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AIDS/899: Forschung - Die HIV-Kinderstube ausspionieren (idw)


Ludwig-Maximilians-Universität München - 29.11.2012

Virologie - Die HIV-Kinderstube ausspionieren



HIV gehört zu den am besten untersuchten Krankheitserregern. Dennoch ist der virale Lebenszyklus in vielen Bereichen noch unverstanden, und auch neue Medikamente werden dringend benötigt. Ein neuer Ansatz soll hier nun Abhilfe schaffen.

Auch drei Jahrzehnte nach der Entdeckung des tödlichen Virus, ist eine HIV-Infektion noch immer eine verheerende Diagnose. Auch wenn Patienten in den westlichen Ländern von - sehr kostspieligen - antiviralen Medikamenten profitieren, die den Ausbruch von AIDS verhindern können, kann der Seuche vor allem in den Ländern der südlichen Hemisphäre kaum Einhalt geboten werden. Neue Medikamente werden also dringend gesucht, auch weil die alten Therapeutika wegen viraler Resistenzen ihre Wirkung verlieren.

Ein Ansatz dabei ist, Schwachstellen im viralen Vermehrungszyklus zu identifizieren, um die Bildung neuer Viren zu verhindern. Dieser Prozess spielt sich in den menschlichen Zellen ab, weil HIV wie alle Viren auf den Stoffwechsel der Wirtszelle angewiesen ist, um sich zu reproduzieren. Bisher aber konnte die Entstehung neuer Viren mikroskopisch und in Echtzeit nur visualisiert werden, wenn die Viren dafür genetisch verändert und auf diesem Weg markiert wurden.

"Damit konnte das natürlich vorkommende Virus in lebenden Zellen aber nicht nachgewiesen werden", sagt der LMU-Biologe Professor Heinrich Leonhardt, der nun mit dem Heidelberger Virologen Professor Hans-Georg Kräusslich ein neues Verfahren entwickelt hat. Die Forscher setzten auf eine bestimmte Art sehr kleiner Antikörper aus Leonhardts Labor, die sogenannten Nanobodies, die hier als eine Art fluoreszierende Sonde spezifisch an das HIV-Protein Gag binden.

Antikörper heften sich an ein jeweils spezifisches Antigen, um es für eine immunologische Abwehrreaktion zu markieren. Nanobodies beruhen dabei auf einer Besonderheit, die sich bei Kamelen und den nahe verwandten Alpakas und Lamas findet: Nur diese Säugetiere verfügen über einzelkettige Antikörper. "Im Vergleich zu konventionellen Antikörpern wie sie etwa der Mensch hat, sind Nanobodies so klein und stabil, dass sie auch in lebenden Zellen ihre wesentliche Funktion der gerichteten Antigenerkennung erfüllen und so zelluläre Moleküle markieren können", sagt Erstautor Jonas Helma.

Das virale Gag-Protein nun, das mit Hilfe der Nanobodies in lebenden Zellen markiert wird, trägt in erster Linie zum Aufbau der Virus-Partikel bei, die dann von der Zellmembran abknospen und in den Organismus freigesetzt werden - um neue Wirtszellen zu befallen. Die hochspezifische Nanobody-Sonde für dieses Protein macht nun den Prozess der HIV-Bildung direkt sichtbar und ist deshalb ein wertvolles Werkzeug für eine Reihe von Anwendungen.

So ließe sich mit Hilfe der Sonde etwa die dynamische Regulation des viralen Zusammenbaus entschlüsseln. Möglich sind nun auch zellbasierte High-Content-Verfahren, bei denen in großem Maßstab nach neuen Inhibitoren gesucht wird, die die virale Synthese stören oder unterbinden. Erstmals lassen sich zudem verschiedene Virus-Subtypen und Mutationen im viralen Erbgut in Echtzeit miteinander vergleichen. Die Studie wurde unter anderem von den beiden Exzellenzclustern "Nanosystems Initiative Munich" (NIM) und "Center for integrated Protein Science Munich" (CiPSM) gefördert. (suwe)


Publikation:
Direct and Dynamic Detection of HIV-1 in Living Cells
Jonas Helma, Katrin Schmidthals, Vanda Lux, Stefan Nüske, Armin M. Scholz, Hans-Georg Kräusslich, Ulrich Rothbauer, Heinrich Leonhardt
PloS One, 28.11.2012
http://dx.plos.org/10.1371/journal.pone.0050026

Ansprechpartner:
Professor Heinrich Leonhardt
Department Biologie II der Ludwig-Maximilians-Universität München
E-Mail: h.leonhardt@lmu.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution114

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Ludwig-Maximilians-Universität München, Luise Dirscherl, 29.11.2012
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Dezember 2012