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GEWALT/225: Afrika - Vergewaltigung von Jungen und Männern, Opfer brauchen Hilfe (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 22. November 2011

Afrika: Vergewaltigung von Jungen und Männern - Opfer brauchen Hilfe

von Moses Seruwagi *


Kampala, Uganda, 22. November (IPS) - In einem medizinischen Zentrum in Uganda werden Männer aus afrikanischen Bürgerkriegsländern behandelt, die ihren Stolz und ihre Selbstachtung verloren haben. Sie alle sind Opfer sexueller Gewalt.

"Früher dachte ich, nur Frauen würden vergewaltigt. Heute weiß ich es besser", sagt ein 27-jähriger Flüchtling aus der Demokratischen Republik Kongo (DRC), der sich John nennt. "Ich fühle mich nicht mehr als Mann", meint er. Darüber hinaus leidet er an anhaltenden Gesundheitsbeschwerden. Ähnliche Erfahrungen haben Tausende Afrikaner während der Bürgerkriege auf dem Kontinent gemacht.

Im Januar 2009 griffen Rebellen, die dem ehemaligen General Laurent Nkunda folgten, das Dorf Jomba in der kongolesischen Provinz Nord-Kivu an. Die Milizionäre entführten zehn Menschen, darunter sechs Jungen. Nachdem die Geiseln zu Plünderungen gezwungen worden waren, verschleppten die Kidnapper sie in den Urwald. Unter den Gefangenen war auch John.


Rudelvergewaltigungen

"Wir wurden neun Tage lang festgehalten. Der Anführer der Gruppe forderte mich zum Sex mit ihm auf. Erst verstand ich gar nicht, was er wollte", erzählt John, der sein Gesicht während des Gesprächs unter einer Baseball-Kappe verbirgt. "Danach wurde ich von weiteren neun Männern vergewaltigt. Ich wurde ohnmächtig und blutete. So ging es an allen Tagen weiter, auch mit den anderen. Ein Junge ist sogar gestorben."

Fast zwei Jahre nach den schrecklichen Erlebnissen wird John gemeinsam mit anderen Männern und Frauen durch das unabhängige 'Refugee Law Project' (RLP) in der ugandischen Hauptstadt Kampala betreut. Auch seine körperlichen Wunden sind noch nicht verheilt. Überlebende Vergewaltigungsopfer aus anderen afrikanischen Ländern, in denen Konflikte im Gang sind, werden dort ebenfalls behandelt. Sie kommen aus dem Sudan, Somalia, Äthiopien, Eritrea und Burundi.

Das Zentrum wurde vor zehn Jahren gegründet und gehört zur juristischen Fakultät der größten ugandischen Universität Makerere. Experten helfen den Vergewaltigungsopfern, ihre körperlichen und psychischen Beschwerden zu überwinden. Die Einrichtung, die dem größten Teil der Bevölkerung unbekannt ist, liegt auf einem Hügel im Norden der Hauptstadt.

Salome Atim, die für die Betreuung der männlichen Vergewaltigungsopfer zuständig ist, berichtet von etwa 30 Neuzugängen seit Anfang des Jahres. Die meisten sind Flüchtlinge aus Kriegsgebieten. Atim vermutet, dass die Dunkelziffer bei Männern, die sexuelle Aggressionen erlitten haben, extrem hoch ist.


Angst vor der Stigmatisierung

Viele Männer und Jungen sprechen nicht über das Erlebte, weil sie fürchten, als Homosexuelle abgestempelt zu werden. Sex unter Männern ist in vielen afrikanischen Ländern ein Tabu. Selbst Ärzten und Pflegern trauen sie nicht. Vor allem Opfer aus islamischen Staaten wie Somalia schweigen, weil sie verhindern wollen, von der Gesellschaft kriminalisiert zu werden.

"Die Leute meinen oft, dass Geschlechtsverkehr unter Männern nur im gegenseitigen Einvernehmen geschieht. Wenn sich die Opfer in ein Behandlungszentrum begeben, werden sie weiter stigmatisiert. Wir helfen ihnen, sich allmählich zu öffnen", erklärt Atim.

Einer der Patienten ist Pierre, der eigentlich anders heißt. Er ging in der kongolesischen Stadt Bukavu zur Schule, bis 2004 sein Elternhaus angriffen wurde. Der Junge, sein Vater und ein Bruder wurden von zahlreichen Männern vergewaltigt.

"Männer in Uniform drangen in unser Haus ein. Sie fesselten meinen Vater an Beinen und Armen. Dann zogen sie meinen Bruder aus und forderten mich auf, mit ihm Sex zu haben. Ich weigerte mich", erzählt er unter Tränen. Die Angreifer hätten ihn dann ebenfalls ausgezogen, mit Stöcken auf sein Geschlechtsteil eingedroschen und ihn dann reihum vergewaltigt. Wie Atim erklärt, war Pierre suizidgefährdet, als er in das Zentrum kam. Seitdem wird er in einer Spezialklinik von Psychotherapeuten behandelt.

Vergewaltigungen von Männern gehören in vielen Konfliktzonen zur Kriegstaktik. Auch in Gefängnissen sind solche Vorfälle an der Tagesordnung. Da diese Verbrechen in der Regel nicht angezeigt werden, ist das ganze Ausmaß der sexuellen Übergriffe nicht bekannt. (Ende/IPS/ck/2011)

* Der Beitrag entstand im Rahmen einer Zusammenarbeit mit dem 'Street News Service'.


Links:
http://www.refugeelawproject.org/
http://www.ips.org/africa/2011/11/unreported-horrors-male-rape-in-dr-congo/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 22. November 2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. November 2011