Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 4/2020
Psychosen
Schizophrenie im Hirnscan sichtbar?
Welche Erkenntnisse gibt es zur Vorhersagekraft der klinischen Psychoserisiko-Diagnostik? Ein Übersichtsartikel aus Lübeck fasst wichtige Studien zusammen.
Schon mehrere Jahre vor dem Ausbruch einer psychotischen
Erkrankung wie Schizophrenie gibt es typische
Verhaltensauffälligkeiten. Werden diese rechtzeitig erkannt und
richtig bewertet, kann die Behandlung früh begonnen und der Verlauf
der Erkrankung günstig beeinflusst werden, wie die Universität Lübeck
im vergangenen Monat berichtete.
Spezialisierte klinische Untersuchungen ermöglichen die Identifikation von Personen mit erhöhtem Risiko, eine psychotische Erkrankung zu entwickeln. Obwohl die Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer Psychose bei diesen Personen etwa 30-fach höher als bei der Allgemeinbevölkerung ist, wird ihre große Mehrheit keine psychotische Erkrankung entwickeln. Entsprechend werden gegen das Konzept der Psychosen-Früherkennung Bedenken geäußert, insbesondere in Hinsicht auf unnötige Behandlungen mit Psychopharmaka und daraus folgend eine mögliche Stigmatisierung dieser in der Regel jungen Patienten.
Ein nach Angaben aus der Hansestadt in den vergangenen Jahren rasch wachsender Forschungsbereich versucht, mit Unterstützung von Bildgebungsverfahren wie zum Beispiel der Magnetresonanztomografie oder der Enzephalografie die Vorhersagekraft der klinischen Psychoserisiko-Diagnostik weiter zu verbessern.
Übersichtsartikel aus Lübeck zu den neuesten Studien
In einem aktuellen Übersichtsartikel im renommierten
neurowissenschaftlichen Journal "Molecular Psychiatry" fassten PD Dr.
Christina Andreou und Prof. Stefan Borgwardt von der Lübecker
Universität kürzlich die Erkenntnisse aus diesen Studien zusammen und
richteten dabei einen besonderen Fokus auf die praktische und
klinische Nützlichkeit und Einschränkungen bildgebender Verfahren in
der individualisierten Vorhersage der Verläufe bei vulnerablen
Personen.
Die im kürzlich vorgelegten Übersichtsartikel analysierten Studien bei Patienten mit einem klinischen Risikostatus bringen verschiedene Merkmale der Hirnstruktur und der Hirnfunktion mit der Wahrscheinlichkeit, im Verlauf eine Psychose zu entwickeln, in Verbindung. Einige dieser Befunde sind nach Erkenntnissen der Lübecker Forscher über mehrere Studien konsistent und unterstreichen somit die potenzielle Nützlichkeit von Bildgebungsverfahren in der Vorhersage des klinischen Verlaufs bei Personen mit einem erhöhtem Psychoserisiko.
Allerdings geben sie auch zu bedenken, dass die klinische Anwendbarkeit dieser Erkenntnisse zum aktuellen Zeitpunkt noch begrenzt ist. Dafür führen sie wichtige Gründe an, unter anderem die teils kleinen Stichproben der untersuchten Studien, die uneinheitlichen Fragestellungen sowie bestehende Unterschiede in den Methoden für die Feststellung des Psychoserisikos beziehungsweise für die Erhebung und Verarbeitung von Hirnbildern.
Vielversprechender Ansätze für neue Erkenntnisse
Aktuelle multizentrische und internationale Forschungsprojekte - an
denen auch Forscher der Translational Psychiatry Unit der Klinik für
Psychiatrie und Psychotherapie der Universität zu Lübeck beteiligt
sind - nehmen solche Mängel systematisch in Angriff und bieten damit
nach Mitteilung der Hochschule einen vielversprechenden Ansatz für die
Gewinnung von Erkenntnissen mit hoher klinischer Anwendbarkeit im
Rahmen einer personalisierten Präzisionspsychiatrie. (PM/RED)
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Info
Originalpublikation:
Structural and functional imaging markers for
susceptibilityto psychosis. Christina Andreou, Stefan Borgwardt.
Molecular Psychiatry.
doi.org/10.1038/s41380-020-0679-7
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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
73. Jahrgang, April 2020, Seite 35
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.
veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Mai 2020
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