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AUSSEN/1783: Erdogans Kehrtwende in der Kurdenpolitik - Machtausbau mit allen Mitteln


Pressemitteilung der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 28. Juli 2015

Erdogans Kehrtwende in der Kurdenpolitik: Machtausbau mit allen Mitteln


Zu den Meldungen, nach denen der türkische Präsident Erdogan den Friedenprozess mit den Kurden beendet hat, erklärt Claudia Roth MdB:

Die Aufkündigung des mühsam erarbeiteten Friedensprozesses durch Präsident Erdogan ist unverantwortlich und ein schwerer Rückschlag für die demokratische Türkei. Jetzt wird glasklar, dass es der Regierung in Ankara in erster Linie nicht darum geht den IS zu bekämpfen, sondern vor allem darum die Kurden zu schwächen. Erdogan verfolgt mit seinem Krieg jeder gegen jeden eine Kamikazestrategie, um bei Neuwahlen die er offensichtlich anstrebt, die verhasste HDP aus dem Parlament zu drängen. Der Mann der eigentlich Präsident aller Bürger in der Türkei ist, spaltet wo er einen sollte und verfolgt damit vor allem seine eigenen Allmachtsphantasien weiter.

Diese Kehrtwende in der Kurdenpolitik kann dramatische innenpolitische Folgen in der Türkei haben und sich auch auf Deutschland und andere Länder auswirken. Die Anschläge der PKK verurteilen wir aufs Schärfste. Doch die Antwort auf Gewalt kann nicht noch mehr Gewalt sein, sondern nur die Rückkehr zum Verhandlungstisch.

Mit viel Hoffnung verfolgten Türken, Kurden und Menschen überall auf der Welt den von Erdogan selber angestoßenen türkisch-kurdischen Friedensprozess. Jetzt drohen alle Träume von einem friedlichen Miteinander in der Türkei in Flammen aufzugehen. Der Eindruck drängt sich auf, dass Erdogan den Friedensprozess nur begonnen hat, um die Stimmen der Kurden zu bekommen. Da diese nun aber in einer demokratischen Wahl, wie viele andere Nichtkurden, die für eine offene, demokratisch und europäische Türkei eintreten, eine andere Partei gewählt haben, kehrt Erdogan zurück zu militärischer Gewalt und Polarisierung um seine egoistischen Ziele zu erreichen.

Durch den Einzug der links ausgerichteten Minderheitenpartei HDP ins türkische Parlament bei den Wahlen im Mai hat die AKP von Präsident Erdogan nicht nur ihre absolute Mehrheit verloren, sondern auch die angestrebte Zweidrittelmehrheit verpasst. Mit dieser sollte die Verfassung der Türkei zu einem Präsidialsystem umgebaut werden, das einzig und allein auf Erdogan zugeschnitten sein soll. Bei wahrscheinlichen Neuwahlen hofft Erdogan jetzt die HDP wieder aus dem Parlament drängen zu können, indem er die Kurden diskreditiert und kriminalisiert.

Deutschland und die NATO dürfen diese Strategie Erdogans auf keinen Fall mittragen. Wir erwarten heute beim NATO-Gipfel scharfe Kritik der Bündnispartner und politischen Druck auf die Türkei, damit diese endlich eine konstruktive Rolle bei den zahlreichen Konflikten der Region übernimmt.

Copyright Bundestagsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN

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Quelle:
Pressemitteilung vom 28. Juli 2015
Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Juli 2015

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