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ARTIKEL/438: "Migration an sich kann schon krank machen" (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 3/2009

"Migration an sich kann schon krank machen"

Von Jörg Feldner


1.870 Menschen aus 56 Ländern haben im vergangenen Jahr die Veranstaltungen der 76 in Schleswig-Holstein ausgebildeten Gesundheitslotsen - die allermeisten sind Lotsinnen - besucht. Die Lotsen, selbst eingewandert oder Nachfahren von Einwanderern, zeigen in 16 Sprachen Wege durch das deutsche Gesundheitswesen und weisen auf die Gesundheitsgefahren des deutschen Alltags hin.

50 Stunden dauert der Kurs für Gesundheitslotsen. Das ganze Projekt "Mit Migranten für Migranten - Interkulturelle Gesundheitslotsen" einschließlich der laufend aktualisierten Unterrichtsmaterialien wurde vom Ethno-Medizinischen Zentrum an der Medizinischen Hochschule Hannover entwickelt. Projektträger in Schleswig-Holstein sind der BKK-Landesverband Nord und das Gesundheitsministerium, Partner sind die Arbeiterwohlfahrt, die Ärztekammer Schleswig-Holstein und die Hansestadt Lübeck.

Die Schwerpunkte der Aufklärungsveranstaltungen in Stichworten: Was machen bzw. dürfen Hausarzt, Facharzt, Gesundheitsamt und Apotheke? Welche Vorsorge- und Früherkennungsuntersuchungen wann und für wen? Ernährung und Bewegung, Schwangerschaft und Schwangerschaftsverhütung, Kindergesundheit, Mundgesundheit und nicht zuletzt seelische Gesundheit sind die gefragtesten Themen.

In Russland, in der Türkei, im Iran, im Irak, in Thailand oder wo auch immer - überall ist das Gesundheitswesen anders organisiert als in Deutschland. Lidia Pfeifer aus Russland: "Was man nicht kennt, kann man nicht in Anspruch nehmen." Hier bauen kompetente Gesundheitslotsen Brücken über die Sprachbarrieren. Sie können das: Gesundheitslotse wird nur, wer mindestens einen mittleren Bildungsabschluss hat, gut deutsch spricht, für beide Kulturen aufgeschlossen ist und selbstständig eine dreistündige Veranstaltung durchführen kann.

Wo liegen die Probleme der Migranten? Hatice Yildirim berichtet von einer Veranstaltung mit über hundert Türkinnen in Neumünster: "Migration an sich kann schon krank machen: Der völlig andere Lebensstil, das Wetter." Depressive Verstimmungen sind häufig. Ebenfalls häufig sind posttraumatische Belastungsstörungen: "Viele Migranten kommen aus Kriegsgebieten", sagt Oxana Stahlke, selbst aus Russland stammend.

Manijeh Zuleger aus dem Iran schildert die Ernährungsumstellung: "Zuhause hat man immer frisch gekocht. In Deutschland taut man schnell eine Pizza auf - und wundert sich über die Gewichtszunahme. Das graue Wetter fördert dann noch den Bewegungsmangel." Beim Thema Familienplanung hatte Solaf Aligalib aus dem Irak "begeisterte" Zuhörerinnen, als sie die uns geläufigen Verhütungsmittel präsentierte. Vorsorgeuntersuchungen bei Kindern, Suchtberatung, systematische Zahnpflege - alles Themen, die in Moscheen und Kirchen, Kindergärten und Volkshochschulen für ein volles Haus sorgen. Die Gesundheitslotsen lassen sich auch gern in Arztpraxen einladen.


Kontakt für Kiel und Neumünster: Lidia Pfeifer, E-Mail mimi-kiel@awo-sh.de und mimi-neumuenster@awo-sh.de
Kontakt für Lübeck: Irene Böhme, E-Mail irene.boehme@luebeck.de


Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 3/2009 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2009/200903/h090304a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt März 2009
62. Jahrgang, Seite 24
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der
Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein
Redaktion: Dr. Karl-Werner Ratschko (V.i.S.d.P.)
Bismarckallee 8-12, 23795 Bad Segeberg
Telefon: 04551/803-119, -127, Fax: -181
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Juni 2009

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