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AGRAR/114: Zum Deutschen Bauerntag - Bauernverband hat Nähe zu seinen Mitgliedern verloren


Pressemitteilung der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 25. Juni 2012

Nach 15 Jahren Sonnleitner-Präsidentschaft: DBV hat Nähe zu seinen Mitgliedern verloren



Zum diesjährigen Deutschen Bauerntag (26.-28.6.) erklärt Friedrich Ostendorff, Sprecher für Agrarpolitik:

In den vergangenen Jahrzehnten ist die bäuerliche Landwirtschaft, so wie sie die Menschen als Bild vor Augen haben, stark unter existentiellen Druck geraten. 25 Prozent der Betriebe in den 15 Jahren Sonnleitner mussten aufgeben, weil die Agrarindustrie mit ihrer Massenproduktion die Preise für Lebensmittel zerstört - auf Kosten von Mensch, Tier und Umwelt. Einige wenige wachsen gewaltig und halten zehntausende von Hühnchen, zigtausende Schweine und hunderte von Kühen entkoppelt von der Fläche.

Das Rollenverständnis des Bauernverbandes im Zuge dieser Entwicklung ist fatal: Man vertritt nicht die Interessen der Masse der Mitglieder, um ihre Existenzen zu sichern, sondern man fördert auf allen Ebenen die Interessen einzelner Agrarindustrieller. Das war zuletzt wieder in der Debatte um die Reform der gemeinsamen Agrarpolitik sichtbar: Der Bauernverband tritt auf die Bremse, wenn es um die gesellschaftliche Akzeptanz für Agrarzahlungen geht, nach dem Motto: Wer viel hat, dem soll auch weiterhin ohne jegliche Bedingungen viel gegeben werden.

Was das Eintreten für die bäuerliche Landwirtschaft angeht, begnügt man sich heute mit viel folkloristischem Anstrich. Bei Trachten und schönen, heilen Kulissen bleibt man konservativ - während man Werte, wie den Erhalt von bäuerlichen Existenzen oder den Schutz von Natur und Kulturlandschaften den Interessen der Agrarindustrie opfert. Absichern lässt sich der Bauernverband diesen Kurs bei der Industrie und den mit ihm besonders verbandelten C-Parteien. Diese Verbundenheit drückt sich deutlich beim diesjährigen Bauerntag aus, an dem wieder einmal hauptsächlich Politiker von CDU und CSU als Redner vorgesehen sind.

Weder der Gesellschaft noch den Bäuerinnen und Bauern ist mit diesen Verquickungen geholfen. Die Milchbäuerinnen und -bauern haben das bereits erkannt und sich vom Bauernverband durch die Gründung des Bundesverbandes deutscher Milchviehhalter (BDM) gelöst. Wenn der Bauernverband Preisabstürze wie bei der Milch als "Delle" verharmlost, beweist er, dass er keine Nähe hat zu seinen Mitgliedern und damit das Recht verwirkt hat, für sie zu sprechen. Vielleicht werden die Schweinehalter die nächsten sein, die sich organisatorisch vom Bauernverband lösen. Der zu wählende neue Bauernpräsident wird eine Kehrtwende vollziehen müssen, um der weiteren Ausfaserung des Verbandes entgegen zu wirken. Dazu muss er endlich in den Dialog mit der Gesellschaft treten. Die Landwirtschaft braucht Vertreter, die von der übrigen Gesellschaft verstanden werden. Die Menschen wollen den Weg der Agrarindustrialisierung mehrheitlich nicht. Sie wollen eine nachhaltige und ökologische Produktion von Lebensmitteln, die schonend mit den Ressourcen und den Tieren als Mitgeschöpfen umgeht. Nur eine Landwirtschaft, die sich konstruktiv in diese gesellschaftliche Debatte einbringt, hat Zukunft.

Copyright Bundestagsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN

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Quelle:
Pressemitteilung vom 25. Juni 2012, Nr. 0576/12
Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Juni 2012