Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 1/2019
Gesundheitsmobil
Mobil im Ehrenamt für sozial Benachteiligte
von Astrid Schock
Das Gesundheitsmobil in Lübeck sucht dringend Ehrenamtler. Kostenlose Behandlung von Patienten mit und ohne Versicherungsschutz.
Es ist ruhig an diesem Morgen in der Gesundheitsstation, die im
Haus der Gemeindediakonie Lübeck untergebracht ist. Thomas Müller,
einer von zwei hauptamtlichen Mitarbeitern des Gesundheitsmobils und
von Beruf Krankenpfleger, übernimmt an diesem Morgen gemeinsam mit dem
Ehrenamtler Dr. Ulrich Driller, Allgemeinmediziner im Ruhestand, die
Sprechstunde für sozial benachteiligte Menschen. Er betont: "Für
unsere Patienten ist es meist schwer, Termine zeitlich einzuplanen
bzw. diese einzuhalten. Trotzdem möchten wir eine feste Sprechstunde
im Haus der Gemeindediakonie anbieten. In unserer Gesundheitsstation
können wir Untersuchungen wie EKGs, Sonografien und Blutuntersuchungen
durchführen." Die Zusammenarbeit mit einem Zentrallabor hilft, durch
Blutuntersuchungen mehr Erkenntnisse über mögliche Erkrankungen zu
erhalten. "Leider kommt es jedoch vor, dass Patienten in der kommenden
Woche nicht vorbeikommen, um die Befunde zu besprechen. Aber wir sind
geduldig und setzen unsere Patienten nicht unter Druck", so Müller.
Ist eine Erkrankung jedoch akut, versuchen die Mitarbeiter des
Gesundheitsmobils, Patienten zu erreichen und an Fachärzte und
Kliniken zu übermitteln. Die Folgebehandlungen können dann meist
ebenfalls kostenlos durchgeführt werden. "Die Zahl derjenigen
Patienten, die nicht krankenversichert sind, liegt jedoch nur hier vor
Ort bei ca. 95 Prozent. Sind wir mit dem Gesundheitsmobil unterwegs,
kommen nur ca. 75 bis 80 Prozent ohne Versicherungsschutz", berichtet
Müller. So auch der Patient in der heutigen Sprechstunde. Der
27-Jährige ist vor sieben Monaten aus Syrien nach Deutschland
gekommen. Die ständige Angst um seine Angehörigen mache ihn krank,
sagt er. Heute kommt er mit starken Schmerzen im linken Oberarm und
dem Verdacht, zu hohen Blutdruck zu haben. Dr. Ulrich Driller, der 27
Jahre lang als Allgemeinmediziner niedergelassen war und nun im
Ruhestand ist, nimmt sich viel Zeit für seine Patienten. "Wir arbeiten
hier mit jedem Patienten auf Augenhöhe und nehmen die Sorgen der Leute
ernst. Nur so können wir ein Vertrauensverhältnis und damit eine lang
anhaltende Bindung zu unseren Patienten aufbauen", so Driller. Auch
die Patientin, die heute vor der Ausgabestelle der Lübecker Tafel e.V.
das Gesundheitsmobil aufsucht, kommt schon seit vielen Jahren. Sie
leidet an Diabetes und benötigt Medikamente. "Trotz einer vorhandenen
Krankenversicherung und des regelmäßigen Besuchs ihrer Hausärztin ist
die Patientin regelmäßig bei uns. Sie kann die Rezeptgebühren nicht
bezahlen - die spart sie hier", sagt Müller. Dass chronisch kranke
Menschen von der Rezeptgebühr befreit werden können, spielt meist
keine Rolle. "Die Hürde, Anträge auszufüllen und sich um die Befreiung
zu kümmern, ist meist zu groß."
Das Gesundheitsmobil weist eine große Auswahl an Medikamenten und Verbandsmaterial vor. "Meist vergeben wir benötigte Medikamente aber nur für einen Zeitraum von zehn bis 14 Tagen, um die Patienten anzuregen, uns erneut aufzusuchen. So können wir sie besser im Blick behalten", sagt Müller. Geht es jedoch um Medikamente, bei denen es eine große Spannbreite der Dosierung gibt, können diese nicht vorgehalten werden. "Insulin beispielsweise gibt es in zu vielen verschiedenen Formen und Dosen, das können wir nicht anbieten", erklärt Driller. Auch wenn eine Krebserkrankung vorliegt, ist das Projekt des Gesundheitsmobils finanziell zu klein, um die Behandlung fortführen zu können. "In diesen Fällen forcieren wir stets die Reintegration in das Regelsystem, um auch kostspielige Behandlungen durchführen zu können."
Einmal im Monat wird das Gesundheitsmobil von einem Zahnarzt begleitet. Er bietet Untersuchungen an, eine Behandlung jedoch nicht. "Bei der zahnmedizinischen Behandlung geht es vor allem um den Abbau von Ängsten und die Vermittlung an Zahnarztpraxen", sagt Müller. Zahnärztliche Untersuchungen werden nur einmal monatlich angeboten, da die Zähne als Sorge meist an letzter Stelle stehen und nur in absolut akuten Situationen Handlungsbedarf gesehen wird. Im Vordergrund stehen für die Patienten Alltagssorgen wie Unterkunft, Drogen, die allgemeine gesundheitliche Situation und Lebensmittel.
Das Gesundheitsmobil fährt an fünf Tagen in der Woche insgesamt zehn Stationen an. Ändern sich die Anlaufstellen der Patienten, werden auch die Stationen getauscht. Dies erfolgt allerdings erst nach einer bestimmten Frist, um eine gewisse Kontinuität wahren zu können. Die Stationen orientieren sich an von potenziellen Patienten stark frequentierten Orten wie der Ausgabestelle der Lübecker Tafel e.V., der Obdachlosenunterkunft Bodelschwingh-Heim oder der Parkanlage Krähenstraße.
Die durchgeführten Behandlungen werden zwar dokumentiert, es erfolgt aber keine Abrechnung und kein Qualitätsmanagement. Möchte ein Patient anonym bleiben, fällt die Dokumentation noch einmal geringer aus. "Die Bürokratie steht in diesem Arbeitsbereich an zweiter Stelle und das ist gut so. Ehrenamtler sollen nicht durch zu viel Bürokratie abgeschreckt, sondern durch die Behandlung von Patienten motiviert werden", so Driller. Seit einem Jahr ist er bei dem Projekt dabei und genießt die Arbeit. Driller: "Anerkennung für meine beruflichen Leistungen habe ich in meinem Leben genug erhalten. Ich bin hier, um Patienten mit keinem oder schwierigem Versicherungsschutz zu helfen und Gespräche und Behandlungen auf Augenhöhe zu führen. Die Menschen öffnen sich nur, wenn sie Vertrauen gewinnen und sich verstanden fühlen. Eine Belehrung ist hier fehl am Platz."
Das Gesundheitsmobil sucht dringend Medizinerinnen und Mediziner (ggf. im Ruhestand), die mit Herz und Engagement ehrenamtlich (z.B. einen Vormittag in der Woche) in Lübeck mitarbeiten möchten.
Ihre Aufgaben:
- Behandlung und Beratung von sozial benachteiligten Menschen mit
medizinischen Problemen
- ggf. Vermittlung zu niedergelassenen Haus- und Fachärzten sowie zu
Kliniken
Wünsche:
- Ärztinnen und Ärzte, die regelmäßig die Fahrt des Gesundheitsmobils
begleiten, d.h. einmal wöchentlich für ca. 2,5 Stunden
- Interesse an sozialem Engagement verbunden mit einer stabilen
Persönlichkeit
Kontakt:
Sabine Gritzka und Thomas Müller
Telefon 0451 580 106 71 (Mo - Do von 9:00 - 11:00 Uhr)
E-Mail gritzka@gemeindediakonie-luebeck.de
www.gesundheitsmobil.org
15 - 20 %
der Patienten im Gesundheitsmobil kommen ohne Versicherungsschutz. In
der Gesundheitsstation sind rund 95 % der Pateinten nicht
krankenversichert.
Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 1/2019
im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2019/201901/h19014a.htm
Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen
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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
72. Jahrgang, Januar 2019, Seite 18 - 19
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.
veröffentlicht im Schattenblick zum 1. März 2019
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