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MELDUNG/525: Was dem Höhlenbären das Leben schwer machte (idw)


Eberhard Karls Universität Tübingen - 28.03.2018

Was dem Höhlenbären das Leben schwer machte

Studie rekonstruiert Szenario vor 24.000 Jahren: Menschliche Jagd und Klimaabkühlung führten zum Aussterben der großen Pflanzenfresser


Mit 3,50 Metern Länge und 1,70 Metern Schulterhöhe gehörte der Höhlenbär zu den Giganten der letzten Kaltzeit - und überlebte doch die Eiszeit vor 24.000 Jahren nicht. Ein Wissenschaftlerteam aus Deutschland, Italien und Kanada hat nun das Szenario rekonstruiert, das zum Aussterben der pflanzenfressenden Großsäuger geführt haben könnte. Danach erhöhten das abkühlende Klima in Kombination mit der Jagd durch den Menschen und einer mangelnden Ernährungsflexibilität den Druck auf die Höhlenbären. Professor Hervé Bocherens vom Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment (HEP) der Universität Tübingen war an der Studie beteiligt, in der Knochenfunde mit modernsten Methoden neu untersucht wurden. Die Ergebnisse wurden im Fachmagazin Historical Biology veröffentlicht.


Foto: © Royal Belgian Institue of Natural Sciences

Ausgewachsener Höhlenbär mit Jungtier aus Belgien

Foto: © Royal Belgian Institue of Natural Sciences

Höhlenbären (Ursus spelaeus) lebten in der letzten Kaltzeit vor etwa 400.000 Jahren in Europa, bis sie vor circa 24.000 Jahren ausstarben. Sie waren deutlich größer als ihre heutigen Verwandten, die Braunbären, aber wenig bedrohlich für den Menschen: In einer früheren Studie hatten Wissenschaftler anhand der Isotopenzusammensetzungen im Kollagen der Bären-Knochen bereits nachgewiesen, dass sich die Höhlenbären rein vegan ernährten. Warum sie im Lauf der letzten Eiszeit von der Bildfläche verschwanden, gab lange Rätsel auf. Verantwortlich gemacht wurden meist der prähistorische Mensch und die Kälte des letzten Gletschermaximums vor 24.000 bis 19.000 Jahren. Paläogenetische Untersuchen zeigten zudem, dass die Dezimierung der Bären vor rund 50.000 Jahren begann, als der anatomisch moderne Mensch in Europa den Neandertaler verdrängte: Knochenfunde mit Pfeilspitzen und Schnittspuren deuteten darauf hin, dass der Höhlenbär von Menschen gejagt wurde.

Während die Bären in vielen Regionen Europas bereits vor Beginn der Eiszeit vor ca. 27.000 Jahren verschwanden, überlebten einige in anderen Regionen länger. Eine der jüngsten Populationen konnte im Nordosten Italiens nachgewiesen werden. An Knochenfunden aus den dortigen Höhlen überprüften die Wissenschaftler in der aktuellen Studie die Thesen nochmals mit modernsten Methoden: Sie datierten die Knochen neu und verglichen die Ernährung dieser letzten Höhlenbären mit älteren Populationen ihrer Art. Zudem suchten die Forscher nach Beweisen für Jagd und Verzehr durch Menschen.

Die neuen Radiokarbon-Daten bestätigen nun, dass diese Höhlenbären noch bis vor 24.000 gelebt und somit den Beginn der Eiszeit überlebt hatten. Spuren an den Knochen untermauern, dass prähistorische Menschen die Bären jagten und verwerteten. Die Isotopenzusammensetzung zeigte zudem, dass die Höhlenbären ihre vegetarische Ernährung auch im abkühlenden Klima beibehielten und nicht durch Fleisch erweiterten. Diese mangelnde Flexibilität in ihrer Ernährung und der Jagddruck durch Menschen führten vermutlich zu erhöhtem Stress für die Höhlenbären und dazu, dass sie im abkühlenden Klima nicht überleben konnten, wie Hervé Bocherens erklärt. "Es war wohl diese Kombination klimatischer und anthropogener Faktoren für das Aussterben der Art verantwortlich."


Publikation:
Terlato, G., Bocherens, H., Romandini, M., Nannini, N., Hobson, K.A., Peresani, M., 2018.
Chronological and isotopic data support a revision for the timing of cave bear extinction in Mediterranean Europe.
Historical Biology
doi: 10.1080/08912963.2018.1448395

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution81

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Eberhard Karls Universität Tübingen, Antje Karbe, 28.03.2018
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. April 2018

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