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ENTWICKLUNG/1279: Neue OP-Technik mit dem Distal Tibial Nagel Brüche des unteren Schienbeins (idw)


Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz - 06.03.2017

Revolutionär neue OP-Technik für Brüche des unteren Schienbeins


Univ.-Prof. Dr. Pol M. Rommens, Direktor des Zentrums für Orthopädie und Unfallchirurgie der Universitätsmedizin Mainz (ZOU), und PD Dr. Sebastian Kuhn, ebenfalls ZOU, haben für Brüche des unteren Schienbeins ein gänzlich neues OP-Verfahren und Medizinprodukt entwickelt: den Distal Tibial Nail (DTN). Das sehr stabile und belastbare Implantat ermöglicht es den Operateuren, den Knochen von unten und nicht von der Kniescheibe aus minimal-invasiv zu operieren. Dadurch sind eine kürzere Operationszeit sowie eine geringere Strahlendosis erforderlich. Zudem sinkt das Risiko, dass Komplikationen wie beispielsweise Weichteilproblematiken oder Embolien auftreten.

Neu entwickelter Distal Tibial Nagel (DTN) erstmals klinisch eingesetzt

Für Schienbeine, welche oberhalb des Sprunggelenks gebrochen sind, haben Wissenschaftler der Universitätsmedizin Mainz eine neue Therapieoption entwickelt: den sogenannten Distal Tibial Nail (DTN). Vorteilhaft ist dieses Implantat insbesondere deshalb, weil es den Operateuren ermöglicht, den Knochen von unten und nicht von der Kniescheibe aus minimal-invasiv zu operieren. Dieses Vorgehen lässt das Kniegelenk sowie die Patellarsehne von dem neuartigen Fixierungs-Nagel unberührt und schont zudem das Knochenmark. Dadurch sinkt das Risiko, dass Komplikationen wie beispielsweise Weichteilproblematiken oder Embolien auftreten. Zudem ist die Frakturfixierung mit dem DTN sehr stabil und belastbar. Weitere Pluspunkte der neuen OP-Technik sind eine kürzere Operationszeit sowie die geringere Strahlendosis. Die erstmalige klinische Anwendung des am Zentrum für Orthopädie und Unfallchirurgie der Universitätsmedizin Mainz entwickelten Distal Tibial Nail fand Ende Januar erfolgreich in Japan statt. Die erste derartige Operation an der Universitätsmedizin Mainz ist im Laufe des Jahres 2017 geplant.

Dank des sogenannten Distal Tibial Nail (DTN) sind die medizinischen Möglichkeiten auch komplizierte Schienbeinbrüche zu heilen nun wesentlich besser. Seine Erfinder Univ.-Prof. Dr. Pol M. Rommens, Direktor des Zentrums für Orthopädie und Unfallchirurgie der Universitätsmedizin Mainz (ZOU), und Privatdozent Dr. med. Sebastian Kuhn, Oberarzt, Forscher und Dozent am ZOU, sind davon überzeugt, mit diesem gänzlich neuen OP-Verfahren und Medizinprodukt einen entscheidenden Fortschritt in der Versorgung von Unterschenkelfrakturen erzielt zu haben.

"Der DTN ist ein Implantat, das die Anforderungen eines minimal-invasiven chirurgischen Verfahrens mit der Fähigkeit einer sicheren Frakturfixierung verbindet. In unseren biomechanischen Tests haben wir verschiedene Belastungsszenarien simuliert und darin hat sich der Distal Tibial Nail als sehr stabil erwiesen", so Professor Rommens. "Vor allem hat unser neu entwickelter Tibianagel gegenüber den antegraden Marknägeln konzeptionelle Vorteile."

"Durch die retrograde, über den Innenknöchel ansetzende OP-Technik bleiben Kniegelenk und Patellarsehne unberührt. Auch der größte Abschnitt des Markkanals ist von dem Eingriff nicht betroffen. Wo bei der antegraden Marknagelung der lange Nagel im Markraum das dortige Fett verdrängt hat, welches dann häufig in die Lunge gelangt ist und dort eine Fettembolie verursacht hat, bleibt bei der Implantation des DTNs dies weitestgehend unberührt. Auch andere Folgekomplikationen des bisherigen Verfahrens wie Weichteilproblematiken oder wieder aufbrechende Wunden, lassen sich durch den Distal Tibial Nail nahezu komplett verhindern", erläutert Privatdozent Dr. Sebastian Kuhn die weiteren Vorteile.

Der DTN besteht aus Titan, hat einen Durchmesser von 7,0 bzw. 8,0 Millimetern und eine Länge von 10,5 bis 12,0 Zentimetern. Seine Fixierung erfolgt mittels Bohrungen und Verschraubungen über einen Zielbügel. Dies hilft dem Chirurgen, das Implantat und die Schrauben geführt einzubringen und gezielt zu verriegeln. Somit ist zu erwarten, dass bei einer DTN-Implantation die Operationszeit im Durchschnitt kürzer und die Strahlendosis geringer sind.

Die Mainzer Erfindung ist für die Behandlung eines speziellen und bisher häufig schwierig zu behandelten Indikationsspektrums geeignet. Der DTN ist ein Spezialimplantat für verschiedene Formen von distalen Tibiafrakturen, also Knochenbrüche im unteren Viertel des Schienbeins, nahe des Sprunggelenks. Mögliche Indikationen für den Distal Tibial Nail sind beispielsweise weit distal gelegene Schaftbrüche, distale Schienbeinbrüche außerhalb der Gelenkfläche und, in Kombination mit einer zusätzlichen Zugschraubenosteosynthese, distale Tibiafrakturen mit einfacher Gelenkbeteiligung.

Die erste Idee für das experimentelle retrograde intramedulläre Implantat am Schienbein hatte Univ.-Prof. Dr. Pol M. Rommens im Jahre 2007. Privatdozent Dr. med. Sebastian Kuhn, hat das Medizinprodukt im Rahmen seines Habilitationsprojekts im hiesigen Labor zusammen mit weiteren Mitarbeitern des ZOU bis zur Marktreife hin entwickelt. Nachdem im Jahr 2009 die ersten Prototypen erfolgreich getestet wurden, stieg im 2014 die japanische MIZUHO Corporation ein. Diese produziert Medizintechnikprodukte und vertreibt diese im asiatischen Markt. Da der DTN in Japan bereits zugelassen ist, fand dort auch dessen erste Implantation statt.


Titel der Habilitationsschrift von PD Dr. Sebastian Kuhn:
"Entwicklung, biomechanische Testung und präklinische Evaluation eines neuen retrograden intramedullären Implantatsystems zur Versorgung distaler Tibiafrakturen"

Kontakt
Priv.Doz. Dr. med. Sebastian Kuhn
Oberarzt des Zentrums für Orthopädie und Unfallchirurgie
Universitätsmedizin Mainz
Koordinator TraumaNetzwerk Mainz-Rheinhessen
sebastian.kuhn@unimedizin-mainz.de

Über die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ist die einzige medizinische Einrichtung der Supramaximalversorgung in Rheinland-Pfalz und ein international anerkannter Wissenschaftsstandort. Sie umfasst mehr als 60 Kliniken, Institute und Abteilungen, die fächerübergreifend zusammenarbeiten. Hochspezialisierte Patientenversorgung, Forschung und Lehre bilden in der Universitätsmedizin Mainz eine untrennbare Einheit. Rund 3.300 Studierende der Medizin und Zahnmedizin werden in Mainz ausgebildet. Mit rund 7.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist die Universitätsmedizin zudem einer der größten Arbeitgeber der Region und ein wichtiger Wachstums- und Innovationsmotor. Weitere Informationen im Internet unter
www.unimedizin-mainz.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution1431

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Barbara Reinke M.A., 06.03.2017
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. März 2017

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