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FORSCHUNG/964: Subkutane Gabe von multispezifischen Antikörpern bei Tumortherapie (idw)


Helmholtz Zentrum München / Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt - 01.07.2015

Subkutane Gabe von multispezifischen Antikörpern macht Tumortherapie schneller und verträglicher


Neuherberg, 01. Juli 2015. Die Behandlung von Tumoren mit multispezifischen* Antikörpern ist wesentlich besser verträglich, wenn diese unter die Haut statt, wie bisher üblich, ins Blut gegeben werden. Das fanden Wissenschaftler des Helmholtz Zentrums München (HMGU) in Kooperation mit der Biotech-Firma Trion Research im Tiermodell heraus. Ihre in der Fachzeitschrift Molecular Cancer Therapeutics veröffentlichten Ergebnisse könnten unter anderem die Dauer von Klinikaufenthalten deutlich verkürzen.

In der Regel werden Antitumor-Antikörper dem Patienten intravenös verabreicht. Dies geschieht meist über mehrere Stunden, da ansonsten eine zu schnelle Aktivierung des Immunsystems zu erheblichen Nebenwirkungen führen kann. Die Forschergruppe um Prof. Dr. Ralph Mocikat vom Institut für Molekulare Immunologie (IMI), Helmholtz Zentrum München, erprobte in ihren Untersuchungen daher subkutane Injektionen. Die Wissenschaftler verwendeten dafür eine spezielle Klasse multispezifischer, sogenannte trifunktionale*, Antikörper. Konkret testeten sie einen Antikörper, der von der Firma Trion Research GmbH zur Bekämpfung von Melanomzellen entwickelt wurde.

Gleichmäßige Abgabe in den Körper

"Insgesamt zeigen unsere Ergebnisse aus dem Tiermodell, dass die Gabe von trifunktionalen Antikörpern subkutan deutlich vorteilhafter ist als die intravenöse Standardtherapie", fasst Erstautorin Nina Deppisch die Resultate zusammen. "Zwar ist die Bioverfügbarkeit, also die Wirkstoffdosis im Kreislauf, geringer - dafür wird der Antikörper aber besser vertragen - bei unverminderter Wirksamkeit gegen den Tumor." Die Forscher gehen davon aus, dass die gute Verträglichkeit dadurch zustande kommt, dass der unter die Haut gebrachte Antikörper wie aus einem Depot langsam und gleichmäßig in den Körper abgegeben wird. "Das bestätigen auch von uns erfasste Entzündungswerte wie etwa die Spiegel bestimmter Zytokine", so Deppisch.

Künftig subkutan statt intravenös?

Zwei Punkte sehen die Forscher als richtungsweisend: "Zum einen zeigt unsere Arbeit erneut die Wirksamkeit von trifunktionalen Antikörpern", so Studienleiter Mocikat. "Ihr Vorteil liegt generell darin, dass sie eine langfristige Immunität gegen den Tumor herbeiführen, anstatt ihn nur kurzfristig zu bekämpfen. Zum zweiten zeigen unsere Ergebnisse, dass die Behandlung von Tumoren hinsichtlich der Verfügbarkeit für Patienten auf eine breitere Grundlage gestellt werden kann. Möglicherweise ist bei insgesamt besserer Verträglichkeit eine stationäre Aufnahme des Patienten nicht mehr nötig, da die Gabe statt über Stunden hinweg in wenigen Minuten machbar ist." Das wollen die Forscher in weiteren Studien herausfinden.


Hintergrund:

* Multispezifische Antikörper: Normalerweise besitzen Antikörper zwei Arten von Bindungsstellen: Die beiden identischen Antigenbindungsdomänen in den variablen Regionen an den Ästen der Y-Struktur und eine weitere Bindungsstelle für Zellen der angeborenen Immunantwort im Bereich des Antikörper-Stammes (Fc-Region). Der Trick bei multifunktionalen Antikörpern ist nun, dass sie gleichzeitig mehrere unterschiedliche Zelltypen zusammenführen. Ein konkretes Beispiel sind die hier im Text behandelten trifunktionalen Antikörper (siehe unten).

* Trifunktionale Antikörper bilden eine Unterklasse der multispezifischen Antikörper. Ihre beiden Bindungsstellen in den variablen Regionen sind unterschiedlich: Eine bindet an ein Oberflächenantigen auf Krebszellen, die zweite an körpereigene T-Zellen und der konstante Teil an Fresszellen der angeborenen Immunabwehr (Makrophagen, Monozyten, Dendritische Zellen). Die Zerstörung der Krebszellen erfolgt dann durch zwei unterschiedliche Mechanismen: Die T-Zellen leiten die Lyse der Tumorzellen ein (Apoptose) und die Zellen des angeborenen Immunsystems vernichten die Krebszellen durch Phagozytose und Nekrose. Die dabei entstehenden Zelltrümmer werden dem Immunsystem präsentiert und es entsteht eine langfristige Immunität.


Original-Publikation:

Deppisch, N. et al. (2015). Efficacy and Tolerability of a GD2-Directed Trifunctional Bispecific Antibody in a Preclinical Model: Subcutaneous administration is superior to intravenous delivery, Molecular Cancer Therapeutics, pii: molcanther.0156.2015


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Das Institut für Molekulare Immunologie (IMI) betreibt anwendungsorientierte Grundlagenforschung, die die Aufklärung der grundlegenden Mechanismen des Immunsystems, das Verständnis der immunologisch vermittelten Entstehung von Krankheiten sowie die unmittelbare Übertragung der gewonnenen Erkenntnisse in die Anwendung zum Ziel hat. Im Mittelpunkt stehen neue personalisierte Therapieansätze, die auf einer Modulation des Immunsystems beruhen.


Das unabhängige Unternehmen Trion Research GmbH wurde 1998 von Horst Lindhofer als Spin-off Unternehmen aus dem Helmholtz Zentrum München gegründet. Als unabhängiger Spezialist unterstützt Trion Research die präklinische und klinische Entwicklung neuer Immuntherapien. Das Angebot reicht von der Entwicklung neuer Wirkstoffe bis hin zu spezifischen Leistungen im Rahmen von klinischen Studien.


Fachlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. med. Ralph Mocikat
Helmholtz Zentrum München
Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt (GmbH)
Institut für Molekulare Immunologie
Marchioninistr. 25, 81377 München
E-Mail: Mocikat@helmholtz-muenchen.de


Ansprechpartner bei der Trion Research GmbH:
Dr. Horst Lindhofer, Trion Research (GmbH)
Am Klopferspitz 19, 82152 Martinsried
E-Mail: horst.lindhofer@trionresearch.de


Weitere Informationen finden Sie unter

www.helmholtz-muenchen.de/aktuelles/pressemitteilungen/2015/index.html
Pressemitteilungen Helmholtz Zentrum München

www.helmholtz-muenchen.de/imi
Institut für Molekulare Immunologie

www.trionresearch.com
Trion Research GmbH

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution44

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Helmholtz Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt, Helmholtz Zentrum München, 01.07.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Juli 2015

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