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INFEKTION/1120: Gefahren durch Chlamydien-Infektion immer noch unterschätzt (ipse)


ipse Communication, Berlin - 8. Oktober 2010

Gefahren durch Chlamydien-Infektion immer noch unterschätzt

- Studie zeigt: Trotz besserer Kenntnisse nur geringe Testbereitschaft
- Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe fordert Initiative von Ärzten und Politik


Obwohl sich der Kenntnisstand über die Gefahren einer Chlamydien-Infektion offensichtlich verbessert, gehen weiterhin nur wenige junge Frauen zum Test. Genauer: nur ca. ein Fünftel der bis zu 25jährigen. Dies ergibt eine Online-Umfrage bei mehr als 1.000 Personen, die das Institut Psychonomics, Köln, unterstützt von BD, Heidelberg, im Juli dieses Jahres durchgeführt hat.

Immerhin wissen 85 % der Umfrageteilnehmerinnen, dass eine Chlamydien-Infektion in jungen Jahren zu Unfruchtbarkeit führen kann. Und noch 54 % geben an, dass dadurch die Gefahr von Eileiterschwangerschaften deutlich erhöht ist. Aber offensichtlich finden diese Kenntnisse keinen Niederschlag in der Praxis. Denn 78 % der Zielgruppe haben sich nie testen lassen. Nur knapp 16 % nehmen regelmäßig, d.h. mindestens jährlich, den Test in Anspruch. Und: Nur 10 % der jungen Frauen haben vom Screening-Programm der Krankenkassen gehört.

Die Studie liefert auch den Grund dafür: Offensichtlich erwarten die jungen Frauen die Initiative für den Test vom Arzt ihres Vertrauens. Er wird als Wunschpartner für Information, Empfehlung und Durchführung mit deutlichem Abstand an erster Stelle genannt. Der Arzt allerdings findet sich in der Bredouille. Denn die Krankenkassen erstatten zwar seit 2008 einen jährlichen Test für bis zu 25jährige Frauen, aber nur für die - meist externe - Labortätigkeit. Die Beratungs- und Organisationsleistung des Gynäkologen oder Hausarztes bleiben - bis auf den Test im Rahmen der Schwangerschaftsbetreuung - unhonoriert.

Professor Klaus Friese, Direktor der Universitätsfrauenkliniken der Ludwig-Maximilians-Universität München und Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, zeigt sich unzufrieden: "Es geht nicht, dass die staatlichen Stellen und die Krankenkassen sich zwar mit Ihren Screening-Programmen schmücken, aber letztlich denjenigen, von dem die Patientinnen die entscheidende Beratung und das Handling erwarten, nämlich ihren Arzt, nicht honorieren. Das muss korrigiert werden."

Nur durch ein funktionierendes Screening-Verfahren, wie es in anderen Ländern üblich ist, könne man insbesondere auch die hohen Folgekosten einer Chlamydien-Infektion reduzieren. Außerdem sollten junge Männer in das Screening-Programm eingebunden werden.



HINTERGRUND

Chlamydien-Screening in Deutschland

Infektionsfolgen:
Infektionen mit Chlamydia trachomatis (CT) stellen weltweit die häufigste bakterielle sexuell übertragbare Krankheit (STD = sexually transmitted disease) dar mit schätzungsweise jährlich 300.000 Neuerkrankungen in Deutschland. Vor allem junge Frauen unter 20 Jahren sind von dieser meist klinisch asymptomatischen Infektion betroffen, die dazu führen kann, dass durch entzündungsbedingten Verschluß der Eileiter ein späterer Kinderwunsch lebenslang unerfüllt bleibt. Chlamydien sind die häufigste Einzelursache für Sterilität bei Frauen weltweit, auch in Deutschland. Neben Kinderlosigkeit können durch die Entzündung der Eileiter auch Eileiterschwangerschaften Folge einer genitalen Chlamydien-Infektion sein.

Bei mehr als einem Viertel aller Patientinnen, die eine In-vitro-Fertilisation in Anspruch nehmen, ist die Ursache der ungewollten Kinderlosigkeit eine zurückliegende Chlamydien-Infektion. Schwangere mit einer Chlamydien-Infektion können bei Geburt ihr Kind infizieren, was zu Augenentzündungen (ohne dauerhafte Schäden) und selten zu einer Lungenentzündung beim Neugeborenen führen kann.

Bedeutung:
Die kleiner werdende Geburtenrate in Deutschland und die explodierenden Gesundheitskosten machen eine frühzeitige Diagnose und Therapie und somit eine Reduktion der Chlamydien-Inzidenz durch ein generelles Screening von jungen Männern und Frauen mit ausreichend sensitiven Nachweismethoden dringend erforderlich. Voraussetzung für ein erfolgreiches Screening ist eine ausreichende Teilnahme der jungen Frauen.

Screening-Programm:
70-80 % der Infektionen verlaufen ohne Symptome. Ein Screening im speziellen Rahmen der Mutterschaftsvorsorge besteht seit 1995. Mit der Pressemitteilung des Gemeinsamen Bundes-Ausschusses (G-BA) vom 13. September 2007 fiel der offizielle Startschuss für ein weiteres Screening-Programm in Form eines jährlichen Tests auf Chlamydien ab dem 1. Januar 2008 als zusätzliche Regelleistung für GKV-versicherte junge Frauen bis zum abgeschlossenen 25. Lebensjahr. Untersuchungsmaterial ist Erststrahlurin, als Testmethode sind ausschliesslich Nukleinsäure-Amplifikationstests (NAATs) zugelassen.

Aus Kostengründen können bis zu fünf Urinproben zusammengetan und dann getestet werden (Pooling-Verfahren).

Der derzeitige EBM sieht Abrechnungsmöglichkeiten nur im Rahmen der Mutterschaftsvorsorge, der Empfängnisregelung, des Schwangerschaftsabbruchs sowie im Rahmen einer kurativen Diagnostik vor.

Pooling-Problematik

Kosten:
Bei einer angenommenen Prävalenz von 10 % in der Zielgruppe der 15-25-jährigen Frauen reduzieren sich die reinen Testkosten durch das Pooling um 30 %. Dies berücksichtigt jedoch nicht die zusätzliche Arbeitszeit, um die Proben vor der eigentlichen Testung zu poolen, Aliquots der Einzelproben zu asservieren für den Fall eines positiven Pool-Ergebnisses sowie die Zeit, die Nachtestungen durchzuführen. Ebenso unberücksichtigt bleiben Nachtestungen von inhibierten Pools sowie zusätzliches Verbrauchsmaterial wie Asservierungsgefäße, Pipetten etc. In Ländern, in denen schon seit Jahren ein flächendeckendes Chlamydien-Screening durchgeführt wird - dazu gehören Norwegen, Finnland, Schweden, Dänemark, Großbritannien und die USA - wurden die Möglichkeiten des Proben-Poolens ausgewertet, und diese Methode daraufhin abgelehnt.

Qualität:
Das Poolen von fünf Urinproben senkt deutlich die Sensitivität des Screenings, erhöht die Kontaminations- und nicht zuletzt auch die Verwechslungsgefahr, wodurch mehr falsch-negative und falsch-positive Ergebnisse auftreten. Dr. Thomas Meyer, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf: "In der Konsequenz bedeutet das: Die Einsparungen bei den Testreagenzien beim Pooling gehen auf Kosten der Qualität. Zudem wird die Verfügbarkeit von Testergebnissen und somit die umgehende Identifizierung und Behandlung der Betroffenen und deren Partner verzögert."

Alternative:
Dr. Andreas Clad von der Universitäts-Frauenkliniik in Freiburg schlägt eine Kombination von Kostenersparnis und besserem Ergebnis vor: "Ein sinnvolles Pooling kann durch Einbeziehung des Partners ohne Erhöhung der Kosten erreicht werden. Drei Milliliter Erststrahlurin, am besten die ersten Tropfen des Morgenurins, von Mann und Frau werden in einem Gefäß gesammelt und eingeschickt. Das erhöht nach meinen eigenen Untersuchungen die Screening-Sensitivität bei Frauen um über 40 %! Außerdem gibt es dann keine Diskussionen darüber, wer wen angesteckt hat!"


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Quelle:
ipse Communication
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Oktober 2010