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LEBER/080: Hepatitis E - Keine harmlose Reisekrankheit (Thieme)


Thieme Verlag / FZMedNews - Dienstag, 15. Juni 2010

Hepatitis E: Keine harmlose Reisekrankheit


fzm - Das Hepatitis-E-Virus galt lange Zeit als exotischer und im Grunde harmloser Erreger einer Leberentzündung, die auf Reisen erworben wurde und nach wenigen Wochen von selbst ausheilte. Neuere Erkenntnisse belegen aber, dass der Erreger auch in Deutschland verbreitet ist. Lebensgefährliche Verläufe einer Hepatitis sind sehr selten, aber bei abwehrgeschwächten Menschen möglich, berichten Experten in der Fachzeitschrift "DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift" (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2010).

Schwangere, vor allem aber Menschen mit einer Abwehrschwäche können lebensgefährlich erkranken, insbesondere dann, wenn die Leber bereits vorgeschädigt ist, warnt Dr. Sven Pischke, ein Leberexperte von der Medizinischen Hochschule Hannover. Gefährdet seien auch Menschen, die nach einer Transplantation Medikamente einnehmen müssen, die eine Abstoßung des Organs verhindern. Dr. Pischke: Unsere Untersuchungen zeigen, dass schwere Verläufe zwar selten sind, aber auch in Deutschland vorkommen können. Auch HIV-Infizierte sind wegen ihrer Immunschwäche gefährdet. Ebenso Krebspatienten und Menschen, die dauerhaft mit Kortison behandelt werden.

Der Bevölkerung rät der Experte zur Vorsicht. Das Virus wird von den Infizierten mit dem Stuhlgang ausgeschieden. Dr. Pischke: Im Klärwasser ist es in nennenswerten Konzentrationen vorhanden. Verunreinigtes Trinkwasser galt lange als wichtigste Infektionsquelle. Angesichts neuer Informationen wird auch eine Übertragung durch Fleisch- oder Fischmahlzeiten angenommen. Dr. Pischke berichtet von einer Epidemie auf einem Kreuzfahrtschiff mit 195 Infizierten und vier Erkrankten. Auf dem Speiseplan hatte Schellfisch gestanden. Auch in Schweinen, Wildscheinen und Rentieren wurde das Virus nachgewiesen. Derzeit werde geprüft, ob das Virus auch durch Bluttransfusionen übertragen werden kann.

Wie bei anderen Leberentzündungen kann es zu einer Gelbfärbung der Haut und der Augen kommen, dem sogenannten Ikterus. Gleichzeitig verliert der Stuhl seine Farbe und der Urin wird dunkel. Der Arzt erkennt die Erkrankung an einem Anstieg der "Leberwerte" im Blut. In den allermeisten Fällen heilt die Hepatitis nach wenigen Wochen von selbst aus. Sie ähnelt damit der Hepatitis A, die nur einen "Leberschnupfen" auslöst. Lange Zeit schien es so, als ob schwere und chronische Verläufe mit einer dauerhaften Schädigung der Leber, wie bei der Hepatitis B oder der Hepatitis C nicht vorkommen, berichtet Dr. Pischke.

Die Existenz eines Hepatitis-E-Virus wurde lange vermutet, entdeckt wurde es jedoch erst 1991. Heute kann es mit einer Gensonde in Blutproben, aber auch in verunreinigtem Wasser oder Fäkalien nachgewiesen werden. Ein Antikörpertest belegt auch zurückliegende Infektionen. Das Virus ist keineswegs nur in Drittweltländern verbreitet, schreibt Dr. Pischke. In einigen Regionen Süd-Frankreichs, in Italien und Spanien haben bis zu 17 Prozent der Bevölkerung Antikörper, in Deutschland sind es immerhin etwa ein bis drei Prozent. Die allerwenigsten wissen davon, denn die Infektion führt nur sehr selten zu einer Hepatitis. Obwohl die Erkrankung meldepflichtig ist, werden dem Robert-Koch-Institut jedes Jahr nur etwa hundert Fälle mitgeteilt.

Eine Therapie gibt es derzeit nicht. Ein Impfstoff wird frühestens in einigen Jahren verfügbar sein. Wer sich heute ansteckt, muss hoffen, dass eine Erkrankung ausbleibt oder milde verläuft. Die Chancen dafür sind zwar sehr gut. Vorsichtsmaßnahmen können aber nicht schaden. Vor allem Menschen mit vorgeschädigter Leber oder einer Abwehrschwäche sollten auch aus anderen Gründen auf sauberes Trinkwasser achten.


S. Pischke et al.:
Hepatitis E: Eine Infektionskrankheit erlebt einen Bedeutungswechsel.
DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 2010; 135 (22): S. 1129-1133


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Quelle:
FZMedNews - Dienstag, 15. Juni 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Juni 2010