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FORSCHUNG/369: Lichtdoping für Pflanzen (Leibniz)


Leibniz-Journal - Das Magazin der Leibniz-Gemeinschaft 2/2015

Lichtdoping für Pflanzen

von Wiebke Peters


"Supergesundes" Gemüse und sauberes Wasser für weit mehr Menschen als heute: Diese Visionen lassen sich vielleicht schon in ein paar Jahren mithilfe von UV-Strahlung realisieren. Daran forschen Pflanzenwissenschaftler und Optoelektroniker.


Seit Jahrtausenden kultiviert der Mensch Nutzpflanzen und wirkt mit verschiedenen Mitteln auf sie ein, um Erträge und Geschmack zu verbessern. Der neueste Trend des Pflanzen-Boostings ist es, die Inhaltsstoffe so zu beeinflussen, dass Gemüse noch gesünder wird. Diese Idee verfolgen in einer Kooperation das Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau (IGZ) und das Ferdinand-Braun-Institut, Leibniz-Institut für Höchstfrequenztechnik (FBH). Das Ziel: die Produktion "nützlicher" sekundärer Pflanzenstoffe in bestimmten Gewächsen anzukurbeln - mithilfe gezielter UV-B-Strahlung bei bestimmter Wellenlänge. Die gemeinsame Arbeit mündet in Projektvorhaben, die künftig im Rahmen des vom Bundesforschungsministerium geförderten Konsortiums "Advanced UV for Life" bearbeitet werden sollen. Im Konsortium entwickeln unter Federführung des FBH insgesamt 31 Partner aus Forschung und Industrie sowohl Technologien als auch vielversprechende Einsatzfelder für Leuchtdioden, die ultraviolettes Licht emittieren - kurz: UV-LEDs.


Pflanzenstoffe für die Gesundheit

Mit Licht Pflanzenwachstum zu beeinflussen, ist ein Verfahren, das schon seit Langem angewendet wird - Gewächshauskulturen wären ohne Kunstlicht nicht denkbar. "Dabei geht es vor allem um das schnellere Wachstum von Pflanzen, damit sie in kürzerer Zeit höhere Erträge bringen", sagt Melanie Wiesner, die als Wissenschaftlerin am IGZ im Projekt mitarbeitet. "Wir wollen die Pflanzen gezielt anregen, sekundäre Pflanzenstoffe zu produzieren, die für den Menschen gesundheitsfördernd sein können", erläutert sie.

Solche chemischen Stoffe - sogenannte pflanzliche Sekundärmetabolite - sind Produkte des pflanzlichen Stoffwechsels, die aus Primärmetaboliten wie Zuckern gebildet werden. Etwa 200.000 solcher Stoffe gibt es, zu ihnen gehören unter anderem phenolische Verbindungen (z.B. die dunklen Pflanzenfarbstoffe Anthocyane) und Glucosinolate. Die Abbauprodukte von Glucosinolaten können verschiedenste biologische Wirkungen entfalten und sind in Gemüsen wie Radieschen und Kohl für den scharfen beziehungsweise bitteren Geschmack verantwortlich. Diesen Substanzen wird eine präventive Wirkung beispielsweise gegen Dickdarmkrebs zugeschrieben.


Suche nach optimalen Wellenlängen

Um genau solche Stoffe geht es in dem Projekt. Das Forscherteam will herausfinden, welche Wellenlängen und Bestrahlungszeiten optimal sind für deren Produktion, denn Pflanzen erzeugen unter UV-Beleuchtung bestimmter Wellenlänge vermehrt Sekundärmetabolite. Diese Strahlen sind auch in natürlichem Licht vorhanden, aber nur in geringer Dosis - UV-Strahlung macht etwa acht Prozent des Sonnenlichts auf der Erde aus. Der UV-Bereich des Lichts erstreckt sich auf Wellenlängen von unter 230 bis 400 Nanometer. Um die Produktion sekundärer Pflanzenstoffe auszulösen, ist vor allem der Bereich der UV-B-Strahlung mit Wellenlängen zwischen 280 und 315 Nanometern interessant.

Lampen, die UV-B-Strahlung einer bestimmten Wellenlänge abstrahlen, gab es bislang nicht. Das Spektrum von UV-Lampen, die bereits in der Pflanzenproduktion eingesetzt werden, ist zu breit, zudem strahlen sie Wärme ab, die bei der Produktion sekundärer Pflanzenstoffe unerwünscht ist. Die benötigten Leuchtmittel liefert der Kooperationspartner im Projekt: FBH-Wissenschaftler Sven Einfeldt und sein Team haben ein spezielles Modul aus LEDs entwickelt, das Licht mit einer bestimmten Wellenlänge - 311 Nanometer - homogen über die gesamte bestrahlte Fläche emittiert. Mit diesem ersten Modul experimentierte das IGZ-Team um Melanie Wiesner und ihre Kollegin Susanne Neugart seit 2012. Ab August dieses Jahres arbeiten sie mit einem neuen Modul, das größer ist und mit dem mehr Pflanzen gleichzeitig bestrahlt werden können. Die optimale Dosis zu finden, ist dabei keine leichte Aufgabe, denn Pflanzen reagieren sehr empfindlich: "Zu viel UV-B-Strahlung kann bei der Pflanze Stress auslösen und sie im ungünstigsten Fall töten, eine zu geringe Dosis hat gar keinen Effekt", sagt Susanne Neugart.


Versuche mit Kreuzblütlern und Pak Choi

In der ersten Versuchsreihe experimentierten die Forscherinnen mit Arabidopsis, einer Pflanze aus der Familie der Kreuzblütler. "Sie ist unsere liebste Modellpflanze für die Forschung, denn sie hat nur fünf Chromosomen, die vollständig durchsequenziert sind - wir können also genau nachvollziehen, welche Wellenlänge wie wirkt", sagt Wiesner. Daneben untersuchten die IGZ-Forscherinnen die Wirkung von UV-B-Strahlung auf Pak Choi, eine asiatische Kohlart, die zu der gleichen Pflanzenfamilie gehört wie Arabidopsis. Die Wissenschaftlerinnen kamen zu dem Ergebnis, dass beide Pflanzen ähnlich reagieren: Durch UV-B-Strahlung steigt die Produktion bestimmter Glucosinolate an. Nicht nur für Gemüseesser sind das gute Nachrichten: "Glucosinolate nutzen auch den Pflanzen selbst, sie setzen diese beispielsweise zur Insektenabwehr ein. Damit ist UV-B-Bestrahlung auch attraktiv für Gemüseproduzenten, die Pestizide einsparen wollen", berichtet Wiesner. UV-B-Licht hat allerdings auch einen Nachteil. Wegen der Krebsgefahr, die von ihm ausgeht, dürfen Mitarbeiter während der Bestrahlung das Gewächshaus nicht betreten. Deswegen will das Forscherteam von FBH und IGZ Bestrahlungsdosen und Wellenlängen finden, bei denen es möglich ist, die Bestrahlungszeit so kurz wie möglich zu halten.

Im Herbst beginnt eine weitere Stufe der Forschungsreihe: Das dritte Modul, das dann eingesetzt wird, deckt den Wellenlängenbereich um 290 Nanometer ab. "Insbesondere interessiert uns, ob die Bestrahlungszeit zur Bildung der Sekundärmetabolite verkürzt werden kann - also die Wirkung der kürzerwelligen UV-B-Strahlung höher ist", sagt Neugart.


Sauberes Wasser durch UV-B-Strahlung

Einen ganz ähnlichen Ansatz in einem anderen Kontext verfolgt das FBH ebenfalls im Rahmen des Konsortiums "Advanced UV for Live" in zwei Kooperationen mit Industriepartnern. Es erforscht, wie sich speziell UV-LEDs bestimmter Wellenlängen zur Wasserdesinfektion nutzen lassen. UV-Licht aus Quecksilberdampflampen wird schon länger zur Wasserreinigung eingesetzt. "Wir wollen eigene UV-LEDs herstellen, bei denen wir die Wellenlänge genau einstellen können, um sie zum Beispiel für eine effizientere Wasserdesinfektion einzusetzen, denn auch Mikroorganismen reagieren unterschiedlich auf verschiedene UV-Bereiche", berichtet Sven Einfeldt. Mit dem international agierenden Unternehmen Xylem, das Anlagen zur Wasserdesinfektion herstellt, entwickeln er und sein Team Lösungen zur UV-Desinfektion großer Wasser- und Abwassermengen. Um kleine Mengen Wasser zu reinigen, zum Beispiel Trinkwasser in Gebieten ohne Stromversorgung, lassen sich schon heute wirksame Mini-Desinfektionsanlagen bauen. Sie haben Durchflussmengen von etwa einem Liter pro Minute; der benötigte Strom wird per Solarzelle erzeugt. Beim Bau solcher kleinen autarken Geräte kooperiert das FBH mit einem Unternehmen in Thüringen.

Die am FBH gebauten Module sind von der breiten Anwendung noch weit entfernt - sie sind schlicht zu teuer, eine UV-LED kostet auf dem Markt zurzeit 100 bis 200 US-Dollar. Doch Einfeldt erwartet eine Entwicklung analog zu weißen LEDs hin zur Massenproduktion - auch wenn der Markt kleiner ist, da UV-LEDs nicht als Leuchtmittel einsetzbar sind. Einen großen Pluspunkt haben auch diese LEDs: die Lebensdauer. Man erwartet etwa 100.000 Betriebsstunden, während beispielsweise Quecksilberdampf-Niederdrucklampen, die heute zur Wasserdesinfektion eingesetzt werden, nach wenigen 1.000 Stunden schlappmachen. So könnte Wasserreinigung dank UV-LEDs viel effizienter werden und in Gegenden zum Einsatz kommen, wo sauberes Wasser bislang nicht bezahlbar war.

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Quelle:
Leibniz-Journal - Das Magazin der Leibniz-Gemeinschaft, Nr. 2/2015, Seite 18-20
Herausgeber: Der Präsident der Leibniz-Gemeinschaft
Matthias Kleiner
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. August 2015

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