Ludwig-Maximilians-Universität München - 29.04.2015
Evolution - Die harte Schale der Armfüßer
LMU-Wissenschaftler haben zum ersten Mal die molekularen Mechanismen der Schalenbildung bei Armfüßern umfassend untersucht. Der Vergleich mit anderen Tiergruppen zeigt, dass dieser Prozess evolutionär tief verankert ist.
Armfüßer (Brachiopoden) sind wirbellose Meerestiere, die vor allem im
Erdaltertum weit verbreitet waren. Die Gruppe ist wegen ihres
Fossilreichtums berühmt: Bisher sind etwa 30.000 fossile Arten bekannt,
von denen die ältesten aus dem Kambrium stammen, also etwa 500 Millionen
Jahre alt sind. Heute gibt es vergleichsweise nur noch wenige Arten, die
verschiedene Meeresbereiche besiedeln. Ein Kennzeichen der Armfüßer ist
ihre zweiklappige Kalkschale. "Wie diese Schale gebildet wird, war bisher
ungeklärt", sagt Professor Gert Wörheide vom Department für Geo- und
Umweltwissenschaften und Geobio-Center der LMU, "Wir haben nun die erste
umfassende Studie von Genen und Proteinen durchgeführt, die an der
Schalenbildung beteiligt sind." Über ihre Ergebnisse berichten die
Forscher im Fachjournal Genome Biology and Evolution.
Obwohl Armfüßer auf den ersten Blick Muscheln ähneln, sind sie mit diesen nicht verwandt. Im Gegensatz zu Muscheln ist ihre zweiklappige Schale nicht rechts-links symmetrisch, sondern sie besteht aus einer Ober- und einer Bauchseite, wobei die bauchseitige Schale meist größer ist. Die Schale ist entweder aus Calciumcarbonat (Calcit) oder Calciumphosphat sowie aus verschiedenen Proteinen und Kohlenwasserstoffen aufgebaut, die während der enzymatisch gesteuerten Schalenbildung abgesondert und mit in die Schale eingebaut werden. "Daher können in die Schale eingeschlossene Proteine wertvolle Hinweise über den Ablauf der Schalenbildung liefern", sagt Wörheide.
Um die Schalenbildung bei Armfüßern aufzuklären, haben die Wissenschaftler am Beispiel des südamerikanischen Armfüßers Magellania venosa nicht nur die Gesamtheit der in der Schale eingeschlossenen Proteine identifiziert, sondern auch untersucht, welche Gene - die die Baupläne für die Proteine codieren - bei der Schalenbildung heutiger Armfüßer aktiv sind. "Dies war das erste derartige Screening überhaupt für einen Armfüßer. Erst durch die Kombination beider Methoden können die molekularen Komponenten der Schalenbildung identifiziert werden", sagt Wörheide.
Die Ergebnisse des Screenings sind besonders interessant im Hinblick auf andere schalenbildende Organismen, etwa Korallen, Seeigel oder Mollusken (Weichtiere): Sieben der am häufigsten in der Magellania-Schale gefundenen Proteine kommen zwar nur bei Armfüßern vor, haben aber biochemische Eigenschaften, die denen von Proteinen ähneln, die bei den anderen Tiergruppen vergleichbare Funktionen erfüllen. Andere Proteine wiederum stimmen in ihrem Aufbau mit denen der anderen Tiergruppen signifikant überein. Die Wissenschaftler schließen aus ihren Daten, dass ein Teil der genetischen Ausstattung und der molekularen Mechanismen für die Biomineralisation - also des Prozesses, mit dem Organismen mineralische Komponenten bilden - evolutionär tief verankert und ähnlich auch bei anderen wirbellosen Tieren zu finden ist. "Unsere Ergebnisse ermöglichen damit einen ganz neuen Einblick in die Evolution der Schalenbildung bei Armfüßern", sagt Wörheide, "diese Daten werden auch für zukünftige Studien sehr wertvoll sein." (Genome Biology and Evolution 2015)
Originalpublikation:
The Magellania venosa biomineralizing proteome: a window into brachiopod
shell evolution
Daniel J. Jackson, Karlheinz Mann, Vreni Haussermann, Markus Schilhabel,
Carsten Lüter, Erika Griesshaber, Wolfgang Schmahl, Gert Wörheide
Genome Biology and Evolution 2015
doi: 10.1093/gbe/evv074
http://gbe.oxfordjournals.org/content/early/2015/04/24/gbe.evv074.abstract
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Ludwig-Maximilians-Universität München, Luise Dirscherl, 29.04.2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Mai 2015
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