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PFLEGE/551: Angehörige sollen besser auf die Pflege im Haus vorbereitet werden (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 7/2012

Pflege

Angehörige sollen besser auf die Pflege im Haus vorbereitet werden



Das Modellprojekt "Familiale Pflege" soll für bessere Bedingungen in der häuslichen Pflege sorgen. Start ist im kommenden Jahr.


"Mit praktischen Hilfen wollen wir Angehörige von Patienten noch in der Klinik auf die künftige Pflegesituation zu Hause vorbereiten. Damit erleichtern wir den Übergang vom Krankenhaus in die häusliche Pflege", sagte Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender der AOK Nordwest, dessen Kasse das Projekt gemeinsam mit der Universität Bielefeld initiiert hat.

Schlaganfall, Herzinfarkt oder Oberschenkelhalsbruch: Von einem Tag auf den anderen kann ein Angehöriger plötzlich pflegebedürftig werden. Dann stehen die Familienangehörigen oft unvorbereitet vor großen Herausforderungen und müssen schnelle Entscheidungen treffen. Viele haben den Wunsch, ihre Angehörigen zu Hause zu pflegen. Doch wie soll dieses Vorhaben von heute auf morgen organisiert werden? In dieser Situation nimmt das Krankenhaus eine Schlüsselstellung ein.

Oft wird der Übergang vom Krankenhaus in die häusliche Versorgung als Krise erlebt: Die Pflege ist noch mit Unsicherheiten behaftet, da Pflegetechniken noch nicht gelernt und die häusliche Pflegesituation in der Familie noch nicht abgestimmt sind. Hier setzt das Modellprojekt "Familiale Pflege unter den Bedingungen der G-DRG's" an. "Ein Krankenhausaufenthalt dauert heute nur noch ein paar Tage, da ist schnelle Hilfe erforderlich", sagte Prof. Katharina Gröning von der Universität Bielefeld.

Deshalb bieten Pflegetrainer den Angehörigen schon im Krankenhaus einzelfallbezogene Pflegetrainings an. Dabei lernen die Teilnehmer Pflegetechniken kennen. Es geht um die richtige Lagerung und Bewegung, aber auch um Körperhygiene oder praktische Hilfestellungen beim An- und Ausziehen, beim Essen und Trinken. Auch der Einsatz von Hilfsmitteln steht auf dem Übungsplan. Den Familien wird in Gesprächen aber auch vermittelt, wie sie ein pflegerisches Netzwerk knüpfen, damit nicht die ganze Verantwortung auf den Schultern eines Angehörigen allein abgeladen wird. "In dieser Situation müssen mehrere Leute Verantwortung übernehmen, sonst kommt es zu Stress und Erschöpfung der Pflegenden", sagte Gröning. Anschließend geben die Pflegetrainer der pflegenden Familie Sicherheit durch individuelle Pflegetrainings im Rahmen von Hausbesuchen. Initialpflegekurse und ein monatlicher Gesprächskreis dienen der Vertiefung der Pflegekompetenz und der Reflexion des familialen Pflegealltags.

Mit einer ersten Informationsveranstaltung wurden in der AOK-Landesdirektion in Kiel inzwischen die ersten 20 der 50 infrage kommenden Krankenhäuser in Schleswig-Holstein über das Modellprojekt informiert, um sie zu einer Teilnahme zu motivieren. Im nächsten Jahr sollen dann insgesamt bis zu 25 Verträge mit Kliniken in Schleswig-Holstein abgeschlossen werden. Die Kosten des Modellprojekts trägt die AOK allein. Dazu gehören die spezielle Schulung des Krankenhauspersonals sowie alle Beratungsangebote und Pflegetrainings der betroffenen Patienten und ihrer Angehörigen. Litsch verspricht sich von dem Projekt nicht nur eine höhere Lebensqualität für Patienten und Angehörige, sondern auch einen Rückgang der stationären Wiederaufnahmen im Krankenhausbereich. "Außerdem wollen wir den sogenannten Drehtüreffekt als Folge von Überlastung und Pflegefehlern minimieren", sagte Litsch. Auch Fremdversicherte können teilnehmen, wenn sie Mitglied der gesetzlichen Pflegeversicherung sind. Unterstützt wird das Projekt vom Sozialministerium. "Es gibt eine hohe Bereitschaft von Angehörigen, sich der Herausforderung Pflege zu stellen. Das Projekt setzt genau dort an und soll die notwendigen Hilfestellungen dazu leisten. Dies ist vorbildlich", sagte Andreas Fleck, stellvertretender Staatssekretär im Sozialministerium Schleswig-Holstein. Das Modellprojekt wurde an der Universität Bielefeld unter Grönings Leitung initiiert und seither weiterentwickelt. 2011 nahmen in anderen Bundesländern 15.158 pflegende Angehörige an Kursen teil. (PM/Red)

Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 7/2012 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2012/201207/h12074a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt Juli 2012
65. Jahrgang, Seite 36
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. August 2012