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BUNDESTAG/3093: Heute im Bundestag Nr. 098 - 29.02.2012


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 098
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 29. Februar 2012 Redaktionsschluss: 13:20 Uhr


1. Ministerium weist im Innenausschuss Zeitungsbericht zu angeblicher Beweismittelvernichtung zurück
2. Rechtsausschuss gegen gesetzlich verordnete Frauenquote in Führungspositionen
3. Arbeitgeber darf Smartphones und Software steuerfrei überlassen
4. Verantwortung für Sicherheit von Bahnfahrzeugen soll bei den Herstellern liegen
5. Ausschuss lehnt SPD-Antrag zur Stärkung der ökologischen Landwirtschaft ab
6. Experten befürworten geplante Liberalisierung des Fernbuslinienverkehrs
7. Öffentliches Fachgespräch: Forschungsfinanzierung an Fachhochschulen muss ausgebaut werden


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1. Ministerium weist im Innenausschuss Zeitungsbericht zu angeblicher Beweismittelvernichtung zurück

Innenausschuss

Berlin: (hib/STO) Im Innenausschuss hat das Bundesinnenministerium einen Zeitungsbericht über eine angebliche Vernichtung von Beweismitteln durch das Bundeskriminalamt (BKA) im Fall der Neonazi-Mordserie entschieden zurückgewiesen. Die in dem Bericht enthaltenen Behauptungen seien nicht zutreffend, sagte ein Vertreter des Ministeriums am Mittwoch im Ausschuss und sprach von einem "infamen" Angriff gegen das BKA.

Die "Bild am Sonntag" hatte am 12. Februar berichtet, das BKA habe im Rahmen der Ermittlungen zur Neonazi-Mordserie Daten eines sichergestellten Mobiltelefons eines Beschuldigten löschen lassen und die ausgewerteten Daten nicht in das Ermittlungsverfahren eingebracht. Dazu betonte der Ministeriumsvertreter, es sei kein Beweismittel verloren gegangen. Die Löschung sei rechtmäßig gewesen und habe ein Standardverfahren dargestellt. Auch stimme es nicht, dass es keinen Eintrag in den Ermittlungsakten gebe. Ferner seien die Mobiltelefone beim BKA gelagert.

Wie der Ministeriumssprecher erläuterte, wurden die Daten durch die Bundespolizei im Beisein einer BKA-Vertreterin ausgelesen und dann dem BKA übergeben. Nach seinen Worten sollte die Bundespolizei die Daten löschen, nachdem das BKA signalisiert hatte, die Daten einwandfrei gespeichert zu haben. Diese Forderung sei auch mit dem Generalbundesanwalt abgestimmt. Es handele sich um einen "ganz normalen Amtshilfevorgang". Auch gebe es noch keinen abschließenden Auswertungsbericht, sondern nur einen vorläufigen, der üblicherweise nicht zu den Ermittlungsakten des Generalbundesanwalts gegeben werde. Nachgegangen sei man auch dem Gerücht, das BKA wolle Informanten im Umfeld der Neonazi-Zelle schützen wollen. Dies habe sich nicht bestätigt.

Die CDU/CSU-Fraktion dankte dem Ministerium für die "umfassende Darstellung", die den Sachverhalt kläre. Sie warf die Frage auf, ob das Ministerium presserechtlich auf die offenkundige Falschmeldung reagieren wolle. Die SPD-Fraktion dankte ebenfalls für die Aufklärung und erkundigte sich, wie das Blatt an die Email einer BKA-Mitarbeiterin an einen Bundespolizisten gekommen sei. Sie mahnte, einen Datenabfluss künftig zu verhindern. Aus der Fraktion Die Linke wurde darauf verwiesen, dass man einer Stellungnahme zu dem Zeitungsbericht die Voraussetzung "Wenn es stimmen sollte" vorangestellt habe. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sagte mit Blick auf den Zeitungsbericht, dessen ganze Kommentierung sei "in die Irre" gegangen.


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2. Rechtsausschuss gegen gesetzlich verordnete Frauenquote in Führungspositionen

Rechtsausschuss

Berlin: (hib/VER) Der Rechtsausschuss des Bundestags lehnt eine gesetzliche Regelung für die paritätische Besetzung von Führungspositionen in der Wirtschaft mit Männern und Frauen ab. Dies hatte die Fraktion Die Linke in einem Antrag (17/4842) gefordert.

Die Fraktion begründet ihre Initiative damit, dass solche Positionen in Deutschland nach wie vor von Männern dominiert würden. Besonders sei das an den Schnittstellen der Entscheidungen in Politik und Wirtschaft zu beobachten. Mehrere Bundesregierungen hätten versucht, die Unternehmen zu einer freiwilligen Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen in der Wirtschaft zu bewegen und seien damit gescheitert. "Besonderes hartnäckig ist die Verweigerungshaltung bei der geschlechtergerechten Besetzung von Vorständen und Aufsichtsräten", schreibt Die Linke in ihrem Antrag. Deshalb sei jetzt der Gesetzgeber gefordert. "Klare Quotenregelungen" müssten die "fortdauernde Verletzung" des im Grundgesetz festgeschriebenen Gleichheitsgrundsatzes unterbinden. Nach Auffassung der Linksfraktion widerspreche "die fehlende paritätische Besetzung von Vorständen und Aufsichtsräten der Privatwirtschaft durch Frauen und Männer" dem Gleichstellungsauftrag des Grundgesetzes und sei undemokratisch. Binnen zehn Jahren, so die Forderung der Fraktion, sollen 50 Prozent der Führungspositionen von Frauen besetzt sein.

In der Sitzung des Rechtsausschusses am Mittwochvormittag wurde der Antrag mit den Stimmen der Regierungsfraktionen und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der SPD-Fraktion und gegen die Stimmen der Linksfraktion abgelehnt.


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3. Arbeitgeber darf Smartphones und Software steuerfrei überlassen

Finanzausschuss

Berlin: (hib/HLE) Die private Nutzung von Computer-Software des Arbeitgebers wird für die Arbeitnehmer steuerfrei gestellt. Dies gilt auch, wenn der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern Datenverarbeitungsgeräte wie Smartphones oder Tablets überlässt. Der Finanzausschuss beschloss am Mittwoch eine entsprechende Gesetzesänderung, die per Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP in das Änderungsgesetz zum Gemeindefinanzreformgesetz (17/8235) aufgenommen wurde. Die Koalitionsfraktionen sowie die SPD-Fraktionen stimmten für den Gesetzentwurf, die Linksfraktion und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen enthielten sich. Ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wurde abgelehnt.

Die CDU/CSU-Fraktion begründete die Steuerfreiheit bei privater Nutzung von Software und Datenverarbeitungsgeräten mit der notwendigen Steuervereinfachung. Auch die SPD-Fraktion sah kein Problem darin, die Software steuerfrei zu überlassen. Bündnis 90/Die Grünen äußerten dagegen die Sorge, dass sich aus dieser Möglichkeit ein Steuersparmodell entwickeln könne. Es müsse genau beobachtet werden, ob es Versuche geben werde, systematisch Lohn über solche Instrumente auszuzahlen. Auch die Linksfraktion warnte davor, dass bei der steuerfreien Überlassung Missbrauchsmöglichkeiten Tür und Tor geöffnet werden könne. Selbst hochwertige Fernsehgeräte mit Datenverarbeitungsmöglichkeit könnten so steuerfrei überlassen werden. Die CDU/CSU bezeichnete dies als "absurd". Neben der Steuervereinfachung gehe es hier auch darum, die Schaffung von Heimarbeitsplätzen zu erleichtern.

Ein weiterer in das Gesetz aufgenommener Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen sieht vor, dass Schachteldividenden aus dem Ausland, die nach den Regelungen einiger Doppelbesteuerungsabkommen in bestimmten Fällen steuerfrei sind, nun doch versteuert werden müssen. Die Regelung betrifft besonders Kommanditgesellschaften auf Aktien (KGaA). Die FDP-Fraktion erklärte dazu, mit der Änderung werde ein Schlupfloch geschlossen. Das sei auch im Sinne der geschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen. Die CDU/CSU-Fraktion sprach sich dafür aus, die Schachteldividenden-Problematik in Zukunft schon in den Doppelbesteuerungsabkommen zu regeln.

Der eigentliche Gesetzentwurf sieht eine Anhebung der Höchstbeträge zur Berechnung des Gemeindeanteils an der Einkommensteuer vor. Dies sei notwendig, um die Ziele der Gemeindefinanzreform wie zum Beispiel eine Verteilung der Steuer auf Grundlage des örtlichen Aufkommens zu erreichen, heißt es in dem Gesetzentwurf. Danach sollen die Höchstbeträge auf 35.000 Euro für einzeln veranlagte Steuerpflichtige und 70.000 Euro für zusammen veranlagte Ehegatten steigen. Bisher betragen diese Werte 30.000 beziehungsweise 60.000 Euro. Von den Oppositionsfraktionen wurde darauf hingewiesen dass es Probleme für Städte mit über 200.000 Einwohnern geben könne.

Durch einen weiteren in den Gesetzentwurf aufgenommenen Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen soll der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent auf Pferde aufgehoben werden. Auf sämtliche Lieferungen, Einfuhren und innergemeinschaftlichen Erwerbe von Pferden soll künftig der reguläre Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent erhoben werden. Nach Angaben der Bundesregierung ist die Gesetzesänderung notwendig, da die EU-Kommission wegen des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes für Pferde vor dem Europäischen Gerichthof Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland erhoben und Recht bekommen hatte.


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4. Verantwortung für Sicherheit von Bahnfahrzeugen soll bei den Herstellern liegen

Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung

Berlin: (hib/MIK) Das Eisenbahngesetz kann geändert werden. Einem entsprechenden Entwurf der Bundesregierung (17/8384) stimmte der Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung am Mittwochmorgen in geänderter Fassung einstimmig zu.

Somit soll in Zukunft den Herstellern die Verantwortung dafür zugewiesen werden, dass die Fahrzeuge der Bahn bei der Inbetriebnahme sicher sind. Die Verantwortung dafür liegt bisher beim Betreiber. Außerdem soll mit dem Gesetzentwurf eine Ermächtigungsgrundlage geschaffen werden, durch die dem Eisenbahn-Bundesamt die Festlegung von technischen Einzelheiten für Planung, Bemessung und Konstruktion von Betriebsanlagen der Eisenbahn des Bundes übertragen werden kann. Mit einem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP wurde auf Anregung des Bundesrates eine Regelung zur Lärmkartierung in den Gesetzentwurf aufgenommen.

Die Sprecher aller Fraktionen betonten, dass das Gesetz "richtig und sinnvoll" sei. Dadurch gebe es in Zukunft mehr Rechtssicherheit. Der Bundestag will abschließend am Donnerstag über den Gesetzentwurf entscheiden.


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5. Ausschuss lehnt SPD-Antrag zur Stärkung der ökologischen Landwirtschaft ab

Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz

Berlin: (hib/EIS) Der Forderung, die ökologische Landwirtschaft als integralen Bestandteil der europäischen Kulturlandschaft zu fördern, erteilte der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft, und Verbraucherschutz am Mittwochvormittag mit den Stimmen von CDU/CSU und FDP eine Absage. Ein dazu vorgelegter SPD-Antrag (17/7186) hatte unter anderem zum Ziel, dass sich die Bundesregierung dafür einsetzen soll, in den Verhandlungen zur Reform der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik (GAP) nach 2013 die dauerhafte finanzielle Förderung der gesellschaftlichen Leistungen durch den ökologischen Landbau zu erreichen.

Die Sozialdemokraten sahen ihren Antrag insofern begründet, dass der "Ökobereich enorme Zuwächse verzeichnet". Das Angebot im Handel und die zur Verfügung stehenden Ackerflächen würden jedoch nicht mit der Nachfrage Schritt halten. "Es war ein Fehler, den Ökolandbau zusammen mit dem konventionellen Landbau aus einem Topf zu fördern", hieß aus der SPD-Fraktion. Aus diesem Grund müsse auch hinsichtlich der Verhandlungen zur Reform der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik auf EU-Ebene der Ökolandbau besondere Berücksichtigung finden.

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unterstützte den Antrag: "Auch wenn er angesichts der Problemlage nicht weit genug geht." Die "erhebliche Diskrepanz" zwischen Angebot und Nachfrage sei nicht mehr zu übersehen und wird sich nach Ansicht der Grünen weiter verschärfen. Die Verschlechterung der Umstellungsförderung für Landwirte, die von konventioneller zu ökologischer Landwirtschaft wechseln wollen, habe zu drastischen Einbrüchen im Angebotssektor geführt. "Dadurch geht durch Importe ein wichtiger Markt verloren." Doch kritisierten die Grünen den SPD-Antrag: "Es fehlen klare Ausbau- sowie Förderziele und die Forderungen hinsichtlich der GAP sind zu unbestimmt."

Die Fraktion Die Linke unterstützte ihre Vorredner: "Grundsätzlich stimmen wir dem Antrag zu, doch werden wichtige zentrale Fragen nicht behandelt." Insofern kündigte die Linksfraktion ihre Enthaltung an.

Die FDP-Fraktion betonte, dass die "ökologische Landwirtschaft ein wichtiges Marktsegment darstellt". Sie stellte aber fest, dass der Ruf nach höherer Förderung nicht greife, weil ökologisch hergestellte Produkte höhere Preise erwirtschaften würden. Die Ablehnung des SPD-Antrags wurde unter anderem hinsichtlich der Frage nach der Versorgung des steigenden Lebensmittelbedarfs in der Welt begründet. Es wurde bezweifelt, dass der Ökolandbau diesen Bedarf decken kann. Die CDU/CSU stimmte dem SPD-Vorstoß nicht zu, "weil der Antrag nicht mehrheitsfähig ist".

Ein Vertreter der Regierung erklärte, "dass es wichtig ist, eigene Produkte auf den Markt zu bringen, statt diese zu importieren". Rund fünf Prozent der in Deutschland produzierten Landwirtschaftsprodukte seien biologisch. Die derzeitige Marktnachfrage liege bei rund zehn Prozent. Er betonte, dass das Bundesprogramm Ökolandbau ursprünglich auslaufen sollte. "Doch die Regierung hat es fortgeführt." Er stellte aber fest, dass die Prämien für die Umstellung von Landwirtschaftsbetrieben auf Ökolandbau in den Bundesländern sehr unterschiedlich hoch ausfallen würden und forderte die Ausschussmitglieder auf, dies in ihren Ländern zur Sprache zu bringen.


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6. Experten befürworten geplante Liberalisierung des Fernbuslinienverkehrs

Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Anhörung)

Berlin: (hib/MIK) Die geplante Liberalisierung des Fernbuslinienverkehrs findet weitgehende Zustimmung. Dies wurde am Mittwoch deutlich bei einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, in dem es vor allem um einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur "Änderung personenbeförderungsrechtlicher Vorschriften" (17/8233) ging.

Danach sollen die bisherigen Beschränkungen im Fernbuslinienverkehr weitgehend aufgehoben werden. Weder gegenüber den Eisenbahn noch gegenüber anderen Fernbuslinienverkehren soll es einen Konkurrenzschutz geben. Allerdings soll die Beförderung von Personen zwischen zwei Haltestellen mit einem Abstand von weniger als 50 Kilometern unzulässig sein. Damit soll der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) geschützt werden. Mit dem Gesetzentwurf will die Regierung zudem auch den Marktzugang für den ÖPNV neu regeln.

Grundlage der Anhörung war auch ein gemeinsamer Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen (17/7046), der ebenfalls eine Öffnung des Omnibusfernlinienverkehrs vorsieht, sowie ein Antrag (17/7487) der Linksfraktion mit der Forderung, die Pläne für eine vollständige Liberalisierung des Fernbuslinienverkehrs aufzugeben.

Patrick Thiele, Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK), unterstützt eine Öffnung des Marktes für Buslinienfernverkehr. Die derzeitigen Beschränkungen würden das letzte Relikt der Verkehrsmarktregulierung aus den 1930er Jahren darstellen. Busunternehmen sollten nach seiner Meinung die gleichen Rechte wie Fluggesellschaften haben. Auch im Flugverkehr würden Verbindungen nicht wegen möglicher Auswirkungen auf den Schienenverkehr geändert. Da Fernbusse zur Erreichung akzeptabler Reisezeiten nur wenige Haltestellen unterwegs haben würden, dürften sich die befürchteten Verlagerungen von Schienenpersonenverkehr auf den Bussen in engen Grenzen halten, betonte er. Um den Wettbewerb langfristig zu sichern, sei eine Betriebsvielfalt anzustreben. Mittelständische Unternehmen müssten reelle Chancen für ein Markteintritt erhalten. Die Reform sollte deshalb nicht darauf hinauslaufen, dass der Fernbusmarkt unter wenigen Großanbietern aufgeteilt werde, heißt es in seiner Stellungnahme.

Der Deutsche Städtetag und der Deutsche Landkreistag bewerteten in einer gemeinsamen schriftlichen Stellungnahme die Liberalisierung des Fernbuslinienverkehrs als "im Grundsatz akzeptabel". Dies gelte jedoch nur, wenn sich keine Konkurrenz zu den mit kommunalen Haushaltsmitteln finanzierten Nahverkehrsangebot auf der Straße und der Schiene ergebe.

Für Christiane Leonard vom Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmen schafft der Regierungsentwurf "verlässliche Bedingungen". Fernbusse seien in der Regel mindestens um ein Drittel günstiger als die Bahn. Damit sei der Fernbus das Verkehrsmittel für preissensible Bevölkerungsgruppen. Die Nachfrage nach einem Niedrigpreisangebot im Fernverkehr in Deutschland existiere, wie auch zahlreiche Mitfahrzentralen zeigen würden. Hierdurch würden gerade einkommensschwächere Bevölkerungsgruppen eine gute Mobililitätsalternative erhalten. Untersuchungen zeigten, dass der Buslinienfernverkehr seine Fahrgäste vor allem vom Pkw-Verkehr und von den Mitfahrzentralen sowie von den so genannten Grauverkehren (ungenehmigte Linienverkehre mit Kleinbussen, insbesondere durch osteuropäische "Unternehmen"), gewinnen würde. Deshalb sei eine Abwanderung der Fahrgäste von der Schiene auf den Bus nicht im nennenswerten Umfang zu befürchten, betonte sie in ihrer Stellungnahme. Die vom Gesetzentwurf der SPD und Bündnis 90/Die Grünen in Erwägung gezogene Busmaut lehnte der Verband "entschieden". Damit würde der gesamte Reisebusmarkt in eine Schieflage geraten, die nahezu alle rund 4.500 privaten Busunternehmen in Deutschland in ihrer Existenz bedrohe, sagte Leonard.

Auch Holger Krawinkel, Verbraucherzentrale Bundesverband, begrüßte die Liberalisierung des Fernbusverkehrs. Die Sorge, dass das Angebot im Eisenbahnverkehr dadurch nachhaltig Schaden nehmen würde, teilte der Verband nicht. Die Potenziale dieses Marktes sollten im Interesse der Verbraucher erschlossen werden. Das so entstehende Konkurrenzverhältnis von Bahn und Fernbus sei für beide Seiten produktiv. Bahn und Bus hätten unterschiedliche Stärken und wendeten sich daher an unterschiedliche Kundengruppen: Die Bahn biete mehr Komfort und gute Arbeitsmöglichkeiten während der Fahrt und sie sei meist schneller - aber sie habe ihren Preis. Der Fernbus hingegen sei durch das Staurisiko in Pünktlichkeit und Reisegeschwindigkeit eingeschränkt, er sei aber deutlich preiswerter.

Dieter Gauf vom Internationalen Bustouristik Verband hielt die vorgesehene Erleichterung des Genehmigungsverfahrens für den Fernlinienverkehr aus sozialen, umweltpolitischen und wirtschaftlichen Gründen für sinnvoll und notwendig. Diese Öffnung dürfe jedoch keinesfalls mit einer Maut verknüpft werden.

Auch Jan Werner vom Verkehrsclub Deutschland begrüßte die vorgesehene Deregulierung des Fernbusverkehrs, da dadurch insbesondere aus dem Bereich des motorisierten Individualverkehrs neue Kundengruppen erschlossen würden. Er kritisierte in seiner Stellungnahme jedoch, dass im Regierungsentwurf "regulierende Vorgaben" fehlten. So sei es zum Beispiel möglich, dass der Bahnverkehr in maßvoller Weise geschützt werde.

Für Alexander Kirchner von Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft darf die beabsichtigte Liberalisierung des Linienfernbusverkehrs keine negativen Auswirkungen auf den Eisenbahnpersonenverkehr haben. Im Sinne der dringend gebotenen ökologischen Verkehrswende müsse sichergestellt werden, dass das flächendeckende Eisenbahnverkehrsangebot durch Zubringerleistungen im Fernbusbereich geschützt und nicht durch konkurrierende Leistungen gefährdet werde.


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7. Öffentliches Fachgespräch: Forschungsfinanzierung an Fachhochschulen muss ausgebaut werden

Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung

Berlin: (hib/TYH) Die Finanzierung ist eines der wesentlichen Probleme bei Forschungsvorhaben an Fachhochschulen (FHs). Da waren sich die Sachverständigen bei einem öffentlichen Fachgespräch des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung am Mittwochvormittag weitgehend einig. Kritik gab es unter anderem an der Bewilligungsquote bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und im Rahmen des staatlichen Programms FHprofUnt, mit dem Verbünde an Fachhochschulen mit Unternehmen gefördert werden sollen.

So forderte Professor Helmut Laberenz von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) auf, FHprofUnt auszubauen und Kürzungen zurückzunehmen. Er kritisierte, dass auch "hervorragende Projekte" teils nicht mehr bewilligt würden.

Obwohl Forschung eine der Kernaufgabe von FHs sei, fehle die Grundfinanzierung, betonte Professor Karim Khakzar von der Hochschule Fulda. Auch sei die Förderung der Forschung an FHs durch die DFG unzureichend - weniger als ein Prozent der von Fachhochschulen eingeworbenen Drittmitteln kämen von dort. Eine Öffnung der DFG-Förderpolitik sei daher ebenso geboten wie der Ausbau von Forschungsförderungsprogrammen durch das BMBF.

Die DFG fördere projekt- und nicht institutionenbezogen, stellte Professor Christine Windbichler von der DFG klar. Die Bewilligung richte sich nach der Qualität der Projekte und nach den zur Verfügung stehenden Mitteln. Da der Wettbewerb deutlich härter geworden sei, würden zum Teil auch sehr gute Projekte abgelehnt. Auch wenn die Bewilligungsquote bei 40 Prozent liege und damit mehr als die Hälfte aller Projekte unberücksichtigt blieben, sei die Quote im internationalen Vergleich "traumhaft", betonte Windbichler.

So lange Fachhochschulen kein Promotionsrecht hätten, so lange fehle jungen Wissenschaftlern der Anreiz, nach ihrem Studium an eine FH zu gehen, betonte Professor Nicolai Müller-Bromley vom Hochschullehrerbund. In der Folge gebe es zu wenig wissenschaftliche Mitarbeiter, was die Forschungstätigkeit an FHs ebenso erschwere wie die Lehrverpflichtung von 18 Semesterwochenstunden und fehlende Infrastrukturen.

Professor Erwin Schwab von der Fachhochschule Südwestfalen wies auf die Bedeutung von FHs und ihren Forschungstätigkeiten für die Region hin. So seien etwa Abschlussarbeiten stark mit Unternehmen vor Ort vernetzt. Er empfahl unter anderem kooperative Promotionen zwischen FHs und Universitäten sowie die Einführung von zeitlich begrenzten Forschungsprofessuren mit einer geringeren Lehrverpflichtung.

Das "Primat der Lehre" dürfe zwar nicht aufgegeben werden, sagte Professor Wolfgang Marquardt vom Wissenschaftsrat. Dennoch: Je gewichtiger der Anteil der FHs an den Hochschulen in Deutschland werde, desto wichtiger werde die "Debatte um eine angemessene Forschungsleistung".


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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 098 - 29. Februar 2012 - 13:20 Uhr
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. März 2012