Schattenblick →INFOPOOL →NATURWISSENSCHAFTEN → ASTRONOMIE

PLANET/384: Mars - Alte und junge Einschlagkrater in der Region Sirenum Fossae (DLR)


Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) - 03.02.2010

Alte und junge Einschlagkrater in der Region Sirenum Fossae


Sirenum Fossae ist ein mehr als zweieinhalb Tausend Kilometer langes System von Brüchen in der Marskruste, das im Südwesten der Vulkanregion Tharsis liegt. In diesem Gebiet befinden sich die größten Vulkane auf dem Mars, so auch der 24 Kilometer hohe Olympus Mons. Durch die mehr als vier Kilometer hohe Aufwölbung von Tharsis kam es zu Spannungen in der Marskruste, was sich an zahllosen Dehnungsbrüchen ablesen lässt. Am 6. Februar 2009 nahm die vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betriebene hochauflösende Stereokamera (HRSC) auf der ESA-Sonde Mars Express im Orbit 6547 einen Teil der Region Sirenum Fossae auf.

Die Bilder zeigen einen Ausschnitt von Sirenum Fossae bei etwa 28 Grad südlicher Breite und 185 Grad östlicher Länge. Das Gebiet befindet sich im Marshochland, etwas nördlich des Kraters Magelhaens. Die Bilder wurden von Mars Express aus einer Höhe von 700 Kilometern aufgenommen und haben eine Auflösung von etwa 29 Metern pro Bildpunkt (Pixel). Das abgebildete Gebiet bedeckt mit einer Ausdehnung von circa 230 Kilometer mal 127 Kilometer eine Fläche von rund 29.450 Quadratkilometer. Das entspricht etwa der Größe Belgiens.

Spannungen in der Marskrusten beim Entstehen einer Vulkanprovinz

Auch das Bruchsystem Sirenum Fossae ist im Zusammenhang mit der Aufwölbung der Vulkanprovinz Tharsis entstanden. Durch die Förderung großer Mengen von Magma an die Oberfläche entstanden zum einen die größten Vulkane des Sonnensystems - neben dem Olympus Mons auch die drei nahezu zwanzig Kilometer hohen Tharsis-Vulkane Arsia, Pavonis und Ascraeus. Bei der Bildung der Vulkane ergossen sich große Mengen an dünnflüssiger Lava über die Marsoberfläche, die zu ausgedehnten, mächtigen Lavadecken erstarrten. Durch das Gewicht der vulkanischen Gesteine entstanden Spannungen innerhalb der Kruste, die sich in Bruchsystemen abbauten, die in der Regel radial zur Tharsis-Region verlaufen.

Im südlichen Marshochland gibt es sehr viel mehr Einschlagkrater als in den Tiefländern der nördlichen Marshalbkugel. Der abrupte Wechsel zwischen Hoch- und Tiefland entlang einer fast den ganzen Mars umspannenden, manchmal mehrere tausend Meter hohen Geländekante ist auffallend. Allerdings sind die Prozesse, die zur Entstehung dieser zum Teil mehrere Kilometer hohen Hochland-Tiefland-Grenze geführt haben, noch nicht vollständig klar und werden noch untersucht. Deutlich sind in den Bildern zahlreiche, teilweise bis zu 50 Kilometer große Einschlagkrater zu erkennen (Ausschnitt 1 im Übersichtsbild). Krater dieser Größe entstehen heute nur noch selten, weil die Anzahl der Asteroiden, deren Bahnen sich mit den Umlaufbahnen der Planeten des inneren Sonnensystems kreuzen, im Laufe der Zeit stark abgenommen hat. Ihre Größe, aber auch die deutlichen Spuren intensiver Verwitterung, lassen erkennen, dass es sehr alte Strukturen sind und es sich bei diesem Teil von Sirenum Fossae um eine mehrere Milliarden Jahre alte Oberfläche handelt.

Im mittleren Bildteil ist eine Hochebene zu erkennen, die mehrere hundert Meter über der Umgebung liegt. An den Abhängen zum Umland sind deutliche Spuren von Erosion zu erkennen. Insbesondere am Westhang (Bildausschnitt 2; Norden ist in den senkrechten Draufsichten rechts) gibt es zwei markante Täler, die sich den Hang abwärts zu einem breiteren Haupttal vereinigen. Der südliche der beiden Seitenarme scheint seinen Ursprung in einem teilweise von Ablagerungen angefüllten Krater zu haben.

In diesem Bildausschnitt sind auch zwei nahezu lineare Strukturen zu sehen, die in Ost-West-Richtung verlaufen (im Übersichtsbild von oben nach unten). Sie bilden die seitliche Begrenzung eines Grabens. In der Geologie wird mit einem Graben eine tektonische Struktur beschrieben, die einen ganzen Geländeblock entlang einer Bruchstruktur zwischen zwei Störungslinien in den durch die Krustendehnung entstandenen Raum in die Tiefe rutschen lässt. Die Struktur ist Teil des Sirenum Fossae-Grabensystems.

Einschlagkrater zeigen eine Chronologie der Ereignisse

Im Süden ist ein deutlich weniger stark von der Erosion veränderter Einschlagkrater zu sehen (Bildausschnitt 3). Er hat einen Durchmesser von etwa 28 Kilometern. Auch ist der Krater kaum von Ablagerungen verfüllt. Der Kraterrand und ein Zentralberg, der entstanden ist, als nach dem Einschlag eines Asteroiden die Kruste zurückfederte, sind noch gut zu erkennen. In der unmittelbaren Umgebung dieses Kraters befinden sich drei weitere große Einschlagkrater - einer im Westen mit einem Durchmesser von etwa 56 Kilometern, einer im Nordosten (Durchmesser circa 34 Kilometer) sowie ein kleiner Krater mit neun Kilometern Durchmesser im Süden. Aufgrund der Form und des Grads der Verwitterung, vor allem aber auch in der Art, wie die einzelnen Krater sich überlagern, lässt sich eine Altersabfolge dieser Krater festlegen: Die beiden größten Krater sind die ältesten, denn sie wurden vom zentralen Krater teilweise zerstört. Außerdem sind dessen Auswurfmassen in den beiden benachbarten Kratern noch gut erhalten. Der kleinste der vier Krater ist der jüngste, da dieser den Rand des zentralen Kraters überprägt hat.

Die Farbansicht wurde aus dem senkrecht blickenden Nadirkanal und den Farbkanälen der High Resolution Stereo Camera (HRSC) erstellt, die Schrägansichten wurden aus den Stereokanälen der HRSC berechnet. Das Anaglyphenbild, das bei Verwendung einer Rot-Blau- oder Rot-Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck der Landschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und einem Stereokanal abgeleitet. Die schwarzweißen Bilder wurden dem Nadirkanal entnommen, der von allen Kanälen die höchste Auflösung liefert. Die höhenkodierte Bildkarte wurde aus dem digitalen Geländemodell abgeleitet, das mit dem Nadir- und den Stereokanälen erzeugt wird.

Das Kameraexperiment HRSC auf der Mission Mars Express der Europäischen Weltraumorganisation ESA wird vom Principal Investigator (PI) Prof. Dr. Gerhard Neukum (Freie Universität Berlin), der auch die technische Konzeption der hochauflösenden Stereokamera entworfen hatte, geleitet. Das Wissenschaftsteam besteht aus 45 Co-Investigatoren aus 32 Institutionen und zehn Nationen. Die Kamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) unter der Leitung des PI G. Neukum entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern gebaut (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH). Sie wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben. Die systematische Prozessierung der Daten erfolgt am DLR. Die Darstellungen wurden vom Institut für Geologische Wissenschaften der FU Berlin in Zusammenarbeit mit dem DLR-Institut für Planetenforschung erstellt.

Vollständiger Artikel mit Bildmaterial: http://www.dlr.de/desktopdefault.aspx/tabid-6216/10226_read-22235/


*


Quelle:
Pressemitteilung vom 03.02.2010
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Unternehmenskommunikation, Linder Höhe, 51147 Köln
http://www.dlr.de/


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Februar 2010