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ORNITHOLOGIE/296: Teichhuhn - Lautrepertoire und Jungennester (Der Falke)


Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 9/2013

Vögel an Gewässern
Lautrepertoire und Jungennester: Teichhuhn

Von Anita Schäffer



Früher wurde das Teichhuhn, das in Deutschland vor allem im Tiefland ein weitverbreiteter Brutvogel ist, aufgrund seiner farbigen Beine auch "Grünfüßiges Teichhuhn" genannt. Dabei handelt es sich bei dieser Wasservogelart gar nicht um ein Huhn, sondern um eine Ralle. Bei Annäherung eines Feindes flüchten Teichhühner normalerweise nach Rallenart schnell in dichte Vegetation und bleiben dort so lange, bis sie sich wieder sicher fühlen. Für den geduldigen Beobachter lohnt sich das Warten oft, denn viele interessante Verhaltensweisen lassen sich beim Teichhuhn, dessen Brutzeit bis in den August hineinreicht, gut verfolgen und deuten.

© H.-J. Fünfstück, Uffing am Staffelsee, 3.2.2008

Mit ihren extrem langen Zehen können Teichhühner auch gut klettern
Webseite des Fotografen: www.5erls-naturfotos.de © H.-J. Fünfstück, Uffing am Staffelsee, 3.2.2008

Wie alle Rallen so zeichnet sich auch das Teichhuhn durch einen schmalen, wie zusammengedrückten Körperbau und lange Zehen aus. Kopf, Brust und Unterseite sind schwarz gefärbt. Oberseits ist das Teichhuhn olivbraun mit kontrastierenden weißen Flankenlinien und Unterschwanzdecken. Durch eine auffällig leuchtend rote Stirnplatte, die in den roten Schnabel mit einer gelben Spitze übergeht, ist das adulte Teichhuhn unverwechselbar. Rot findet sich weiterhin in den Augen und einem Ring über dem Fersengelenk an den gelbgrünen, Namen gebenden Beinen. Die Vögel sind bestens ausgerüstet, sich "schlüpfend" in dichter Vegetation und sogar auf schwimmenden Pflanzenteilen fortzubewegen. An Land wie im Wasser bewegen Teichhühner den Kopf ruckartig vor und zurück, wie man es von Haushühnern kennt. Der Schwanz ist meist nach oben gerichtet und wippt beim Schwimmen. Schnelles Schwanzwippen und spreizen der weißen Unterschwanzfedern gelten als Abwehrmechanismus gegenüber angreifenden Feinden.

Die kleinen Rallen sind sehr anpassungsfähig und besiedeln alle möglichen Gewässer, die aufgrund eines hohen Nährstoffgehaltes reich mit dichter Ufer- und Schwimmblattvegetation bewachsen sind. Hierzu zählen große Seen mit Röhrichtgürteln ebenso wie kleine Teiche und langsame Fließgewässer, in der freien Landschaft wie im besiedelten Raum. Teichhühner können gut klettern und balancieren. Normalerweise sind die Vögel tagaktiv und ruhen nachts in ihren Nestern in dichter Vegetation, in Büschen oder niedrigen Bäumen. In mondhellen Nächten sind Teichhühner jedoch auch aktiv.

In der Regel flüchten Teichhühner bei Gefahr an Land schnell rennend, im Wasser schwimmend in dichte Vegetation. Sie können aber auch untertauchen und sich dann an Unterwasserstrukturen festhalten, sodass nur der Schnabel bei genauem Hinsehen auszumachen ist. Bei abflauender Gefahr kommen dann langsam der Kopf und der ganze Vogel wieder zum Vorschein. In der Nähe von Menschen, beispielsweise in Stadtparks, sind die Tiere zutraulicher. Gelegentlich fliegen Teichhühner auch außer Reichweite von Störenfrieden, dann wirken sie schwerfällig und landen bald in geeigneter Deckung.

Mit Schild und Krallen

Die kurzen, kräftigen Schnäbel sind bestens geeignet, sich von einer breiten Auswahl an Speisen zu ernähren. Etwa drei Viertel der Nahrung besteht aus Pflanzen, darunter faserige Algen, Moos und Pflanzenteile sowie Samen und Beeren. Ergänzt wird der Speisezettel durch Regenwürmer, Schnecken, Krebstiere, Insekten und deren Larven, Spinnen, kleine Fische und Kaulquappen, auch Aas und Abfälle werden nicht verschmäht. Teichhühner nehmen ihre Nahrung im Wasser schwimmend von der Oberfläche auf, suchen am Ufer Blätter und Zweige oder auf Grünland und Äckern, meist in der Nähe von Deckung, nach Nahrung. Als Opportunisten fressen sie, was gerade zur Verfügung steht. Sehr selten wird nach Fressbarem getaucht.

Teichhuhnpaare verteidigen ihre Brut- und Nahrungsreviere vehement gegen Eindringlinge anderer Arten und auch Artgenossen. Dabei kann es auch zu heftigen Kämpfen kommen, im Wasser wie an Land. Meist geht es Weibchen gegen Weibchen und Männchen gegen Männchen. Brust an Brust versuchen sich die Vögel gegenseitig mit den Krallen abzuwehren. An Land gehen sie dabei bis zu einem Meter hoch in die Luft, im Wasser versuchen sie sich gegenseitig unterzudrücken. Bei Teichhühnern herrscht eine strenge Hierarchie, wobei Männchen über Weibchen sowie ältere über jüngere Tiere dominieren. Höhergestellte Teichhühner verfügen über größere Schnabelschilde, die sie durch Vorrecken des Kopfes deutlich zur Schau stellen. Die Flügel werden zudem leicht abgespreizt, der Schwanz aufgestellt und die weißen Unterschwanzfedern gezeigt. Im Gegensatz zu einem Angriff wird bei der Balz der Kopf eher niedrig gehalten, um der Warnwirkung des Schildes entgegenzuwirken. Wenn die Rallen zusammen mit Jungvögeln im Herbst oder in größeren Gruppen im Winter gemeinsam auf Nahrungssuche gehen sowie bei der Balz, lassen sich viele dieser Verhaltensweisen beobachten.

In Deutschland sind Teichhühner Standvögel, die extremer Kälte jedoch kurzfristig ausweichen. Zu diesen Vögeln gesellen sich zahlreiche Wintergäste aus Osteuropa.

Familienleben

Zum ausgehenden Winter beginnen die Teichhühner sich zu Paaren zusammenzufinden. Dabei wählen die Weibchen die Partner aus. Bevorzugt werden Männchen mit augenscheinlich größerem Fettvorrat, da diese in günstigerer Kondition zu längerem Brüten sind als schmächtige Männchen. Saisonale Einehe ist der Normalfall, bei Standvögeln kann die Paarbindung jedoch manchmal auch mehrere Jahre halten. Bei der Balz schwimmt das Männchen auf ein nahes Weibchen zu, wobei es den Schnabel scheinbar pickend ins Wasser taucht. Ist das Weibchen interessiert, imitiert es den Partner. Dann schwimmen beide unter leisen Rufen nebeneinander her. Die Abfolge wird zumeist mehrmals wiederholt.

Gebundene Paare begrüßen sich, indem sie langsam aufeinander zulaufen, dann schnell aneinander vorbeirennen, bevor sie sich zum Fressen entspannen. Während der Balz erfolgt auch ein Nachrennen des Männchens hinter dem Weibchen, das dann häufig stoppt und den Partner zur Kopulation einlädt. Gegenseitige Gefiederpflege ist ebenfalls ein Zeichen von Paarbindung.

Ab Beginn der Balz werden Balznester gebaut, die eigentlich eher Plattformen sind, von denen später eines als Brutnest ausgebaut wird. Häufig wird auch ein zweites Gelegenest oder schnell ein Nest eigens für die Jungen als Ruhenest errichtet. Die Nester werden gemeinsam gebaut. Das Männchen bringt Material wie Zweige, Schilf und Binsen herbei, das Weibchen verbaut die Teile dann in der Regel in der Wasservegetation, manchmal auch schwimmend, zu einem Nest. Die flache Nestmulde wird mit feinerem Material gepolstert. Teichhühner nutzen, was zur Verfügung steht, sodass früh gebaute Nester meist wenig grüne Pflanzenteile enthalten. Auch während der Bebrütung werden die Nester noch ausgebaut und verbessert. Aufgrund der Nähe zum Wasser fallen Gelege häufig Überflutungen zum Opfer. Das Weibchen legt fünf bis neun hell pastellfarbene, meist weißgraue bis beige Eier mit dunkleren Flecken. Gelege mit bis zu bis 17 Eiern sind bekannt, wahrscheinlich stammen Gelege mit mehr als 13 Eiern jedoch von zwei Weibchen. Teichhühner legen ihre Eier durchaus in fremde Nester, meist ebenfalls von Teichhühnern. Männchen und Weibchen bebrüten 19 bis 22 Tage lang das Gelege abwechselnd, wobei Männchen häufiger nachts auf den Eiern sitzen. Die Jungen sind schwarz, mit oberseits grün glänzenden Dunen. Die Kopfoberseite ist fast nackt, über den Augen zeigt sich hellblaue, am Scheitel dunkelrosa Haut. Bei jungen Küken ist der Schnabel wie bei den Eltern rot mit gelber Spitze. Obwohl sie sofort schwimmen können, verbleiben sie für wenige Tage im Nest. Beide Eltern führen und füttern etwa 25 Tage die Jungen, die mit etwa 10 Tagen selbstständig Nahrung finden können. Sie betteln dennoch um Futter und picken am Schnabel der Eltern. Mit etwa sieben Wochen sind die Jungen selbständig. Nun ist der Schnabel mattgrün, das Federkleid von braunoliver Grundfarbe und jegliche Farbe ist aus dem Gesicht verschwunden.

Neben zwei bis drei Jahresbruten kommen regelmäßig auch Schachtelbruten und Ersatzgelege vor. Gelegentlich helfen die Jungen der ersten Brut bei der Aufzucht der Geschwister aus nachfolgenden Bruten. Interessant ist, dass Jungvögel zuweilen von einem Altvogel geschüttelt werden, wie um den Nachwuchs zur Räson zu bringen. Oft sind es ältere Junge, die zugunsten kleinerer Geschwister bei der Fütterung hintangestellt werden. Möglicherweise wird durch dieses Verhalten Unabhängigkeit gefördert sowie Geschwisterrivalität verringert.

Bestand und Gefährdungen

Das Teichhuhn kommt in allen gemäßigten, subtropischen und tropischen Klimazonen Eurasiens und Afrikas vor. Für Europa wird der Bestand auf 900000 bis 1,7 Millionen Paare geschätzt, die ADEBAR-Kartierungen ergaben für Deutschland 34000 bis 59000 Reviere. Insgesamt fand bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts eine Arealausweitung nach Norden statt. Ab etwa Mitte der 1970er Jahre ist ein negativer Bestandstrend vor allem in Süd- und Ostdeutschland zu verzeichnen, der auch durch zunehmende Besiedelung von Stadtgebieten nicht ausgeglichen werden kann. Der Tiefpunkt war meist Ende der 1980er Jahre erreicht. Die Ergebnisse des vom DDA koordinierten Monitorings häufiger Brutvögel zeigen eine Bestandszunahme seit den 1990er Jahren. Dennoch findet sich das Teichhuhn in Deutschland auf der Vorwarnliste bedrohter Arten, in Baden-Württemberg, Thüringen und Sachsen gilt die Art als gefährdet. Die lokal zum Teil erheblichen Bestandseinbrüche bis hin zum Erlöschen einzelner Populationen werden auf extrem strenge Winter mit hohen Verlusten, zum Beispiel Mitte der 1980er Jahre, zurückgeführt. In den überwiegend milden Wintern der 1990er Jahre zeigte die Art einen positiven Trend. Als Gefährdungsursachen werden vor allem Lebensraumverlust im Zuge des Gewässerausbaus sowie Störungen durch zunehmenden Freizeitbetrieb genannt. Hinzu kommt verstärkt Konkurrenz durch das Blässhuhn.

Wie viele andere Wasservogelarten auch profitiert das Teichhuhn von ausgewiesenen Ruhezonen und Schutzgebieten in röhrichtreichen Uferbereichen von Seen, Teichen und Fließgewässern.

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Beobachtungstipps zum Teichhuhn

Auffälligstes Merkmal: schwarzolivbraun mit weißen Flankenlinien und Unterschwanzdecken, leuchtend rote Stirnplatte, roter Schnabel mit gelber Spitze, grüngelbe Beine mit langen Zehen; Dunenjunge schwarz mit kahlen blauen und roten Hautstellen im Gesicht
Wann: ganzjährig
Wo: nährstoffreiche Gewässer mit dichter Ufervegetation
Was: Paarbildung, Jungenaufzucht, Nahrungssuche, Bewegungsmuster


Laute für jede Lebenslage

Rallen sind sehr ruffreudige Vögel, die über ein vielfältiges Stimmrepertoire verfügen. Häufig handelt es sich dabei um einsilbige, schnarrende beziehungsweise knarrende Laute, die oft stundenlang, vornehmlich in den Dämmerungs- und Nachtstunden vorgetragen werden. Auch einsilbige, sogenannte Explosivlaute sind von Vertretern der Familie häufig zu hören. Die Anwesenheit von Rallen ist oft nur über ihre Stimme festzustellen.
Die Laute des Teichhuhns klingen klackend schnatternd, oft metallisch hart, mit zahlreichen Variationen. Der häufigste Ruf klingt wie "krrrük" und ist meist aus dichter Deckung zu hören, hauptsächlich zu Brutzeit und in der Dämmerung am Morgen oder Abend, im Frühjahr manchmal die ganze Nacht hindurch. Sehr lautes, tiefes und manchmal schnell wiederholtes "keh-keh" deutet auf unmittelbare Gefahr hin, während lautes, kurzes wiederholtes "kik" bei Störungen ausgestoßen wird. Kurz vor einem Angriff, zum Beispiel bei der Verteidigung von Eiern oder Jungen, erklingt laut und explosionsartig wiederholt "tschuck" vom Männchen oder "kuck" vom Weibchen, bei abflauender Gefahr reduziert sich der Laut zu einem weicheren "tuuk". Ein feinerer Ruf wie gemurmeltes, melodisches wiederholtes "kouk" ist typischerweise während Paarbildung, Nestbau und Jungenaufzucht zu hören. Stimmfühlungslaute der Jungen sind schon aus dem Ei zu vernehmen. Um nach dem Schlüpfen mit den Eltern Kontakt zu halten, rufen die Jungen hell "tschiep", unter Stress können sich die Laute schnell zu wiederholtem "kik-ik-ik" oder sogar jaulendem "pitiies" steigern.
Diese wichtigsten Teichhuhnrufe kann man bei längerer Beobachtung auch sehr gut deuten.

Informationen zum Thema:

Fünfstück H-J, Ebert A, Weiß I 2010:
Taschenlexikon der Vögel Deutschlands
Quelle und Meyer Verlag, Wiebelsheim

Gosler A et al.: Ecology Letters
(Online-Vorabveröffentlichung, DOI:
10.1111/j.1461-0248.2005.00816.x)

Harrison C 1975: Jungvögel, Eier und Nester aller
Vögel Europas, Nordafrikas und des Mittleren Ostens
Paul Parey, Hamburg

Perlo vB, Taylor B 1998: Rails. A Guide to the Rails,
Crakes, Gallinules and Coots of the world
Pica Pres, East Sussex

www.dda-web.de

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Quelle:
Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 9/2013
60. Jahrgang, September 2013, S. 353-355
mit freundlicher Genehmigung des AULA-Verlags
AULA-Verlag GmbH, Industriepark 3, 56291 Wiebelsheim
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Oktober 2013