartfrid Wolff, FDP-Obmann im Bundestagsgremium. Petra Pau, Sprecherin der Linken, drängte darauf, die Aufklärungsarbeit möglichst öffentlich stattfinden zu lassen. Grünen-Obmann Wolfgang Wieland sagte, man wolle die Herausgabe von Akten gegenüber den Innenministern "notfalls einklagen".

Bei ihrem Treffen vereinbarten die beiden Ausschüsse zur Vermeidung von Doppelarbeit, "an einem Strang zu ziehen" (Edathy) und "Arm in Arm vorzugehen" (Marx). Clemens Binninger, Unions-Sprecher im Berliner Gremium: "Wir wollen miteinander, nicht gegeneinander arbeiten." Laut Edathy werde geprüft, ob sich die beiden Ausschüsse gegenseitig ein Besuchsrecht und eine gegenseitige Einsichtnahme in die Protokolle einräumen. Auch die inhaltliche Arbeit soll aufeinander abgestimmt werden. So durchleuchtet das Bundestagsgremium, wie Edathy und Binninger erläuterten, zunächst die Zeitspanne zwischen 2000 und 2007, in der die Morde passierten. In Erfurt widmet man sich hingegen zuerst den Geschehnissen in den neunziger Jahren. Edathy: "Wir wollen dann in einigen Monaten auf die Thüringer Erkenntnisse zurückgreifen."

Anders als der Bundestagsausschuss plant die Erfurter Kommission eine Vernehmung von Beate Zschäpe, die zum NSU-Trio gehört hat. "Sie müsste eigentlich alles wissen", begründete Marx diese Vorladung. Allerdings sei unklar, ob Zschäpe auch aussagen werde. Edathy hatte den Verzicht auf einen Auftritt Zschäpes kürzlich mit dem Argument gerechtfertigt, man wolle keine "Show-Veranstaltung". Die Befragung von Zeugen mache keinen Sinn, wenn diese schweigen würden. Zschäpe, die in U-Haft sitzt, hat wegen der gegen sie laufenden strafrechtlichen Ermittlungen ein Aussageverweigerungsrecht.

Laut Edathy will das Bundestagsgremium am 8. März bei einem Gespräch mit der Bund-Länder-Kommission, die sich ebenfalls mit der NSU-Thematik befasst, die Tätigkeit dieser beiden Ausschüsse aufeinander abstimmen. Für diesen Tag ist zudem die erste öffentliche Anhörung des Bundestagsgremiums geplant. Zu Wort kommen sollen Barbara John, Ombudsfrau der Regierung für die Angehörigen der Opfer der mutmaßlichen NSU-Taten, sowie Vertreter von Opfergruppen.

Aufgrund einer Initiative der oppositionellen Fraktionen von Linken, SPD und Grünen soll auch Sachsen einen Untersuchungsausschuss erhalten, den der Landtag am 7. März einsetzen soll. Recherchieren soll dieses Gremium vor allem, warum die NSU-Zelle in Sachsen unerkannt untertauchen konnte.

Der auch als Zwickauer Terrorzelle bezeichneten NSU-Gruppe werden neun Morde an türkisch- oder griechischstämmigen Kleinunternehmern sowie die Tötung einer Polizistin und mehrere Banküberfälle angelastet. Rätselhaft ist vor allem, wieso das NSU-Trio und seine Helfer über 15 Jahre lang im Untergrund aktiv sein konnten und Polizei wie Geheimdienste nicht gegen sie einschritten. Die Aufklärung dieses Versagens markiert den Kernauftrag der Untersuchungsausschüsse. Dazu gehört auch die Frage, welche Rolle V-Leute des Geheimdienstes im Umfeld des NSU-Geflechts spielten. Letztlich sollen Vorschläge erarbeitet werden, wie die Struktur und die Zusammenarbeit von Polizei und Geheimdiensten auf der Ebene von Bund und Ländern verbessert werden können.


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2. SPD-Fraktion warnt vor Ausschreibung von Wasserversorgung und Rettungsdienst

Wirtschaft und Technologie/Antrag

Berlin: (hib/HLE) An der kommunalen Selbstverwaltung bei Wasserversorgung, Abwasserentsorgung, Rettungsdiensten und weiteren Bereichen sollen keine Änderungen vorgenommen werden. Die SPD-Fraktion verlangt in einem Antrag (17/8761), der am heutigen Donnerstag auf der Tagesordnung des Deutschen Bundestages steht, die Feststellung durch den Bundestag, dass ein EU-Richtlinienvorschlag mit dem Ziel einer Ausschreibung dieser Leistungen die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit verletzt. "Da Dienstleistungskonzessionen bisher aufgrund der EU-Rechtslage vom Anwendungsbereich des Vergaberechts ausgenommen sind und etwaige Wettbewerbsstörungen bei Dienstleistungskonzessionen nicht nachgewiesen werden, fordert der Deutsche Bundestag, keine Änderungen der kommunalen Selbstverwaltung im Bereich von Dienstleistungskonzessionen zuzulassen", schreibt die SPD-Fraktion.

Gerade die Wasserversorgung sei in Deutschland ein "Kern der öffentlichen Daseinsvorsorge", erinnert die SPD-Fraktion. Die Entscheidung über die Organisation der Trinkwasserversorgung obliege allein den Kommunen. Die bestehenden Strukturen seien gewachsen und leistungsstark. Die Qualität des Trinkwassers sei sehr hoch. Falls der Betrieb von Rettungsdiensten ausgeschrieben werden müsste, erwartet die SPD-Fraktion ein Ende des stark verbreiteten ehrenamtlichen Wirkens und stellt fest: "Eine kommerzielle Ausrichtung dieser Dienste wäre für die innere Sicherheit mit deutlichen Qualitätseinbußen verbunden." Es sei nicht ersichtlich, welche Vorteile sich für Verbraucher durch die europaweite Ausschreibungspflicht ergeben würden.

Die Fraktion erinnert an einen einstimmigen Beschluss des Wirtschaftsausschusses des Deutschen Bundestages gegen eine EU-Richtlinie zu Dienstleistungskonzessionen. Auch in einem Brief an den EU-Kommissar Michel Barnier habe sich der Ausschuss einmütig dafür ausgesprochen, "dass diese Rechtssetzungsinitiative kein Regelungstatbestand der Europäischen Union sein sollte".


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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 105 - 1. März 2012 - 15:15 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. März 2012