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FORSCHUNG/605: Gerd Leuchs - Mehr Licht ins Licht! (MaxPlanckForschung)


MaxPlanckForschung - Das Wissenschaftsmagazin der Max-Planck-Gesellschaft 1/2009

Mehr Licht ins Licht!

Ein Porträt von Uta Deffke


Licht ist allgegenwärtig, aber nach wie vor nicht völlig verstanden. Das soll sich ändern: Gerd Leuchs baut als einer der Gründungsdirektoren das Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts auf - ein Forschungsgebiet, das noch zahlreiche neue Anwendungen verspricht.


Alles ist Licht im Gebäude 25 auf dem Siemens-Werksgelände in Erlangen. Die Sonne strahlt Besuchern gleich nach den ersten Treppenstufen von einem großen Foto entgegen, samt einem Farbspektrum ihres Lichts. An den Wänden im hellen Flur hängen bunte Bilder: abstrakte Kunstwerke in kräftigem Rot, Orange und Gelb - das richtige Ambiente für einen Licht-Forscher.

"Schöne Bilder, Formen, Figuren, Farben, und das alles verbunden durch die Physik, die dahintersteckt, das hat schon was", sagt Gerd Leuchs. "Und Licht ist ein Teil davon - für den Menschen an sich schon immer faszinierend und unverzichtbar für unser Leben." Viel mehr an Philosophischem ist dem Physiker zu seinem Element nicht zu entlocken. Er ist zwar ruhig und bedächtig, aber trotzdem mehr der Praktiker, der Macher. Mit Erfolg: Seit dem 1. Januar 2009 ist der 58-jährige Gerd Leuchs neben Philip St. John Russel einer von zwei Gründungsdirektoren des Max-Planck-Instituts für die Physik des Lichts, für ihn die Krönung seiner bisherigen wissenschaftlichen Laufbahn.

Wie ein König kommt er aber nicht daher, auch wenn er entscheidenden Anteil hatte an der Schaffung seines physikalischen Reichs. Sein Auftritt ist eher bescheiden und geprägt von Hochachtung vor der Leistung anderer Forscher. Davon zeugen auch die Porträts, die im Flur hängen: Sie zeigen Joseph von Fraunhofer, Max Planck - und Herbert Walther, den inzwischen verstorbenen Doktorvater und Mentor, der als Direktor des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik in Garching auch in den letzten Jahren noch ein wichtiger Berater für Leuchs war.

Auch ein buntes Poster findet sich da, auf dem die Mitarbeiter Fotos der Arbeitsgruppen um den Satz gruppiert haben: "Wir sind das Licht!" - aufgeschrieben in den vielen Sprachen, die am Institut gesprochen werden. "Wir in der Wissenschaft profitieren sehr von den unvoreingenommenen Ideen der jungen Leute", sagt Leuchs. "Und im Gegenzug wollen wir sie hier in Kontakt bringen mit modernsten physikalischen Methoden und mit Fragestellungen, die am Rande dessen sind, was man heute machen kann, damit sie dann hoffentlich gerüstet sind für ihre zukünftigen Aufgaben."


Teenager-Jahre In Teheran

Die Optik ist dafür eine ideale Spielwiese. Mit Licht lassen sich die oft schwer begreifbaren Phänomene der Quantenphysik veranschaulichen und nachmessen, etwa wie ein einzelnes Atom ein Lichtteilchen aussendet. Um Licht gezielt nutzen zu können, müssen die Forscher es formen, im zeitlichen Verlauf, in seiner Farbe beziehungsweise Frequenz oder in der Polarisation, der Schwingungsebene der Lichtwelle. Hierfür wird es durch zahlreiche optische Elemente geschickt, die zum Teil neu entwickelt werden - speziell beschichtete Spiegel zum Beispiel oder ganz neue Materialien wie photonische Kristalle. Für technische Anwendungen besonders interessant ist die Übertragung von Information mittels Licht - ganz klassisch via Glasfaserkabel oder besonders sicher mittels Quantenkryptografie verschlüsselt. An all dem und einigem mehr forscht Gerd Leuchs mit seinen Kollegen am neuen Max-Planck-Institut.

Der Weg dahin beginnt in Wuppertal, was auch nach Jahrzehnten im süddeutschen Raum noch seine Sprache verrät. Die Familie zieht viel um. Zunächst im Rheinland, schließlich nimmt sie der im Pflanzenschutz tätige Vater mit nach Teheran. Hier, im vielleicht allzuschnell sich reformierenden Persien des Schahs, verbringt Gerd Leuchs seine frühen Teenagerjahre, und auf der international geprägten Deutschen Schule die längste zusammenhängende Schulzeit seines Lebens.

Der Alltag findet abseits des städtischen Lebens statt: Ein Schulbus sammelt die Kinder in ihrem Wohnareal und bringt sie wieder zurück auf das große Gelände des Forschungsinstituts, wo der Vater arbeitet. Der nimmt ihn auch mal mit auf den Basar und zeigt ihm, wie man richtig feilscht. Ausflüge der abgehobenen Art bietet ein neues Hobby: Sein Physiklehrer begeistert ihn und einige Freunde fürs Segelfliegen. Gerd Leuchs lernt auch Persisch, aber kaum genug, um intensive Kontakte zu Einheimischen zu knüpfen. Dennoch macht sich leise Wehmut breit, als die Familie 1967 nach fünf Jahren nach Europa zurückkehrt. In einer der letzten Nächte im Spätherbst, auf einer warmen Mauer sitzend, tröstet Leuchs der Gedanke, dass wenigstens der Mond auch von Deutschland aus zu sehen ist.

Erinnerungen sind noch geblieben an die Zeit, an Sommerurlaube am Kaspischen Meer, an die kulturellen Höhepunkte des Landes. "Damals war es noch eher ein gemütliches Land", meint Leuchs. Heute hat er keine Kontakte mehr nach Persien. Schon bei einem letzten Besuch zehn Jahre später hatte sich das Land sehr verändert, zum Negativen, wie er findet. "Es gab mehr Geld, aber auch mehr Angst", sagt Leuchs. Es war ungemütlicher geworden. Damals stand die Revolution vor der Tür.

"Wenn ich heute irgendwo im Taxi sitze und das Namensschild des Fahrers lese, denke ich: Mensch, das hört sich doch Persisch an. Ich frage nach und vielleicht ergibt sich ein Gespräch", erzählt Leuchs. Seit drei Monaten arbeitet auch eine iranische Doktorandin in seiner Gruppe. "Sie hat sich hier per E-Mail mit Bild ohne Kopftuch beworben und war zuvor noch nie im westlichen Ausland", sagt Leuchs. "Das spricht schon für Unternehmungsgeist."

Den besaß und besitzt auch er selbst. Zunächst verfolgt der Physiker in weiten Teilen eine klassische Karriere: Studium in Köln, Doktorarbeit über Atomphysik und Habilitation an der LMU in München. Es folgen zweieinhalb Jahre Forschungsaufenthalte in Colorado, USA, als Feodor-Lynen- und Heisenberg-Stipendiat. Dann wird er Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching.

Wie der Strahl eines Lasers zieht sich das Licht als roter Faden durch sein Forscherleben. Schon als Student faszinierte ihn diese Lichtquelle, die deshalb so besonderes - kohärentes - Licht liefert, weil viele Atome zum lawinenartigen Abstrahlen im kollektiven Gleichtakt angeregt werden. Wer selbst einen Laser baut, erlebt das als ganz besonderen Moment: "Diesen Phasenübergang kann man direkt spüren", berichtet Leuchs beinahe ehrfürchtig. Von den ersten Farbstofflasern, die in den Siebzigerjahren gerade aufkamen, schwärmt er heute noch: "Sehr schönes oranges, grünes, blaues Licht ist das."

Als äußerst präzise Messsonde in einem Interferometer etwa ist Laserlicht auch sehr nützlich. Die beiden Wellenzüge eines geteilten Lichtstrahls durchlaufen unterschiedliche Wege und werden wieder überlagert. Dabei verstärken sich die Wellenberge und -täler beider Strahlen ganz oder teilweise oder löschen sich aus. Abhängig von winzigen Unterschieden in der Wegstrecke entsteht ein charakteristisches Wellenmuster.

Am Max-Planck-Institut in Garching nutzte Leuchs diese Effekte auf der Jagd nach Gravitationswellen. Diese von Albert Einstein in seiner Allgemeinen Relativitätstheorie vorhergesagten Schwankungen in der Raum-Zeit, quasi eine Stauchung und Streckung des Raumes, wurden bis heute nur indirekt experimentell nachgewiesen. Die Idee des direkten Nachweises: Die von den Gravitationswellen erzeugte Weglängenänderung von Bruchteilen eines milliardstel Nanometers soll ein Interferometer detektieren. Heute widmet sich ein eigenes Max-Planck-Institut in seinen beiden Teilen in Potsdam und Hannover den Fragen der Gravitationsphysik.


Interessante Erfahrungen in einem Unternehmen

Gerd Leuchs wandte sich unterdessen neuen Aufgaben zu. "Wie das manchmal so ist im Leben, hatte ich ein Angebot und bin als Technischer Direktor zu einer kleinen neu gegründeten Firma für optische Instrumente in die Schweiz gegangen", erzählt der Physiker. Das erste Projekt: ein bedienerfreundliches Laserinterferometer für industrielle Anwendungen - etwa zum Vermessen von Werkzeugmaschinen.

Was ihn an einem Job in der Wirtschaft besonders gereizt hat? Das Geld, könnte man sagen. Und zwar das, das andere bereit sind, für die eigenen Entwicklungen auszugeben. An den ersten Messebesuch der Firma in Zürich erinnert sich Gerd Leuchs noch lebhaft: "Wir hatten mehrere Interferometer aufgebaut und mächtig Zulauf von Leuten, die gehört hatten, dass wir tolle Sachen machen." In einer Firma laufe es anders als in der Wissenschaft: Wer ausgezeichnete Forschung macht, wird hoffentlich zu Vorträgen eingeladen, bekommt Laborbesuch von Kollegen und vielleicht noch einen Preis. Aber in einem Unternehmen nutzt diese Ehre noch gar nichts. "Da ist man erst erfolgreich, wenn andere Leute bereit sind, Geld für ein Gerät auszugeben", sagt Leuchs. "Und diese Erfahrung ist auch interessant."

Offenbar aber nicht interessant genug. Zwei Rückrufen aus der Wissenschaft widerstand der Physiker, beim dritten wurde er schwach. Der Ruf kam aus Erlangen an den Lehrstuhl für Optik. Leuchs hat sich die Entscheidung nicht leicht gemacht und das natürlich mit Frau, Sohn und Tochter besprochen. Letztlich haben sie gemeinsam beschlossen, nach fünf Jahren zurück nach Deutschland zu gehen.

Seit 1994 forscht Gerd Leuchs nun in Erlangen. Hier etablierte er in der Optik neue Projekte aus dem Bereich der Quanteninformation. Dieses Gebiet umfasst Themen wie den Quantencomputer oder die Quantenkryptografie. Bei Letzterer nutzen die Forscher Quanteneigenschaften des Lichts, um Daten abhörsicher zu verschlüsseln und zu übertragen. Hier entwickeln die Erlanger Forscher beispielsweise Techniken, um dem Licht die Information aufzuprägen und sie geeignet zu empfangen und auszulesen.

Unter anderem arbeiten sie an der abhörsicheren Datenübertragung mit kontinuierlichen Laserstrahlen. Damit der Empfänger aus dem registrierten Signal auf die gesendete Nachricht schließen kann, muss er auch wissen, welche Änderungen das Signal auf seinem Weg erfahren hat. Denn die Quanteninformation ist sehr empfindlich gegenüber Umwelteinflüssen. Auf dem Dach des Instituts bauten die Physiker eine 100 Meter lange Freiluft-Teststrecke auf, um die Einwirkung atmosphärischer Störungen zu untersuchen. "Es kommt darauf an, die Apparate so zu konstruieren, dass sie mit solchen Störungen zurechtkommen", sagt Leuchs.

Zusätzlich fuhr Leuchs die in Erlangen bestens etablierte Schiene der klassischen angewandten Optik weiter. Hierbei konnte er auf hervorragende Mitarbeiter noch aus Zeiten seines Vorgängers setzen, unter anderem Gerd Häusler und Johannes Schwider. Besonders bewegt hat ihn der Lebenslauf von Johannes Schwider, der drei Jahre vor der Wende aus der DDR geflohen war. "Vieles, was er mir erzählt hat, habe ich in dem Film Das Leben der Anderen wiedererkannt", sagt Leuchs und ist sicher: "Jemand mit seinem wissenschaftlichen Profil hätte unter normalen Umständen einen eigenen Lehrstuhl."

Irgendwann wurde ihm klar, dass eine Menge Know-how verloren geht, wenn Schwider und Häusler in Pension gehen: "Leute mit dieser Qualifikation hätte ich bei den damaligen Strukturen nie wieder bekommen." Und so entstand die Idee von etwas Größerem, das der hervorragenden optischen Forschung in Erlangen mehr als einen Lehrstuhl ermöglichen und auch langfristig eine optimale Perspektive bieten sollte. Auf Anraten seines früheren Chefs Herbert Walther gründete Leuchs zunächst ein Zentrum für moderne Optik und wandte sich dann an die Max-Planck-Gesellschaft. Diese hatte sich in den ersten zehn Jahren nach der Wende mit neuen Projekten ausschließlich in Ostdeutschland engagiert und war gerade wieder offen für solche Ideen.

Dann kam der 5. Dezember 2000, an den sich Gerd Leuchs noch genau erinnert. Der damalige Vize-Präsident der Max-Planck-Gesellschaft Gerhard Wegner kam zur Begutachtung. "Dank Schwider und Häusler und natürlich aller anderen Mitarbeiter konnten wir ein breites wissenschaftliches Spektrum präsentieren, das den Besucher wohl beeindruckt hat", erzählt Leuchs. Der wollte erst "nur" eine Nachwuchsgruppe bewilligen - das hätte er sofort persönlich unterschreiben können. Aber Leuchs gab ihm zu verstehen, dass das für seinen Zukunftsplan der Erlanger Optik zu wenig war. Auch wenn er sich damit auf ein langwieriges Verfahren mit unsicherem Ausgang einließ. Als sich der Vize-Präsident verabschiedete, drehte er sich in der Tür noch einmal um und sagte: "Herr Leuchs, ich an Ihrer Stelle würde auch nach den Sternen greifen."


Grosse Unterstützung durch die Universität

Was dann kam, war harte Überzeugungsarbeit: mit viel Papier und engagierten Vorträgen die eigenen Vorstellungen präsentieren und Kommissionen beeindrucken. "Ob ich es gemacht hätte, wenn mir klar gewesen wäre, was und wie viel Arbeit das bedeutet, weiß ich nicht", resümiert der Forscher, der nun noch mehr administrative und organisatorische Aufgaben bekam. Nicht selten musste die Familie auf ihn verzichten: "Manchmal habe ich meine Frau angerufen, dann kam etwas dazwischen, und am Ende hatte ich ganz vergessen, dass sie ja auch noch in der Leitung war", erzählt er schuldbewusst.

Doch der Einsatz aller und auch die große Unterstützung durch die Fakultät und die Hochschulleitung der Erlanger Universität haben sich gelohnt: Erst entstand 2004 die Max-Planck-Forschungsgruppe für Optik, Information und Photonik, und seit dem 1. Januar 2009 gibt es nun das Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts mit künftig vier Abteilungen und etwa 300 Mitarbeitern.

Physik des Lichts - das klingt sehr grundlegend. Und in der Tat gibt Licht noch viele Rätsel auf. Selbst Dinge, die als verstanden galten und schon längst als Stoff in Lehrbüchern stehen, bergen manchmal noch Überraschendes. Zum Beispiel das Fokussieren eines Laserstrahls. Wie gut sich Licht bündeln, das heißt in einem Fokus konzentrieren lässt, beeinflusst die Präzision von Messungen und Lithografieverfahren ebenso wie die Datendichte auf optischen Speichermedien. Eigentlich war seit den Ausführungen des Physikers Ernst Abbe vor über 100 Jahren klar, dass die Ausdehnung des Fokus durch die Wellenlänge des Lichtes begrenzt ist.


Warum Licht nicht auf ein Atom fokussieren?

"Doch wenn man mal ganz unbedarft an Dinge herangeht, denkt man manchmal Sachen, die jemand, der sich auskennt, nie denken würde", sagt Leuchs. In seiner Gruppe habe man sich einfach mal die Frage gestellt, was eigentlich den Fokus begrenzt. "Wahrscheinlich viel öfter als man denkt, ist eine solche unvoreingenommene Herangehensweise der Motor des Fortschritts", meint Leuchs. "Und deswegen arbeiten meine Kollegen und ich auch so gerne mit Studenten zusammen, denn die haben oft noch eine unverschulte Sicht."

In diesem Fall zeigte ein genauer Blick in die Natur: Licht wird eigentlich von Atomen ausgesandt und muss deswegen zumindest einmal auf den Raum konzentriert gewesen sein, den ein Atom einnimmt. Und dessen Durchmesser ist etwa 10 000 Mal kleiner als die Wellenlänge von Licht. Warum sollte es nicht umgekehrt wieder auf einen solch kleinen Raum fokussierbar sein?

Und da wurde es plötzlich spannend. Die Forscher analysierten genau, welche Eigenschaften das von einem Atom ausgesandte Licht in Raum, Zeit und Polarisation hat. Und sie kamen darauf, dass ein kurzer Lichtstrahl mit einem Profil wie ein dicker Fahrradreifen, der quasi in Speichenrichtung polarisiert ist, auf das Atom zurückfokussiert wieder ganz von ihm absorbiert werden müsste und damit auch auf dessen Größe gebündelt wäre.

Etwas anders ist die Situation allerdings, wenn man dasselbe Lichtpaket zwar fokussiert, das Atom aber weglässt. Dann lässt sich nicht mehr so einfach mit der Umkehrbarkeit des Prozesses argumentieren. Die Berechnungen ergaben, dass der Spot aber auch in diesem Fall noch dreimal kleiner ist, als man es bisher unter Verwendung von einfach polarisiertem Licht erreicht hatte. Und zwei Jahre später gelang den Erlanger Forschern dann im Experiment ein neuer Fokus-Weltrekord. "Für Anwendungen etwa in der Datenspeicherung ist auch das schon ein erheblicher Fortschritt", meint Leuchs, und ein wenig Stolz schwingt dabei mit.

Bleibt bei all der Fokussierung auf das Licht eigentlich noch Zeit für private Interessen? Das Segelfliegen gab Gerd Leuchs schon vor zwanzig Jahren auf. Manchmal lässt er sich noch von Freunden mitnehmen. Doch sein eigentliches Hobby ist sehr bodenständig: ein altes, renovierungsbedürftiges Haus an der Mosel, wo seine Frau herkommt. Die unsteten Jahre der Kindheit und die viele dienstliche Reiserei haben da wohl ihre Spuren hinterlassen. "Seit zwanzig Jahren renovieren wir", sagt er. An Wochenenden, in den Ferien, wie es gerade passt. So ein Haus ist ja glücklicherweise geduldig.

Und noch wird es nicht als Wohnsitz gebraucht. Denn Gerd Leuchs hat in Erlangen noch einiges vor. "Mit den finanziellen Mitteln, die uns jetzt zur Verfügung stehen, haben wir tatsächlich das Experiment begonnen, bei dem ein einzelnes Photon von einem Atom eingefangen werden soll", sagt Leuchs. Die Idee: Im Brennpunkt eines sehr tiefen perfekten Parabolspiegels sitzt das einzelne Atom. Darauf fokussiert der Spiegel ein Wellenpaket, das wie ein spontan von einem Atom ausgesendetes Lichtteilchen präpariert ist.

Das klingt einfacher, als es ist: Unter anderem verlangt dieses Experiment einen perfekten Parabolspiegel, der über das konkrete Projekt hinaus Anwendung finden dürfte. Und allein für die Technik, ein einzelnes Atom zu präparieren und so festzuhalten, dass ein Lichtteilchen von allen Seiten freien Zugang besitzt, hat ein Student ein Jahr lang in den USA gelernt.

Gerd Leuchs selbst ist auch gerade aus dem Ausland zurück. In Paris hat er ein mehrfach verschobenes Forschungssemester verbracht. Auf Einladung des Centre National de Recherche Scientifique (CNRS) arbeitete er drei Monate als directeur de recherche an der Université Pierre et Marie Curie im Herzen der Stadt. Mit den Kollegen dort hat er neue Experimente zu zwei ganz unterschiedlichen Themen geplant: zu Quantenkorrelationen in speziellen Lichtfeldern und zur optischen Charakterisierung einzelner Nanokristalle. "Die Atmosphäre war sehr stimulierend", findet Leuchs. Und sie brachte auch neue Ideen und Kooperationen für den perfekten Parabolspiegel.

Unterdessen gehen auch die Aktivitäten über den Dächern des Siemens-Geländes weiter. Die Datenübertragungsstrecke wollen die Forscher bald auf zwei Kilometer erweitern. Der Standort des Instituts auf dem Werksgelände ist übrigens Zufall: Dort gab es bei Gründung der Max-Planck-Forschungsgruppe die benötigten Räume zur Miete. Künftig soll allerdings ein Neubau das Max-Planck-Institut beherbergen, in größerer Nähe zur Universität. Ein weiteres Hausprojekt steht also an, aber auch damit kennt sich Gerd Leuchs ja inzwischen aus.


Glossar

Polarisation
Schwingungsrichtung der Lichtwellen.

Photonischer Kristall
Material, das in der Größenordnung der Lichtwellenlänge geordnete Strukturen aufweist; damit kann die Ausbreitung von Licht fast beliebig gesteuert werden.

Quanteninformation
nutzt Quanteneigenschaften etwa des Lichts, um Informationen besonders effizient zu verarbeiten und verschlüsseln.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Bildunterschrift 1:
Laserrad im Fokus: Gerd Leuchs und seine Mitarbeiter polarisieren Laserlicht radial, so dass es bildlich gesprochen nur noch entlang der Speichen eines Rades schwingt. Dieses Licht lässt sich besonders scharf fokussieren.

Bildunterschrift 2:
Was aus einem Atom rauskommt, muss auch wieder reinpassen. Das radial polarisierte Licht möchten die Erlanger Forscher mit einem Parabolspiegel auf ein Atom fokussieren.

Bildunterschrift 3:
Durch einen Parcours aus Spiegeln, Linsen und anderen Instrumenten schickt Gerd Leuchs einen Laserstrahl, um das Licht für die besonders scharfe Fokussierung oder andere optische Kunststückchen zu präparieren.

Bildunterschrift 4:
Achtung, Licht: Wenn die Erlanger Forscher ins Laserlabor treten, ist Vorsicht angebracht, denn der intensive Lichtstrahl kann Verletzungen verursachen.

Bildunterschrift 5:
Design mit Optik: Glaskugeln wirken wie Linsen und erzeugen ein seitenverkehrtes Bild von Leuchs an seinem Schreibtisch.

Bildunterschrift 6:
Laser auf dem Dach: Mit einer Laseranlage auf dem Institutsgebäude untersuchen die Physiker, wie ein Lichtsignal auf dem Weg durch die Atmosphäre gestört wird.


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Quelle:
MaxPlanckForschung - Das Wissenschaftmagazin der Max-Planck-Gesellschaft
Ausgabe 1/2009, Seite 54 - 59
Herausgeber: Referat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der
Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.
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Der Bezug des Wissenschaftsmagazins ist kostenlos.


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Juni 2009