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ZOOLOGIE/1386: Die außergewöhnliche Reproduktionsbiologie der vom Aussterben bedrohten Nimbakröte (idw)


Museum für Naturkunde - Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung - 06.02.2017

Die außergewöhnliche Reproduktionsbiologie der vom Aussterben bedrohten Nimbakröte


Die vom Aussterben bedrohte Nimbakröte ist für ihre außergewöhnliche Reproduktionsbiologie bekannt. Die Weibchen der Kröte ernähren die Jungtiere kontinuierlich im Mutterleib, bis sie nach neun Monaten als voll entwickelte Jungtiere geboren werden. Mehr als 40 Jahre wissenschaftlicher Forschung über die vielen unterschiedlichen Aspekte der Reproduktionsbiologie wurden bisher noch nicht umfänglich und leicht zugänglich zusammengefasst. Diese Lücke schließt nun ein unter Mitwirkung von Dr. Laura Sandberger-Loua und Dr. Mark-Oliver Rödel, beide vom Museum für Naturkunde Berlin, veröffentlichter Artikel in der frei zugänglichen Zeitschrift Zoosystematics and Evolution.


Die vom Aussterben bedrohte Nimbakröte ist schon lange für ihre außergewöhnliche Reproduktionsbiologie bekannt. Die Weibchen dieser einzigartigen Kröte ernähren die Jungtiere kontinuierlich im Mutterleib (Matrotrophie) bis sie nach neun Monaten als voll entwickelte Jungtiere geboren werden. Obwohl lebendgebärende (vivipare) Frösche und Kröten eher die Ausnahme als die Regel sind, ist Matrotrophie, anstelle anderer Alternativen wie die Ernährung von Föten durch Eidotter, unbefruchtete Eier oder kleinere Geschwister, das Alleinstellungsmerkmal der Nimbakröte.

Über 40 Jahre wissenschaftlicher Forschung über die vielen unterschiedlichen Aspekte der Reproduktionsbiologie wurden bisher noch nicht vollumfänglich und leicht zugänglich zusammengefasst. Diese Lücke wurde jetzt geschlossen, mit einem in der frei zugänglichen Zeitschrift Zoosystematics and Evolution von Dr. Laura Sandberger-Loua, Dr. Mark-Oliver Rödel, beide vom Museum für Naturkunde Berlin, und Dr. Hendrik Müller, Friedrich-Schiller-Universität Jena, veröffentlichten Artikel.

Mit einer umfassenden Recherche der Literatur, die über einen Zeitraum von mehr als vier Jahrzehnten veröffentlicht wurde, trugen die Autoren die verstreuten Details zusammen. Des Weiteren diskutieren sie den Zusammenhang zwischen der Reproduktionsbiologie und des besonderen Habitats - circa 4 km² Hochlandsavanne, mindestens 1200 m über dem Meer gelegen - in den Nimbabergen in Westafrika.

Das Klima wird durch eine Regenzeit von April bis Oktober und einer Trockenzeit von November bis Februar/März bestimmt. Diese jahreszeitlichen Wechsel sind maßgebend für die Aktivität der Kröten. Die Amphibien sind nur während der Regenzeit aktiv, bringen ihre Jungen zur Welt, verpaaren sich und suchen Schutz im Boden, wo sie die Trockenzeit in einer Ruhephase verbringen.

Mit bloßem Auge unterscheiden sich Nimbakröten Weibchen von den Männchen hauptsächlich durch die unterschiedliche Position der Kloaken und dass sie größer sein können als Männchen. Männchen haben einen dunkleren Rücken und die meiste Zeit ihres erwachsenen Lebens Brunstschwielen, stachelige Schwellungen auf ihren Daumen. Dieses sekundäre Geschlechtsmerkmal steht in seiner saisonalen Ausprägung in Verbindung mit der Spermatogenese und wird von den Männchen genutzt um die Weibchen während der Paarung fester zu umklammern.

Die Paarung wird nicht mit einem Kopulationsorgan vollzogen, sondern durch das Aneinanderpressen der Kloaken. Dabei schwillt die männliche Kloake an und umschließt die des Weibchens. Vor der Paarung zeigen Männchen ein besonderes Verhalten. Sie kauern auf ihren Vorderbeinen und sobald sich ein Weibchen bewegt, folgen und packen sie es in der Leiste. Durch die stacheligen Brunstschwielen verletzen sie häufig ihre Partnerin.

Die Geburt kann sich über mehrere Tagen erstrecken, abhängig von der Anzahl der Neugeborenen. Bis zu 15 Jungtiere können ältere Weibchen austragen - eine sehr geringe Anzahl im Vergleich zu anderen Kröten, die häufig mehrere hundert Eier auf einmal ablaichen. Kurz vor der Geburt dehnen die Jungtiere den hinteren Teil des Eileiters in dem sie sich während ihrer Entwicklung befinden, soweit, dass sie fast den gesamten Raum des mütterlichen Körpers füllen. Während der Geburt nehmen die Weibchen eine spezielle Geburtshaltung ein, um die geringe Muskelkraft in ihrem Eileiter zu kompensieren und den Raum für die Jungtiere zu verringern, damit sie den Körper verlassen. Die Wissenschaftler schließen daraus und durch die Beobachtung, dass Jungtiere, die im Mutterleib sterben, zum Tod der Mutter durch Sepsis führen, dass die Jungtiere einen aktiven Part bei der Geburt übernehmen.

Die Nimbakröte ist laut IUCN vom Aussterben bedroht und kommt mit anderen Arten exklusiv in der Hochlandsavanne der Nimbaberge vor. Diese außerordentliche Biodiversität führte dazu, dass die Nimbaberge von der UNSECO zum Weltnaturerbe erklärt wurden. Abgeschottet von anderen Bergen und isoliert von externen Kontakten, konnten sich die Arten dieser Berge evolutiv von anderen Arten abspalten. Die Autoren argumentieren, dass die einzigartige Reproduktionsbiologie der Kröte wahrscheinlich ein Resultat dieser Isolation ist.

Es ist wahrscheinlich, dass die raue und unvorhersehbare Umwelt und die Abwesenheit von Wasser die Evolution der Viviparie der Nimbakröte gefördert hat, oder zumindest das Überleben dieser außergewöhnlichen Reproduktionsform in diesen speziellen isolierten Bedingungen unterstützt hat. In Anbetracht ihres komplexen Lebenszyklus, in dem reproduktive und saisonale Zyklen eng verbunden sind, ist es von größter Bedeutung das gefährdete Habitat der Kröte zu verstehen und zu schützen, so die Autoren.


Publikation:
http://zse.pensoft.net/articles.php?id=10489

Zoosystematics and Evolution 93(1): 105-133 (03 Feb 2017)
https://doi.org/10.3897/zse.93.10489.

You can have a look at the press release on the link below:
https://www.eurekalert.org/pub_releases/2017-02/pp-erb020317.php


And our blog post:
http://blog.pensoft.net/2017/02/06/exceptional-reproductive-biology-in-extremely-restricted-critically-endangered-nimba-toad/

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution1323

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Museum für Naturkunde - Leibniz-Institut für Evolutions- und
Biodiversitätsforschung, Dr. Gesine Steiner, 06.02.2017
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Februar 2017

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