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ZOOLOGIE/1210: Arbeitsteilung im Bienenstaat (idw)


Julius-Maximilians-Universität Würzburg - 09.12.2014 1

Arbeitsteilung im Bienenstaat



Die faszinierende Welt der Honigbienen hat dafür gesorgt, dass Ricarda Scheiner nach dem Studium nicht Lehrerin, sondern Forscherin wurde. Seit diesem Semester ist die 42-Jährige Professorin am Biozentrum der Universität Würzburg.


Bienen haben eine ausgeklügelte Arbeitsteilung: Alle Tätigkeiten werden perfekt unter den sterilen Weibchen aufgeteilt, ohne dass jemand die entsprechenden Befehle dazu gibt. Ammenbienen versorgen Tag und Nacht die Brut mit Nahrung. Bestatterbienen entfernen tote Artgenossinnen aus dem Volk. Wächterbienen schützen den Stockeingang vor Eindringlingen, Sammlerinnen schaffen Pollen und Nektar herbei. Andere Bienen produzieren aus dem Nektar Honig, wieder andere bauen neue Waben oder reparieren den Bienenstock.

"Diese hoch organisierte Arbeitsteilung ist sehr flexibel und passt sich ständig an die Bedingungen im Stock und in der Umgebung an", sagt Ricarda Scheiner, die seit Oktober 2014 neue Professorin am Lehrstuhl für Verhaltensphysiologie und Soziobiologie (Zoologie II) der Universität Würzburg ist. Die Forscherin untersucht seit vielen Jahren, wie die Arbeitsteilung bei Honigbienen gesteuert wird.

Woher weiß jede Biene, was sie zu tun hat? Nach einer aktuellen Hypothese unterscheiden sich Bienen mit verschiedenen Jobs in ihren so genannten Verhaltensschwellen. Demnach fängt die Biene mit der niedrigsten Schwelle für einen bestimmten Reiz als erste an, die damit assoziierte Arbeit auszuführen. "Unsere Daten bestätigen diese Hypothese und zeigen beispielsweise, dass Sammlerinnen empfindlicher auf Zuckerwasserreize und Licht reagieren als Ammenbienen", sagt die Professorin.


Oktopamin und andere Botenstoffe des Nervensystems

In Würzburg will Ricarda Scheiner weiter an den molekularen Mechanismen forschen, die das Verhalten und die Arbeitsteilung bei sozialen Insekten wie der Honigbiene steuern. "Wir untersuchen beispielsweise die Funktion von biogenen Aminen", erklärt sie. Solche Moleküle kommen auch beim Menschen vor; unter anderem gehören Dopamin und Serotonin dazu. Als Botenstoffe des Nervensystems spielen sie eine wichtige Rolle bei motorischen Aufgaben, verschiedenen Krankheitsbildern und der Vermittlung von Belohnungssignalen.

Bienen und andere Insekten besitzen neben diesen Botenstoffen weitere Amine, beispielsweise das Oktopamin. Es übernimmt bei Insekten ähnliche Funktionen wie Adrenalin bei Wirbeltieren und beim Menschen. "Ich untersuche die Zusammenhänge zwischen der Expression von Oktopamin-Rezeptoren, der Ausschüttung von Oktopamin und dem Verhalten", so Scheiner. Bei dieser Forschung wendet sie ein breites Methodenspektrum an, das von der Analyse der Genexpression über die Neuroanatomie bis zur Verhaltensphysiologie reicht.


Biozentrum und Bienenstation als guter Nährboden

"Das Biozentrum bietet mir ideale Voraussetzungen", sagt die Professorin: "Hier arbeiten sehr viele andere Arbeitsgruppen an Insekten, hier ist die technische Ausstattung auf hohem Niveau." Zudem ergänze das breite Methodenspektrum am Lehrstuhl ihre bisherigen Ansätze ganz ausgezeichnet. Nicht zuletzt habe sie schon in den ersten Wochen festgestellt, dass das Arbeitsklima hier "äußerst freundlich und kooperativ" sei. Als weiteren Pluspunkt sieht sie die Bienenstation der Uni. "Sie bietet die perfekten Voraussetzungen für die Verhaltensbeobachtung und die Forschung an frei fliegenden Bienen", freut sich Scheiner.


Studierende sollen Forschungsalltag kennenlernen

In der Lehre wird Ricarda Scheiner die Verhaltensphysiologie und die Soziobiologie mit Vorlesungen, Seminaren und Praktika vertreten. "Ich möchte den Studierenden vor allem die Chance geben, praktisch mit Bienen zu arbeiten. Sie sollen eigene Experimente planen und durchführen und so den Forschungsalltag kennenlernen."

Neben den Biologiestudierenden möchte sie auch die Lehramtsstudierenden für die Bienenforschung begeistern. Die angehenden Lehrkräfte will sie besonders dazu ermuntern, die Honigbiene als Lehr- und Lernobjekt an die Schulen zu bringen.


Lebenslauf von Ricarda Scheiner

Ricarda Scheiner, 1972 in Berlin geboren, hat an der Technischen Universität (TU) ihrer Heimatstadt Biologie und Englisch fürs Lehramt studiert. Schon in ihrer Staatsexamensarbeit untersuchte sie das Verhalten von Bienen und war davon völlig fasziniert. Darum beschloss sie, nicht Lehrerin zu werden, sondern Forscherin.

In ihrer Promotion an der TU Berlin untersuchte sie die Gründe für individuelle Unterschiede im Lernverhalten von Honigbienen.

Zentrale Experimente der Arbeit führten sie dabei an die University of California in Davis (USA). Für ihre 2001 vorgelegte Doktorarbeit erhielt sie den Joachim-Tiburtius-Preis der drei Berliner Universitäten. Danach erforschte Scheiner an der TU weiterhin das Lernverhalten von Bienen und die Bedeutung der sensorischen Schwelle für die Arbeitsteilung. Hinzu kam die Untersuchung der molekularen Mechanismen des Verhaltens. 2007 habilitierte sie sich im Fach Zoologie; 2009 wechselte sie als Heisenberg-Stipendiatin der Deutschen Forschungsgemeinschaft an die Universität Potsdam. Von dort kam sie zum 1. Oktober 2014 als Professorin für Neuroethologie der Arthropoden nach Würzburg.


Weitere Informationen unter:
http://www.zoo2.biozentrum.uni-wuerzburg.de/forschung/molekulare_verhaltensbiologie_ag_scheiner/
Website von Ricarda Scheiner
http://www.uni-wuerzburg.de
Website der Uni Würzburg
http://www.presse.uni-wuerzburg.de
Website der PResse- und Öffentlichkeitsarbeit der Uni Würzburg

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution99

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Marco Bosch, 09.12.2014
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Dezember 2014