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INITIATIVE/121: Retter-App "Meine Stadt rettet" - schnelle Benachrichtigung von ehrenamtlichen Rettern (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 11/2019

Notfallrettung
Schneller als die Profis

von Dirk Schnack


Wenn der Herz-Kreislauf stillsteht, zählt jede Sekunde. Für rund 50.000 Menschen in Deutschland kommt die Hilfe zu spät, sie erleiden den plötzlichen Herztod. Die meisten Deutschen kennen die Notrufnummer 112, um schnell professionelle Hilfe zu holen. In aller Regel treffen die Rettungskräfte innerhalb von neun Minuten mit dem Rettungswagen ein. Wenn sich aber ein Ersthelfer ohnehin in der Nähe des Patienten befindet, könnte er schneller vor Ort sein - er muss nur helfen wollen und er muss es wissen. Damit diese Ressource besser als bislang genutzt wird, etablieren sich "Retter-Apps" wie zum Beispiel "Meine Stadt rettet". Sie ermöglichen die schnelle Benachrichtigung von ehrenamtlichen Rettern und erhöhen damit die Chance, dass ein Patient nach einem Unglücksfall überlebt.

"Meine Stadt rettet" ist ein Projekt des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH), des Herzzentrums Lübeck, des Instituts für Rettungs- und Notfallmedizin (iRun), der Lübecker Uni, der AG Rhythmologie der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, der UKSH Förderstiftung und der European Heart Rhythm Association. Als Teilnehmer werden laut Website nur Ersthelfer zugelassen, die entweder über die notwendige medizinische Grundqualifikation verfügen oder die an einer "Unterweisung für App-Retter" teilgenommen haben bzw. eine ähnliche Schulung nachweisen können. Die Qualifikationsanforderungen orientieren sich an den aktuellen Empfehlungen der Fachgesellschaften oder werden gesondert festgelegt. Das Dokument zum Nachweis der Qualifikation muss während der Registrierung hochgeladen werden.

Angst, dass man als Ersthelfer ständig verfügbar sein müsste, ist unbegründet. Die Ersthelfer entscheiden selbst, ob sie gerade alarmiert werden können oder nicht. Sie müssen also nicht rund um die Uhr verfügbar sein. Auch eine spezielle Ausrüstung ist nicht erforderlich. Empfohlen wird allerdings ein Mindeststandard zum Beispiel durch Einmalhandschuhe. Eine Verpflichtung zum Mitführen von Hilfs- und Schutzmitteln besteht nicht. "Es wird aber ausdrücklich empfohlen, medizinische Hilfe nur unter Beachtung eines ausreichenden Eigenschutzes zu erbringen", heißt es auf der Website der Retter-App.

Einer der in Schleswig-Holstein registrierten Ersthelfer ist Dirk Schünemann aus Pinneberg. Der ausgebildete Rettungssanitäter ist schon sieben Mal alarmiert und zu einem Unglücksort gerufen worden, an dem er schneller als die Rettungskräfte sein und vor Ort helfen konnte.

Schünemann ist so überzeugt von den Retter-Apps, dass er auch in Foren immer wieder auf die Sinnhaftigkeit des unterstützenden Systems aufmerksam macht und für eine Verbreitung wirbt. In seinem Forum "Gemeinsam gegen den plötzlichen Herztod" thematisiert er die Erstrettung auf Xing und sorgt damit dafür, dass sich andere Menschen mit dem Thema beschäftigen - offenbar mit Erfolg. Mehr als 50.000 Mal wurde seine Seite innerhalb der ersten fünf Monate aufgerufen. Schünemann hat u. a. auch dafür gesorgt, dass sich die Busfahrer der Verkehrsbetriebe Holstein/Hamburg mit dem Thema beschäftigen, er verteilt u. a. in Arztpraxen Informationsmaterial zum Thema und er engagiert sich dafür, dass Defibrillatoren an mehr Standorten verfügbar sind. Sein Credo: "Man muss mit den Menschen darüber sprechen, dann bewegt sich auch etwas."

Schünemann wird über "Meine Stadt rettet" alarmiert. Dass es bundesweit verschiedene Apps gibt, die das gleiche Ziel verfolgen, ist für ihn nachrangig. "Es geht nicht um eine spezielle App, sondern um die Sache. Hauptsache, die Idee verbreitet sich und hilft dabei, dass mehr Menschenleben gerettet werden", sagt Schünemann.


So funktioniert die Informationskette über die App "Meine Stadt rettet": Ein Notruf eines Herz-Kreislauf-Stillstandes geht in der Leitstelle über die Nummer 112 ein. Von dort werden die hauptberuflich tätigen professionellen Helfer unverzüglich losgeschickt. Zugleich wird geprüft, welcher registrierte Ersthelfer sich in der Nähe des Unglücksortes aufhält. Über die App wird er zeitgleich benachrichtigt und hat damit die Chance, eventuell noch vor Eintreffen der Rettungskräfte zu helfen. Damit wird die Chance auf ein Überleben des Patienten erhöht. Die App soll das Netz an Notarzteinsatzwagen und den 112-Ruf nicht ersetzen, sondern dieses als paralleles Glied in der Kette verstärken.


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Dirk Schünemann ist einer der registrierten Ersthelfer in Schleswig-Holstein. Der in Pinneberg lebende ausgebildete Rettungssanitäter ist als ehrenamtlicher Ersthelfer in seiner Freizeit schon sieben Mal zu einem Notfall gerufen worden. Er engagiert sich außerdem dafür, dass die Retter-Apps Verbreitung finden.



Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 11/2019 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2019/201911/h19114a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
72. Jahrgang, November 2019, Seite 28
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Dezember 2019

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