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ASTRO/114: Astrophysik mit Neutrinos - Teil 1 (SuW)


Sterne und Weltraum 2/10 - Februar 2010
Zeitschrift für Astronomie

Astrophysik mit Neutrinos
Teil 1: Rätselhafte Neutrinos von der Sonne

Von Lothar Oberauer und Michael Wurm


Neutrinos sind schwer zu fassende Teilchen. Aber gerade deshalb finden sie einen Weg direkt aus dem Innersten der Sonne und der Sterne bis in die riesigen Detektoren, mit denen sie sich heute in unterirdischen Labors nachweisen lassen. Und die Astronomen lernen daraus Dinge, die ihnen sonst für immer verborgen blieben.


In Kürze
Ein gewaltiger Strom von Neutrinos erreicht uns direkt aus dem Innersten der Sonne. Er beweist, dass dort ihre abgestrahlte Energie auch gegenwärtig durch Fusionsreaktionen freigesetzt wird.
Die heutigen Neutrino-Detektoren sind sogar richtungsempfindlich. Mit dem Strom der solaren Neutrinos lässt sich die Sonne wie mit Licht in einer Kamera direkt abbilden.
Das Rätsel der solaren Neutrinos, die für lange Zeit bestehende Diskrepanz zwischen dem gemessenen und dem aus Modellen der Fusionsreaktionen berechneten Fluss ist inzwischen erklärt. Die Lösung liegt in einer merkwürdigen intrinsischen Eigenschaft der Neutrinos, um die es im zweiten Teil dieses Beitrags gehen wird.

Ohne Licht und Wärme von der Sonne wäre das Leben auf der Erde undenkbar. Woher kommt aber die ungeheure Energiemenge, die unser Zentralgestirn abstrahlt? Was ist ihr Ursprung? Diese Frage hat die Menschheit von jeher, auch abseits der Naturwissenschaften, beschäftigt. Hier werden wir dieser Frage nachgehen und dabei erkennen, dass in den letzten beiden Jahrhunderten alle Erklärungsversuche von neuen, überraschenden physikalischen Erkenntnissen begleitet wurden. Erst seit wenigen Jahren können wir behaupten, die im Herzen der Sonne wirksamen Mechanismen wirklich zu verstehen.


Die Energie der Sonne

Mitte des 19. Jahrhunderts formulierte der Naturforscher Julius Robert Mayer, von dem der Satz der Erhaltung der Energie stammt, eine erste naturwissenschaftliche These zur Energieerzeugung in der Sonne. Sie wurde als Meteoritentheorie bekannt und postulierte, dass die Sonne durch einen stetigen Beschuss von Meteoriten aufgeheizt wird. Da sich dadurch aber die Masse der Sonne kontinuierlich vergrößern würde, müssten mit der Zeit die Keplerbahnen der Planeten deutlich schrumpfen - ein Effekt, dessen Nichtbeobachtung auch gleich das Ende der Meteoritentheorie bedeutete.

Als Nächstes kam die Kontraktionshypothese auf. Sie erklärte die Energieerzeugung in der Sonne durch eine Umwandlung von Gravitationsenergie in Licht und Wärme: Falls die Sonne sich langsam zusammenzieht (kontrahiert), wird Gravitationsenergie frei, welche die Sonne erhitzt und von ihr als Strahlung abgegeben wird. Diese Hypothese ging schon auf Isaac Newton zurück und wurde später von Hermann von Helmholtz und Lord Kelvin wieder aufgegriffen. Deren Berechnungen ergaben, dass die Sonne mit diesem Mechanismus ihre heutige Leistung etwa 25 Millionen Jahre lang aufrechterhalten könnte.

Diese so genannte Helmholtz-Kelvin-Zeitskala galt im auslaufenden 19. Jahrhundert als die beste Abschätzung für das Alter der Sonne und des Sonnensystems. Allerdings gab es damals bereits erste Anzeichen dafür, dass die Erde in Wahrheit viel älter ist. Charles Darwin wies in seiner berühmten Arbeit über die Evolution der Arten darauf hin, dass diese Evolution einige hundert Millionen Jahre in Anspruch nimmt. Geologische und paläontologische Untersuchungen überraschten mit dem Ergebnis, dass das Mindestalter der Erde sogar eine Milliarde Jahre betragen sollte - ein Ergebnis, das später mit der Datierungsmethode mit Hilfe des radioaktiven Urans bestätigt wurde. Spätestens dann wurde klar: Auch die lange Zeit für gültig gehaltene Kontraktionshypothese musste verworfen werden.

Es ist in diesem Zusammenhang bemerkenswert, dass bei dem Gravitationskollaps eines massereichen Sterns, der in einer Supernova-Explosion endet, fast seine gesamte Gravitationsenergie auf einen Schlag freigesetzt wird. Dabei fällt der Eisen-Nickel-Kern des Sterns auf eine Kugel mit einem Radius von ungefähr zehn Kilometern zusammen. Der gewaltige Energieausbruch der Supernova wird also genau durch den Effekt genährt, den Helmholtz und Kelvin als langsamen, kontinuierlichen Prozess zur Erklärung der Leuchtkraft der Sonne vorgeschlagen hatten.


Die Energiequellen der Sonne

Die von der Sonne abgestrahlte Energie wird durch Fusion von Wasserstoffkernen (Protonen) zu Helium-4-Kernen gewonnen. Dies geschieht hauptsächlich über die pp-Kette. Dabei ist der grundlegende Prozess pp-I die Verschmelzung zweier Protonen zu einem Deuteron (einem schweren Wasserstoff-Kern, bestehend aus einem Proton und einem Neutron), bei der neben einem Positron auch ein Neutrino freigesetzt wird. Im Folgeschritt entsteht aus der Anlagerung eines weiteren Protons ein Helium-3-Kern. Zwei Helium-3-Kerne verschmelzen daraufhin zu einem Helium-4-Kern, zwei Protonen bleiben übrig und stehen für weitere Fusionsprozesse zur Verfügung. Bei der Bildung eines Helium-4-Kerns werden also zwei Protonen zu Neutronen umgewandelt, und dabei auch zwei Neutrinos freigesetzt, die nach ihrer Entstehungsreaktion als pp-Neutrinos bezeichnet werden.

Neben dieser grundlegenden und am häufigsten ablaufenden pp-I-Kette der Fusion lässt sich Helium-4 auch durch die Anlagerung eines Helium-3-Kerns an einen schon vorhandenen Helium-4-Kern erreichen: Durch Einfang eines weiteren Protons wird sowohl im Nebenzweig pp-II über die Zwischenstation Beryllium-7 als auch im Nebenzweig pp-III über einen Bor-8-Kern ein instabiler Beryllium-8-Kern erzeugt, der sofort in zwei Helium-4-Kerne zerfällt. In beiden Fällen werden wiederum Neutrinos abgestrahlt, die als Beryllium-7- beziehungsweise Bor-8-Neutrinos bekannt sind. Bei den entsprechenden Reaktionen wird jedoch mehr Kernbindungsenergie frei, so dass die erzeugten Neutrinos im Mittel energiereicher sind als die pp-Neutrinos.

Während ein Großteil der Helium-4-Produktion der Sonne über die direkte Verschmelzung von Protonen in der pp-Kette erfolgt, beschreibt der CNO-Zyklus einen alternativen Prozess: Dieser verläuft über die in der Sonne in geringen Mengen auftretenden Elemente Kohlenstoff (C), Stickstoff (N) und Sauerstoff (O), nach denen der Reaktionskreislauf benannt ist. Die Produktion von Helium-4 basiert hier auf der nach und nach erfolgenden Anlagerung von Protonen an einem Kohlenstoff-12-Kern. Am Ende eines durchlaufenen Zyklus entsteht so ein angeregter Sauerstoff-16-Kern, der in einen Kohlenstoff-12- und einen Helium-4-Kern zerfällt. Da auch in diesem Kreislauf zwei Protonen innerhalb des Kerns zu Neutronen umgewandelt werden, ergeben sich pro entstandenem Helium-4-Kern ebenfalls zwei freigesetzte Neutrinos: Dies geschieht beim Beta-Zerfall von Stickstoff-13 und Sauerstoff-15. Die Energie dieser Neutrinos ist im Durchschnitt höher als die der Beryllium-7-, aber niedriger als die der Bor-8-Neutrinos.

Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Die pp-Kette
Der CNO-Zyklus


Die Entdeckung der Radioaktivität bedeutete aber auch einen entscheidenden Durchbruch im Verständnis der Energieerzeugung im Innern der Sonne selbst. Rasch wurde deutlich, dass auf diesem Wege bei einzelnen Prozessen große Energiemengen zu gewinnen sind. Es wurde die Möglichkeit der Umwandlung chemischer Elemente in nuklearen Reaktionen entdeckt. Schließlich entwickelte Francis William Aston im Jahr 1918 den Massenspektrografen und konnte mit diesem Instrument nachweisen, dass die Masse des Heliumkerns 4He ein wenig geringer ist als die Summe der Massen von vier Wasserstoffkernen 1H. In Verbindung mit der einsteinschen Formel E = mc² bedeutet dies aber, dass in der Verschmelzung (Fusion) von vier Wasserstoffkernen zu einem Heliumkern im Inneren der Sonne ein gewaltiges Energiepotenzial steckt. Helium und Wasserstoff sind in der Sonne reichlich vorhanden. Dies wusste man schon lange durch die Beobachtung der Fraunhoferlinien im optischen Spektrum der Sonne. Der englische Astrophysiker Arthur S. Eddington formulierte daraufhin im Jahre 1920 die These, dass die Fusion von Wasserstoff zu schwereren Elementen die Quelle für die Sonnenenergie sein könnte.

Die Details dieser Fusionsprozesse blieben noch für lange Zeit unbekannt. Obwohl im hydrostatischen Gleichgewicht die Temperatur im Zentrum der Sonne unvorstellbare 15 Millionen Grad beträgt, ist die dort verfügbare thermische Energie noch um einige Größenordnungen geringer als die kinetische Energie, die benötigt wird, um zwei (positiv geladene) Wasserstoffkerne miteinander in Kontakt zu bringen. Das bedeutet: Nach den Gesetzen der klassischen Physik kann Wasserstoff in der Sonne gar nicht verschmelzen!

Aber nach den quantenmechanischen Gesetzen ist dies mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit doch möglich. Wie der russische Physiker Georgi Antonowitsch Gamow im Jahr 1928 zeigte, können die Teilchen solche Energiebarrieren gewissermaßen durchtunneln. Er war es auch, der als erster die dafür maßgeblichen Wahrscheinlichkeiten berechnete, und schließlich schlugen Hans A. Bethe, Carl-Friedrich von Weizsäcker und Charles Critchfield in den Jahren 1937 bis 1939 zwei Zyklen zur Verschmelzung von Wasserstoff zu Helium vor: den direkten Weg über die so genannte Proton-Proton- oder pp-Kette, und den CNO-Zyklus, bei dem Kohlenstoff-, Stickstoff- und Sauerstoffkerne als Katalysatoren wirken (siehe oben den Kasten »Die Energiequellen der Sonne«). Bei beiden Reaktionsketten werden über mehrere Zwischenschritte schließlich vier Protonen zu einem Heliumkern verschmolzen. Die dabei gewonnene Energie wird entweder in Form von Gammastrahlung oder als kinetische Bewegungsenergie der entstehenden Teilchen freigesetzt und über Strahlung, und zuletzt über Konvektion, an die Oberfläche der Sonne transportiert und abgestrahlt - ein Prozess, der mehrere hunderttausend Jahre benötigt.

Bei einigen dieser Fusionsreaktionen werden auch Neutrinos freigesetzt. Das Neutrino wurde 1930 von Wolfgang Pauli (1900-1958) in einer verzweifelten Aktion zur Rettung des beim Betazerfall anscheinend verletzten Energiesatzes postuliert. Es ist elektrisch neutral und reagiert mit Materie nur äußerst selten. Pauli selbst war sehr skeptisch, ob es jemals gelingen würde, das Neutrino experimentell nachzuweisen, aber er konnte seinen Triumph noch erleben: Frederick Reines und Clyde L. Cowan schafften es 1956, am Kernreaktor in Savannah River, Neutrinos, die bei den zahlreichen Betazerfällen der Spaltprodukte von Uran und Plutoniumisotopen im Reaktor entstanden, eindeutig nachzuweisen. Reines erhielt für diese Entdeckung 1995 den Nobelpreis für Physik.


Der Nachweis der solaren Neutrinos

Wenn nun Fusionsprozesse in der Sonne tatsächlich die Quellen der solaren Energie sind, wäre es dann nicht möglich, die dabei emittierten Neutrinos direkt nachzuweisen? Dies wäre zum einen der endgültige Beweis für die Fusionstheorie, und zum anderen könnte man mehr über die komplizierten Fusionsprozesse lernen. Wie anders sollte es möglich sein, sozusagen in das Innerste der Sonne zu schauen?

Neutrinos durchdringen die Schichten der Sonne ohne Mühe. Nach etwa zwei Sekunden haben sie die Sonne verlassen und nach weiteren 499 Sekunden erreichen sie die Erde. Sie sind also Botschafter aus dem Herzen der Sonne, die uns über die gegenwärtig ablaufenden thermonuklearen Fusionsreaktionen informieren. Dies war der Gedanke von Raymond Davis, dem es mit seinem Pionierexperiment in der Homestake-Goldmine bei Lead (South Dakota, USA) in den 1970er Jahren tatsächlich als Erstem gelang, solare Neutrinos nachzuweisen.


Radiochemische Neutrinoexperimente

Bei der Fusion von vier Wasserstoffkernen zu einem Heliumkern werden zwei Neutrinos emittiert. Dabei wird eine thermische Energie von 26,14 MeV (Megaelektronvolt) in Form von Strahlung erzeugt. Diese Energie wird im Sonneninnern zuerst über Strahlungstransport und dann weiter außen über konvektive Prozesse an die Sonnenoberfläche transportiert und von dort als elektromagnetische Strahlung in das Weltall abgestrahlt. Auf der Erde messen wir einen solaren Energiefluss von etwa 8,5 x 1011 MeV cm-2 s-1, woraus sich sofort ein zu erwartender Fluss solarer Neutrinos von etwa 6,5 x 1010 cm-2 s-1 ergibt. Pro Sekunde sollten also fast hundert Milliarden Neutrinos durch einen Quadratzentimeter Fläche fliegen - und dies immerzu, Tag und Nacht - jedenfalls so lange, wie das nukleare Feuer im Herzen unserer Sonne brennt.

Kann man diese Neutrinos nachweisen? Die winzig kleine Reaktionswahrscheinlichkeit von Neutrinos mit Materie lässt sie zwar praktisch ungehindert Sonne und Erde durchdringen, aber genau diese Eigenschaft macht ihren Nachweis auch so schwierig.

Raymond Davis vom US-amerikanischen Brookhaven National Laboratory hatte dazu folgende Idee: Gewisse Atomkerne können Neutrinos einfangen und sich dabei umwandeln. Ein Beispiel ist folgende Reaktion an Chlorisotopen der Massenzahl 37: ve + 37Cl → e- + 37Ar. Durch den Einfang des Neutrinos ve wandelt sich das Chloratom mit der Massenzahl 37 in ein Argonatom mit gleicher Massenzahl. Das Neutrino ve nennen wir Elektronneutrino (daher der Index e), weil es bei der Reaktion ein Elektron e- mit negativer Einheitsladung erzeugt. Im Chlorisotop wird ein neutrales Neutron in ein Proton mit positiver Einheitsladung umgewandelt. Daher ist die Ladung bei der Reaktion insgesamt erhalten. Die in den Fusionsreaktionen der Sonne erzeugten Neutrinos sind alle von dem Typ ve. Wir werden aber später sehen, dass es in der Natur noch zwei weitere Arten gibt, die so genannten Myon- (vµ und die Tauon-Neutrinos (vτ).

Zurück zu obiger Reaktion. Argon atome verhalten sich chemisch ganz anders als Chloratome. Insbesondere sind sie als Edelgasatome sehr flüchtig. Davis und seine Mitarbeiter erstellten tief unter der Erde in der Homestake-Goldmine einen 380 Kubikmeter gro en Tank, der mit Tetrachlorethen C2Cl4 gefüllt wurde (siehe Bild auf Seite 34). Das entspricht einer Menge von 2,2 x 1030 Chlor-37-Kernen. Der tief unter der Erde liegende Ort in der Mine wurde gewählt, um das Experiment vor der kosmischen Strahlung zu schützen, die ebenfalls Argon-Atome erzeugen und damit das Messergebnis verfälschen könnte. Wir werden sehen, dass alle weiteren solaren Neutrinoexperimente ebenfalls in solchen Untergrundlabors durchgeführt wurden.

Die Gruppe in Homestake extrahierte von Zeit zu Zeit, typischerweise in Abständen mehrerer Wochen, das flüchtige Argon mit Heliumgas aus dem Tank, um schließlich 37Ar über seinen radioaktiven Rückzerfall (die Halbwertszeit beträgt 35 Tage) in kleinen Proportionalzählrohren nachzuweisen und die einzelnen Zerfälle zu zählen. Pro Monat Expositionszeit hat man etwa 10 Argonatome gezählt! Hier sieht man, wie winzig die Reaktionswahrscheinlichkeit von Neutrinos wirklich ist. Das Experiment lief von 1970 bis 1996 und führte erstmals zum erfolgreichen Nachweis extraterrestrischer Neutrinos. Raymond Davis erhielt dafür 2002 den Nobelpreis für Physik.

Mit diesem Experiment hatte Davis bewiesen, dass thermonukleare Fusionsreaktionen die Quellen der solaren Energieerzeugung darstellen - der Nachweis solarer Neutrinos lässt keine andere Deutung zu. Gleichzeitig wurde damit aber auch das »Rätsel der solaren Neutrinos« begründet. Das Rätsel liegt in Folgendem.


Das Rätsel der solaren Neutrinos

Vergleicht man die gemessene Argonproduktionsrate mit der aufgrund der bekannten Leuchtkraft der Sonne erwarteten, so ergibt sich eine klare Diskrepanz: Das Experiment von Homestake registriert nur etwa ein Drittel der erwarteten Neutrinos, also deutlich zu wenig! Was ist falsch? Das Experiment selbst? Wurde seine Effizienz überschätzt? Durch unzählige Nebenversuche konnten im Laufe der Jahre alle nur erdenklichen Möglichkeiten experimentell ausgeschlossen werden.

Vielleicht verstehen wir die Fusionsprozesse im Inneren der Sonne doch nicht genau genug? Diese astrophysikalische Lösung des »Rätsels der solaren Neutrinos« war in der Tat möglich! Der Grund liegt darin, dass das Homestake-Experiment nur für einen sehr kleinen Teil des gesamten Spektrums solarer Neutrinos empfindlich ist (Bild rechts oben). Das liegt an der relativ hohen Energieschwelle der nachgewiesenen Reaktion von 0,814 MeV. Der bei weitem größte Anteil der solaren Neutrinos liegt darunter und löst die Reaktion an den Chlorkernen gar nicht aus. Der verbleibende Teil aber wird erst nach mehreren komplizierten Reaktionen erzeugt, und so präzise waren diese Rekationen damals nicht bekannt. Trotzdem, ein Faktor drei als Quotient zwischen erwarteter und gemessener Rate ist schon recht seltsam. Deshalb wurde bereits in den Siebzigerjahren zum ersten Mal diskutiert, ob das Defizit nicht an bisher unbekannten Eigenschaften der Neutrinos liegen könnte.

Gibt es weitere Reaktionen von Neutrinos mit anderen Atomkernen, aber mit niedrigerer Energieschwelle, so dass im Idealfall alle solaren Neutrinos gezählt werden könnten? Damit ließe sich eine astrophysikalische Ursache der Diskrepanz nachweisen.

In der Tat eignet sich die Reaktion ve + 71Ga → e- + 71Ge mit einer Energieschwelle für die Neutrinos von 0,236 MeV dafür hervorragend, und es wurden zur Nutzung dieser Möglichkeit weltweit zwei Experimente durchgeführt. Bei SAGE (Soviet-American Gallium Experiment) wurden in Tanks in einem Stollen unterhalb des Elbrus-Gebirges im Kaukasus 60 Tonnen flüssiges metallisches Gallium verwendet, während bei GALLEX (GALLium EXperiment) im italienischem Untergrundlabor (Laboratori Nazionale del Gran Sasso) in den Abruzzen 101 Tonnen konzentrierter GaCl3-HCl-Lösung zum Einsatz kamen. Sprecher von GALLEX war Till Kirsten vom Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg, und auch die Technische Universität München beteiligte sich an diesem internationalen Projekt.

Beide Experimente begannen Anfang der Neunzigerjahre mit der Datennahme. Das dabei angewandte Prinzip ist dem des Homestake-Experiments ähnlich, nur sind die Extraktionsverfahren für die Germaniumatome hier wesentlich aufwändiger (siehe Bild rechts unten). Wieder wird der Rückzerfall, diesmal derjenige der 71Ge-Kerne in Proportionalzählrohren, beobachtet. Da die Halbwertszeit dieses Isotops 11,43 Tage beträgt, sind die Zeiträume zwischen den einzelnen Extraktionen etwas kürzer als im Homestake-Experiment.

Mit großer Spannung erwarteten die Physiker die ersten Messdaten. Um den Vergleich mit den aus dem Sonnenmodell abgeleiteten Werten greifbarer zu machen, wurde die Einheit SNU (Solar Neutrino Unit) eingeführt. Ein SNU entspricht einem Neutrinoeinfang pro Sekunde in 1036 Atomkernen. So lautet das Endergebnis von Homestake: Der Fluss solarer Neutrinos am Ort der Erde beträgt 2,56 ± 0,22 SNU. Nach dem Standardmodell der Sonne wurden aber 7,7 ± 1,2 SNU erwartet! (Die Zahlen hinter dem gemessenen und dem theoretisch vorhergesagten Wert geben jeweils die Unsicherheiten an.)

Das SAGE-Experiment ist seit 1990 in Betrieb, und GALLEX nahm in den Jahren 1991 bis 1997 seine Daten auf. Es wurde von 1998 bis 2003 in einer verbesserten Version unter dem Namen GNO (Gallium Neutrino Observatory) im Gran-Sasso-Labor weitergeführt. Alle Galliumexperimente wurden unter großem experimentellem Aufwand mit künstlich hergestellten Neutrinoquellen geeicht.

Aus dem Sonnenmodell ergaben sich als Vorhersage 131 ± 12 SNU. GALLEX/GNO beobachtete 69,3 ± 5,5 SNU und SAGE fand 66,9 ± 5,3 SNU. Die Resultate beider Experimente stimmen also sehr gut miteinander überein. Wieder werden solare Neutrinos beobachtet, aber mit deutlich geringerer Rate als vorhergesagt. Weil aber in den Galliumexperimenten tatsächlich Neutrinos von allen Reaktionszweigen des pp-Zyklus nachgewiesen werden, musste eine astrophysikalische Lösung des Rätsels endgültig verworfen werden. Jetzt war klar: Des Neutrinorätsels Lösung lag in bis dahin unverstandenen Eigenschaften der Neutrinos selbst!

Dazu kamen noch Beobachtungen aus einer ganz anderen Ecke der Physik, nämlich aus der Helioseismologie. Hier werden über den Dopplereffekt im optischen Spektrum der Sonne Schwingungen (stehende Wellen) der Sonnenoberfläche beobachtet (Bild auf Seite 36 unten). Diese Schwingungen entstehen durch Druck- oder Schallwellen, die in der gleich darunter liegenden brodelnden Konvektionszone gebildet werden, die aber auch tief in das Sonneninnere eindringen können. Vergleicht man die experimentellen Ergebnisse der Helioseismologie mit theoretischen Erwartungswerten, die sich aus dem Sonnenmodell ergeben, so findet man eine sehr gute Übereinstimmung. Dies bestätigt, dass unsere Vorstellung vom inneren Aufbau der Sonne und den dort ablaufenden Prozessen nicht so falsch sein kann.

Betrachtet man die Ergebnisse der radiochemischen Neutrinoexperimente näher, dann fällt auf, dass die Unterdrückung der solaren Neutrinos in den Galliumexperimenten etwas geringer ausfällt. Offenbar wird von den niederenergetischen Neutrinos ein höherer Anteil erfasst als von jenen mit höheren Energien. Welcher Effekt auch immer die solaren Neutrinos für die bisherigen Experimente unsichtbar macht, er scheint demnach von der Energie der Teilchen abzuhängen.

In den hier beschriebenen radiochemischen Experimenten können wir die Energie der nachgewiesenen Neutrinos nicht direkt messen: Hier werden die Neutrinos (ab einer bestimmten Schwellenenergie) nur gezählt. Die entscheidende Frage lautet also: Wie können wir die Neutrinos von der Sonne nicht nur nachweisen, sondern auch gleichzeitig die Energie eines jeden einzelnen von ihnen messen? Mit anderen Worten: Die Spektroskopie solarer Neutrinos ist gefragt!


Wo kommen Neutrinos in der Natur vor?

Im Urknall sollten Neutrinos aller Arten (bzw. im Amerikanischen »Flavors«, d.h. Düfte) in sehr großer Zahl entstanden sein, die das heutige Universum ausfüllen. Wegen ihrer kleinen Reaktionswahrscheinlichkeit entkoppelten sie bereits eine Sekunde nach dem Urknall von der restlichen Materie und Strahlung. Seitdem unterliegen sie, analog zur elektromagnetischen Hintergrundstrahlung, wegen der Expansion des Universums der Rotverschiebung, und ihre Energie muss heute nur noch winzige 0,2 meV (Millielektronvolt) betragen. Aus diesem Grund wurden Neutrinos aus dem Urknall bis heute noch nicht nachgewiesen.

Sterne: Nicht nur die Sonne, sondern alle Sterne im Universum erzeugen ihre abgestrahlte Energie durch thermonukleare Fusionsreaktionen und emittieren dabei Neutrinos in großer Zahl. Nur in Sternen, deren Masse bei einer Sonnenmasse oder darunter liegt, ist dabei der pp-Zyklus dominant. Massereichere Sterne emittieren Neutrinos über den CNO-Zyklus. Wie bei der Sonne liegen die Energien dieser Neutrinos im MeV-Bereich. Im BOREXINO-Experiment, an dem auch Forschergruppen aus München und Heidelberg beteiligt sind, und in anderen zukünftigen Experimenten sollen erstmals solare CNO-Neutrinos nachgewiesen werden.

Supernovae vom Typ II: Im Gravitationskollaps massereicher Sterne werden Neutrinos aller Arten gebildet. Ungefähr 99 Prozent der gesamten Gravitationsenergie werden dabei in Form eines Neutrinoausbruchs weggetragen! In den Tscherenkow-Detektoren Kamiokande (Japan) und IMB (USA) konnten am 23. Februar 1987 zum ersten (und bisher auch einzigen) Mal Neutrinos aus einer Supernovaexplosion nachgewiesen werden. Dabei konnte die mittlere Energie der bei der Explosion freigesetzten Teilchen zu ca. 4 MeV bestimmt werden - das entspricht einer kinetischen Temperatur von 50 Milliarden Grad! Insgesamt 19 Neutrinoereignisse wurden damals innerhalb von 10 Sekunden registriert. Für diese Entdeckung wurde 2002 Masatoshi Koshiba mit dem Nobelpreis für Physik geehrt.

Neutrinos dienen also auch als Sonden zum Studium von Supernova-Explosionen. Mit dem heutigen Super-Kamiokande und künftigen Experimenten wie LENA (Low Energy Neutrino Astronomy) werden für eine galaktische Supernova mehr als 10.000 registrierte Ereignisse erwartet.

Diffuser Neutrino-Hintergrund: Seit es Sterne gibt, gibt es auch Supernovae. Massereiche Sterne haben deutlich kürzere Lebensdauern als unsere Sonne. Es hat also im Verlauf der kosmischen Entwicklung sehr viele Supernovae gegeben. Daher erwarten wir einen diffusen, das gesamte Universum ausfüllenden Hintergrund von Neutrinos aus diesen Explosionen. Auch diese Neutrinos unterliegen der Rotverschiebung. Trotzdem sind ihre Energien bei Weitem noch nicht so weit abgesunken wie jene aus dem Urknall. Wir erwarten mittlere Energien im Bereich von mehreren MeV. Für den Fluss dieser Neutrinos konnten bisher nur obere Grenzen gefunden werden. Ihr Nachweis ist eines der Ziele des LENA-Projekts.

Erde, Planeten: Alle Elemente unserer Erde schwerer als Eisen und Nickel wurden in mehreren Supernova-Explosionen gebildet. Die schwersten von ihnen, wie etwa Uran und Thorium, zerfallen radioaktiv über ihre jeweilige Reihe bis zu stabilen Bleiisotopen. Dabei werden über Betazerfälle Elektronantineutrinos emittiert. Deren erstmaliger Nachweis gelang 2005 im japanischen KamLAND-Experiment, allerdings mit einer sehr kleinen Rate. Diese radioaktiven Zerfälle finden auch im Erdinneren statt, es ist allerdings noch unklar, welchen Beitrag sie zum gesamten Wärmestrom aus dem Erdinneren leisten. Dessen Gesamtleistung beträgt immerhin etwa 40.000 Gigawatt! Mit LENA könnte man diese geophysikalische Frage untersuchen.

Atmosphäre: Die kosmische Strahlung, hauptsächlich hochenergetische Protonen, trifft auf die obersten Schichten unserer Atmosphäre. In Kernreaktionen werden dabei Myonen und andere hochinstabile Mesonen mit kurzen Lebensdauern gebildet. Bei deren Zerfall werden im Wesentlichen Myonneutrinos vµ gebildet. Deren Energie liegt typischerweise im GeV-Bereich, also deutlich höher als zum Beispiel bei solaren Neutrinos. Im Super-Kamioande-Detektor konnten bei der Messung des Flusses atmosphärischer Neutrinos in Abhängigkeit vom Zenitwinkel erstmals Neutrinooszillationen nachgewiesen werden.

Kosmische Strahlung: Neben der klassischen, geladenen Komponente der kosmischen Strahlung erwarten wir auch Gammaquanten und Neutrinos sehr hoher Energie. Erstere wurden bereits erfolgreich nachgewiesen. Neutrinos sollen mit riesigen Tscherenkow-Detektoren nachgewiesen werden. Da sie Materie leicht durchdringen und im galaktischen Magnetfeld nicht abgelenkt werden, eignen sie sich zur Untersuchung kosmischer Quellen hoher und höchster Energien. Das Experiment ICECUBE am Südpol nutzt das dortige Eis als Detektormaterial und steht kurz vor seiner Vollendung. Ein weiteres Observatorium ANTARES soll im Mittelmeer in Europa verwirklicht werden. Das Volumen künftiger Detektoren dieser Art wird etwa einen Kubikkilometer betragen. Auch an diesen Projekten sind deutsche Institute beteiligt.


Neutrinodetektoren der zweiten Art

Im Jahr 1987 wurde in der japanischen Kamioka-Mozumi-Mine ein Wasser-Tscherenkowdetektor errichtet. Dessen Messprinzip beruht auf Folgendem. Geladene Teilchen mit Geschwindigkeiten oberhalb der Lichtgeschwindigkeit in Wasser senden einen Lichtkegel aus, der sich im Medium unter einem bestimmten Winkel symmetrisch um die Spur des Teilchens ausbreitet. Dies ist physikalisch analog zur Bildung und Ausbreitung eines akustischen Überschallknalls, wenn etwa ein Jet mit Überschallgeschwindigkeit fliegt. Der Lichtkegel kann mit hochempfindlichen Photosensoren (so genannten Photomultipliern) nachgewiesen werden. Die Lage des Lichtkegels verrät Position und Flugrichtung des Teilchens im Detektor, und die Lichtintensität ist korreliert mit der Teilchenenergie.

Der Kamiokande-Detektor wurde ursprünglich realisiert, um nach dem Zerfall des Protons zu suchen. Bald erkannte man aber, dass Kamiokande auch zur Messung solarer Neutrinos zu verwenden ist. Dabei nutzt man die Streuung der Neutrinos an den Elektronen der Wassermoleküle. Bei dieser Streuung stößt das Neutrino mit einem Elektron zusammen und kann ihm einen so hohen Impuls verleihen, dass dessen Geschwindigkeit die nötige Schwelle c/n überschreitet, wobei c die Lichtgeschwindigkeit und n der Brechungsindex des Mediums ist. Wenn die Energie hoch genug ist, fliegt das gestreute Elektron fast exakt in der Einfallsrichtung des die Streuung verursachenden Neutrinos fort. Mit Tscherenkow-Detektoren kann man also die Flugrichtung solarer Neutrinos bestimmen, und die Spuren von Neutrinoereignissen im Detektor sollten immer von der Sonne weg zeigen. Da der Zeitpunkt jeder Streuung genau bestimmt werden kann und die Sonnenposition natürlich bekannt ist, kann man damit demonstrieren, dass die Signale tatsächlich von solaren Neutrinos stammen. Super-Kamiokande war der erste in Echtzeit betriebene Detektor, mit dem dies tatsächlich gelungen ist.

Kamiokande bestand im Wesentlichen aus einem mit etwa 2100 Tonnen ultrareinem Wasser gefüllten Zylinder. Die Wände des Zylinders wurden eng mit den Photomultipliern bestückt, die das Tscherenkowlicht nachwiesen und deren Signale elektronisch verarbeiteten. Um von außen kommende Hintergrundereignisse wie Gammastrahlung und Neutronen auszuschließen, wurde ein inneres Detektionsvolumen von 680 Tonnen Wasser definiert. Nur solche Ereignisse, deren rekonstruierte Positionen innerhalb dieses Volumens liegen, kommen als Kandidaten für solare Neutrinos in Frage. Trotzdem verbleiben unerwünschte niederenergetische Hintergrundereignisse: Die mit Kamiokande erreichte Energieschwelle lag bei etwa 7 MeV. Wie auch alle späteren Tscherenkow-Detektoren ist Kamiokande nur für die hochenergetischen solaren 8B-Neutrinos empfindlich. Die Anlage nahm von 1987 bis 1995 Daten auf, und es wurde ein Neutrinofluss der Stärke (2,82 ± 0,38) x 106 cm-2 s-1 gemessen, der wiederum deutlich geringer war, als der aus dem Sonnenmodell abgeleitete Wert (5,2 ± 1,0 x 106 cm-2 s-1).

Das Nachfolgeexperiment Super-Kamiokande wurde 1996 in der gleichen Mine in Betrieb genommen. Es beinhaltet 50.000 Tonnen Wasser und besitzt einen zusätzlichen äußeren Detektor, der von außen eindringende kosmische Strahlung registriert und als solche erkennt. Weitere Optimierungen erlaubten es, die Energieschwelle auf ca. 5 MeV zu drücken. Innerhalb von fünf Jahren wurde ein 8B-Neutrinofluss von (2,35 ± 0,08) x 106 cm-2 s-1 gemessen. Dieses Ergebnis ist verträglich mit dem des Vorläuferexperiments, wobei die Unsicherheit allerdings erheblich reduziert ist. Insgesamt haben wir nun bereits fünf Experimente, die im Vergleich zu der aus dem Sonnenmodell abgeleiteten Vorhersage ein sehr deutliches Neutrinodefizit zeigen.

Da nun eine astrophysikalische Lösung des Rätsels der solaren Neutrinos ausgeschlossen werden kann, werden wir uns im zweiten Teil dieses Artikels (im nächsten Heft) mit den intrinsischen Eigenschaften der Neutrinos beschäftigen.


Lothar Oberauer lehrt als Physiker an der Technischen Universität München und forscht mit seiner Arbeitsgruppe im Rahmen des Verbunds »Origin and Structure of the Universe«, kurz: »Cluster Universe«. Er ist an BOREXINO, LENA und anderen internationalen Neutrino-Experimenten beteiligt.

Michael Wurm erforscht die Neutrinos in der Arbeitsgruppe von Lothar Oberauer. Kürzlich erhielt er den Universe PhD Award »Experiment« für die beste experimentelle Doktorarbeit innerhalb des Cluster Universe.


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WIS - wissenschaft in die schulen!

Damit Schüler aktiv mit den Inhalten dieses Beitrags arbeiten können, stehen auf unserer Internetseite www.wissenschaft-schulen.de didaktische Materialien zur freien Verfügung. Darin wird gezeigt, wie das Thema im Rahmen des Physikunterrichts in der gymnasialen Oberstufe behandelt werden kann. Unser Projekt »Wissenschaft in die Schulen!« führen wir in Zusammenarbeit mit der Landesakademie für Lehrerfortbildung in Bad Wildbad und dem Haus der Astronomie in Heidelberg durch.


Literaturhinweise

Brunner, J.: ANTARES - Neutrino-Astronomie in der Tiefsee. In: Sterne und Weltraum 5/2006, S. 38-45.

Hampel, W.: Der Gallium-Detektor für Sonnenneutrinos. In: Sterne und Weltraum 9/1986, S. 455-459.

Hampel, W.: Das Sonnenneutrino-Problem: endlich gelöst? In: Sterne und Weltraum 6-7/1999, S. 540-547.

Kirsten, T.: Neutrinoastrophysik. In: Sterne und Weltraum 7-8/1986, S. 375-381.

Kirsten, T.: Gallex misst Sonnenneutrinos. In: Sterne und Weltraum 1/1993, S. 16-24

Rau, R.: Auf der Suche nach der Dunklen Materie. In: Sterne und Weltraum 1/2005, S. 32-42.

Spiering, Ch.: Neutrinojagd am Südpol. In: Sterne und Weltraum 12/2004, S. 30-34

Spiering, Ch.: Astroteilchenphysik, Erfolge und Perspektiven. In: Sterne und Weltraum 6/2008, S. 46-54.


Weblinks zum Thema: www.astronomie-heute.de/artikel/1017834


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Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. S. 31: Im Kern der Sonne herrscht eine Gleichgewichtstemperatur von rund 15 Millionen Grad. Dort laufen die Kernfusionsreaktio nen ab, welche die solaren Neutrinos freisetzen und die Sonnenenergie erzeugen. Die Neutrinos verlassen die Sonne sofort, die thermonukleare Energie wird zunächst durch Strahlung, dann durch Konvektion langsam nach außen transportiert. In der Photosphäre, der sichtbaren Oberfläche der Sonne, beobachten wir Sonnenflecken und das wabenartige Muster der Granulation. Nur mit speziellen Filtern sind die Chromosphäre und die Protuberanzen zu sehen, und bei totalen Sonnenfinsternissen tritt auch die heiße Korona in Erscheinung.

Abb. S. 34: Dieser mit Tetrachlorethen C2Cl4 gefüllte Tank ist das Herzstück des Homestake-Experiments in der gleichnamigen Mine in South Dakota (USA), mit dem erstmals der Nachweis solarer Neutrinos gelang.

Abb. S. 35 oben: Dargestellt sind die verschiedenen Beiträge zum Energiespektrum solarer Neutrinos aus dem pp- und dem CNO-Zyklus nach dem Sonnenmodell. Das Spektrum erreicht mit den 8B-Neutrinos maximale Energien von ca. 15 MeV. Diese konnten als erste experimentell nachgewiesen werden. Im niederenergetischen Bereich dominieren die pp- und die monoenergetischen Berillium-Neutrinos. Letztere wurden erstmals 2007 im Borexino-Experiment spektroskopisch nachgewiesen.

Abb. S. 35 unten: In dieser Anlage im italienischen Gran-Sasso-Untergrundlabor wurde für die Zählrohre des GALLEX-Experiments die gasförmigen Zustand durchgeführt. Jeden Monat konnten so eine Handvoll Germanium-Atome nachgewiesen werden, die durch den Einfang solarer Neutrinos gebildet wurden. Die Ergebnisse von GALLEX zeigten, dass das solare Neutrinorätsel nicht astrophysikalisch erklärbar war. Die Diskrepanz liegt an den Neutrinos!

Abb. S. 36: Die Helioseismologie erlaubt über die spektroskopische Messung der Dopplerverschiebung von Fraunhoferlinien im Sonnenlicht eine sehr genaue Messung seismischer Wellen in den oberen Schichten der Sonne. Diese Wellen geben Aufschluss über viele Parameter im Sonneninneren, einschließlich des relativen Anteils der schwereren Elemente an der solaren Materie. Im linken Teil der Grafik sind die möglichen Moden helioseismischer Wellen angedeutet: Die gebogenen Linien entsprechen kurzen Oberflächenwellen; die Geraden stellen lange Druckwellen dar, die in die tieferen Bereiche der Sonne hinabreichen.

Abb. S. 37: Dieses Bild der Sonne im »Licht« ihrer Neutrinos ist im Super-Kamiokande, dem Nachfolger des Kamiokande-Detektors entstanden. Dort lässt sich mit Hilfe von Wasser-Tscherenkow-Detektoren aus Lage und Orientierung des charakteristischen Tscherenkow-Kegels (ganz wie für die einfallenden Photonen in einer Kamera) die Flugrichtung der einfallenden Neutrinos bestimmen.

Abb. S. 38: Der Super-Kamiokande-Detektor wird mit ultrareinem Wasser gefüllt. Das Schlauchboot mit den Wissenschaftlern macht die Dimensionen des 50.000 Tonnen Wasser fassenden Detektors deutlich.


© 2010 Lothar Oberauer und Michael Wurm, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg


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Quelle:
Sterne und Weltraum 2/10 - Februar 2010, Seite 30 - 38
Zeitschrift für Astronomie
Herausgeber:
Prof. Dr. Matthias Bartelmann (ZAH, Univ. Heidelberg),
Prof. Dr. Thomas Henning (MPI für Astronomie),
Dr. Jakob Staude
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. März 2010