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ORNITHOLOGIE/334: Sprach-Elemente im Vogelgezwitscher entdeckt (idw)


Universität Zürich - 29.06.2015

Sprach-Elemente im Vogelgezwitscher entdeckt


Das Gezwitscher eines Vogels im australischen Outback gleicht der Art und Weise, wie Menschen sinnvolle Wörter bilden. Der äusserst soziale Rotscheitelsäbler kann seine Laute neu ordnen, um eine andere Bedeutung zu vermitteln. Dies geht aus einer Studie von Evolutionsbiologen der Universität Zürich hervor.


Foto: © Lucy Browning

Rotscheitelsäbler
Foto: © Lucy Browning


Nur ein Laut ändert sich, und aus der «T»atze wird eine «K»atze. Die menschliche Sprache zeichnet sich durch kleinste bedeutungsunterscheidende akustische Einheiten aus. Nun haben Evolutionsbiologen der Universitäten Zürich und Exeter entdeckt, dass auch der Rotscheitelsäbler, der im australischen Outback lebt, diese Fähigkeit hat. Er ordnet in seinen Rufen bedeutungslose Laute neu an und vermittelt dadurch eine andere Bedeutung.

Bereits frühere Studien wiesen darauf hin, dass Vögel verschiedene Laute als Teil eines komplexen Liedes aneinanderreihen können. Doch mangelt es diesen Liedern im Allgemeinen an einer spezifischen Bedeutung und die veränderte Lautanordnung in einem Lied scheint die Botschaft insgesamt nicht zu verändern. Im Gegensatz zu den meisten Singvögeln singen Rotscheitelsäbler nicht. Stattdessen zeichnet sich ihr umfassendes stimmliches Repertoire durch einzelne Rufe aus, die aus kleineren, akustisch getrennten einzelnen Lauten bestehen.


Bedeutungsvolle Unterschiede zwischen den einzelnen Ruflauten

Die Forscher bemerkten, dass die Rotscheitelsäbler bei bestimmten Verhaltensmustern zwei unterschiedliche Laute «A» und «B» in verschiedenen Anordnungen nutzten. Beim Fliegen produzierten die Vögel einen Flugruf «AB», beim Füttern der Jungen im Nest gaben sie dagegen die Aufforderungsrufe «BAB» von sich. Als die Forscher die Laute zurück spielten, konnten sie den verschiedenen Rufarten unterscheiden. Sie blickten in die Nester, wenn sie den Aufforderungsruf zum Füttern hörten und suchten nach ankommenden Vögeln, wenn sie einen Flugruf hörten. Dies war auch der Fall, als die Forscher die Elemente zwischen den beiden Rufen vertauschten: Sie machten Flugrufe aus Aufforderungselementen und Aufforderungsrufe aus Flugelementen.

Diese Beobachtungen weisen laut Sabrina Engesser, Evolutionsbiologin an der Universität Zürich, darauf hin, dass die beiden Rufe aus einer Neuanordnung derselben Laute erzeugt wurden. Mitautor Simon Townsend von der Universität Zürich ergänzt: «Auch wenn die beiden Vogelrufe strukturell sehr ähnlich sind, werden sie in total unterschiedlichen Verhaltenszusammenhängen produziert und zuhörende Vögel können sie unterscheiden.» Die Autoren gehen davon aus, dass beim Rotscheitelsäbler das erste Lautelement «B» offensichtlich die Bedeutung zwischen Flug- und Aufforderungsvokalisierung unterscheidet, ähnlich wie «mein» und «ein» im Deutschen, wo das «m» das bedeutungsunterscheidende Element oder Phonem darstellt. Laut Simon Townsend ist diese Phonem-Struktur zwar sehr einfach, trotzdem veranschaulicht sie, wie sich die Fähigkeit, neue Bedeutung zu erzeugen, anfangs beim Menschen entwickelt hat.

«Wir denken, dass das Kombinieren von zwei vorhandenen Lauten schneller ist als die Entwicklung eines neuen Lauts, und die Rotscheitelsäbler deshalb die Laute neu ordnen», schliesst Mitautor Andy Russell, Professor an der Universität Exeter.


Literatur:
Engesser S, Crane JMS, Savage JL, Russell AF, Townsend SW.
Experimental Evidence for Phonemic Contrasts in a Nonhuman Vocal System.
PLoS Biol 13(6).
Doi:10.1371/journal.pbio.1002171


Weitere Informationen unter:
http://www.mediadesk.uzh.ch

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http://idw-online.de/de/institution94

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Zürich, Beat Müller, 29.06.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Juli 2015

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