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PLANET/478: Erdähnliche Planeten allüberall (Sterne und Weltraum)


Sterne und Weltraum 10/12 - Oktober 2012
Zeitschrift für Astronomie

Kurzbericht
Erdähnliche Planeten allüberall

Von Jan Hattenbach



Erdgroße Planeten entstehen auch bei metallarmen Sternen - im Gegensatz zu den Gasriesen. Unserer Erde ähnliche Planeten dürften damit besonders häufig anzutreffen sein und das Universum seit langer Zeit bevölkern.


Erdgroße Planeten sind eine seltene Ausnahme im Universum: Sie sind aus schweren chemischen Elementen wie Kohlenstoff oder Eisen und deren Verbindungen zusammengesetzt. Global betrachtet machen diese Elemente jedoch nur einen verschwindenden Teil der gewöhnlichen Materie aus - der übergroße Teil aller Materie im Weltall besteht entweder aus Wasserstoff- oder aus Heliumatomen. Für Astronomen bilden alle Substanzen jenseits von Helium daher eine einheitliche Klasse - die »Metalle«. Auch Sauerstoff oder Kohlenstoff sind in diesem Sinne »Metalle«, im Unterschied zur gebräuchlichen Verwendung dieses Begriffs.

Direkt nach dem Urknall fehlten die Metalle noch komplett, und die ersten Sterne bestanden vollständig aus Wasserstoff und Helium. Erst im Laufe der Zeit wurden in den Fusionsöfen der Sterne und in den Explosionswolken der Supernovae alle uns bekannten chemischen Elemente jenseits von Wasserstoff und Helium erbrütet und mit Sternwinden und bei Sternexplosionen wieder zurück ins Weltall geschleudert. Aus dieser Materie bildeten sich Sterne mit immer höherem Anteil an schweren Elementen - mitsamt ihren Planetensystemen. Die Sonne - obschon ein »metallreicher« Stern späterer Generation - besteht immer noch zu 99,9 Prozent aus Wasserstoff und Helium, auf das restliche zehntel Prozent verteilen sich sämtliche Metalle.

In anderen Regionen der Galaxie sind die Metalle noch seltener: Lars A. Buchhave von der Universität Kopenhagen und seine Kollegen haben Sterne untersucht, deren Metallgehalt nur 25 Prozent des Sonnenwerts beträgt. Die Forscher aus Dänemark, Schweden und den USA gingen der Frage nach, ob sich erdähnliche Planeten - also solche, deren Radien nicht größer als das Vierfache der Erde sind und die demnach höchstwahrscheinlich aus fester Materie bestehen - wie die Gasplaneten vorwiegend bei metallreichen Sternen bilden.

Bei der Entdeckung immer neuer Planeten war den Forscher nämlich vor einigen Jahren aufgefallen, dass metallarme Sterne kaum Gasplaneten von der Größe des Jupiter oder darüber besitzen. Bei metallreichen Sternen, also solchen, die mindestens so viele schwere Elemente aufweisen wie die Sonne, fanden sie dagegen sogar Gasplaneten mit besonders engen Umlaufradien - so genannte heiße Jupiter. Nach der geläufigen Theorie entstehen Planeten gemeinsam mit ihrem Stern aus einer sich verdichtenden Gas- und Staubwolke. Da die äußeren Sternatmosphären an der Kernfusion im Zentrum des Sterns praktisch nicht beteiligt sind (eine Ausnahme bilden nur vollkonvektive M-Zwerge), entspricht die spektroskopisch messbare Metallkonzentration des Sterns der ursprünglichen Konzentration der schweren Elemente in der Urwolke.


Ein paradoxes Ergebnis

Buchhave und seine Kollegen untersuchten die Spektren von 152 Sternen, bei denen das Weltraumteleskop Kepler insgesamt 226 Planetenkandidaten gefunden hatte. Kepler überwacht rund 190.000 Sterne in einem bestimmten Himmelsareal im Sternbild Schwan (siehe SuW 4/2011, S. 24 und 5/2012, S. 24) auf winzige Helligkeitsschwankungen, hervorgerufen durch vorüberziehende Planeten. Knapp 800 Exoplaneten kennt man inzwischen, etwa 2400 von Kepler entdeckte »Kandidaten« warten noch darauf, als Planeten bestätigt zu werden. So auch die von Buchhave und seinen Mitarbeitern untersuchten Exemplare. Ihr überraschendes Ergebnis: erdähnliche - also metallreiche - Planeten kommen bei allen Sterntypen gleich häufig vor. Ganz gleich, ob ein Stern mehr oder deutlich weniger Metalle als die Sonne enthält, die Wahrscheinlichkeit, dass sich bei ihm felsige Planeten finden lassen, ist in beiden Fällen praktisch gleich groß.

Das Ergebnis erscheint auf den ersten Blick paradox. Die Forscher erklären es mit dem Einfluss des jungen Sterns. Nach wenigen Millionen Jahren bläst dessen Sternwind alle flüchtigen Elemente aus dem Zentrum des Planetensystems fort. Während die wenigen, aber trägen »Metalle« weiter zur Bildung fester Planeten zur Verfügung stehen, fehlt das Gas, aus dem die jupiterähnlichen Riesenplaneten aufgebaut sind. Damit sich Gasriesen überhaupt bilden können, muss der Planetenentstehungsprozess besonders schnell und effizient erfolgen. Zunächst bilden sich demnach felsige Kondensationskeime. Diese müssen spätestens nach fünf Millionen Jahren eine kritische Masse erreicht haben, so dass sie genügend Gas aus ihrer Umgebung aufsammeln können, bevor es in das umgebende Weltall entschwindet - dies erfordert wiederum eine besonders hohe Metallkonzentration in der Wolke. Ist die Konzentration dagegen zu gering, bilden sich nur kleine Kondensationskeime und aus diesen schließlich erdähnliche Planeten, aber keine Gasriesen.

Der Befund wirft ein neues Licht auf den Prozess der Planetenentstehung und erlaubt zwei wichtige Schlussfolgerungen: Erstens sind erdähnliche Planeten offenbar weit häufiger als Gasriesen, denn sie entstehen bei einer Vielzahl von Sterntypen. Zweitens formten sie sich lange vor den ersten Gasplaneten, denn der Metallgehalt der Gas- und Staubwolken war im frühen Universum weit geringer als heute. Selbst wenn sich einige der untersuchten Planetenkandidaten noch als Fehlentdeckungen herausstellen sollten, dürfte das die generelle Aussage dieser Untersuchung nicht ändern: Erdähnliche Planeten gibt es im Universum allüberall.


Jan Hattenbach ist Physiker. Siehe auch seinen Blog »Himmelslichter«, zu finden unter www.scilogs.de/kosmologs.


Literaturhinweis

Buchhave, L.A. et al.: An abundance of small exoplanets around stars with a wide range of metallicities. In: Nature 486, S. 375-377, 2012

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Didaktische Materialien zu diesem Beitrag

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WiS in Sterne und Weltraum
Das WiS-Material »Mit »CoRoT« und »Kepler« auf der Suche nach der zweiten Erde« bezieht sich auf die Beiträge »Erdähnliche Planeten allüberall« auf S. 22 und »Ein Exoplanet kommt ins Schwitzen« auf S. 24. Es behandelt die Frage, was wir heute von diesen Objekten wissen und wie man die Parameter dieser Exoplaneten bestimmen kann. Zudem werden die beiden Forschungsmissionen Kepler und Corot besprochen.
(ID-Nummer: 1051348)

»Wie man Exoplaneten entdecken kann« steht im Zusammenhang mit den vorgenannten Beiträgen. Das WiS-Material stellt die indirekten Methoden des Nachweises von Exoplaneten vor und präsentiert dazu kleine Experimente und Modelle. Für ihr Verständnis ist schulisches Wissen ausreichend. Verdeutlicht werden die spektroskopischen, fotometrischen und astrometrischen Verfahren.
(ID-Nummer: 1051519)


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. S. 22 oben:
Planetenentstehung in einer protoplanetaren Scheibe
http://www.nasa.gov/multimedia/videogallery/index.html?media_id=146251701

Die künstlerische Darstellung zeigt eine Scheibe aus Gas und Staub um einen neu gebildeten Stern. Aus felsigen Planetesimalen in der Scheibe bilden sich später ausgewachsene Planeten. Der Metallreichtum in der Wolke entscheidet darüber, welche Arten von Planeten entstehen können.

Abb. S. 22 unten:
Mit der Erde vergleichbare Planeten bestehen aus fester Materie. Die Kollage zeigt künstlerische Darstellungen kleiner, von Kepler entdeckten Exoplaneten-Kandidaten (KOI) sowie Kepler 20 e und f im Größenvergleich mit den vier Felsplaneten unseres Sonnensystems. Erstaunlicherweise bilden sich solche Körper auch bei Sternen, die einen deutlich geringeren Metallgehalt aufweisen als die Sonne.

Abb. S. 23:
Das Weltraumteleskop Kepler überwacht seit dem Jahr 2009 rund 190.000 Sterne in einem Himmelsareal im Sternbild Schwan auf kleine Helligkeitsschwankungen, hervorgerufen durch Planetentransits (künstlerischen Darstellung). Besonderes Augenmerk gilt dabei der Suche nach erdgroßen Planeten.

© 2012 Jan Hattenbach, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg

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Quelle:
Sterne und Weltraum 10/12 - Oktober 2012, Seite 22 - 23
Zeitschrift für Astronomie
Herausgeber:
Prof. Dr. Matthias Bartelmann (ZAH, Univ. Heidelberg),
Prof. Dr. Thomas Henning (MPI für Astronomie),
Dr. Jakob Staude
Redaktion Sterne und Weltraum:
Max-Planck-Institut für Astronomie
Königstuhl 17, 69117 Heidelberg
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Verlag: Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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Internet: www.astronomie-heute.de
 
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Oktober 2012