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AIDS/838: Langfristiger Erfolg der Zweit-Therapie bei HIV durch Wechsel der Medikamentenklasse (Thieme)


Thieme Verlag - Mittwoch, 4. Mai 2011

Langfristiger Erfolg der Zweit-Therapie bei HIV durch Wechsel der Medikamentenklasse

Walter Siegenthaler Preis der DMW geht an Münchner Mediziner


Stuttgart - In Deutschland leben etwa 70 000 HIV-Infizierte. Bei bis zu 30 Prozent der Patienten versagt innerhalb eines Jahres die erste Therapie mit sogenannten Protease-Inhibitoren (PI). Eine neue Studie in der "DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift" (Georg Thieme Verlag, Stuttgart) liefert jetzt Hinweise für eine geeignete Zweit-Therapie. Darin erweist sich der Wechsel auf eine andere Substanzklasse als deutlich erfolgreicher als die Wahl eines anderen Protease-Inhibitors. Für ihre Erkenntnisse zur Zweit-Therapie bei einer HIV-Infektion verlieh die Fachzeitschrift den Autoren Dr. med. Juliane Brunner und Dr. med. Ulrich Seybold aus München jetzt den DMW Walter Siegenthaler Preis. Die Preisverleihung fand gestern auf dem 117. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) in Wiesbaden statt.

Bis heute ist es nicht möglich, das humane Immundefizienz-Virus (HIV) vollständig aus dem Körper zu entfernen. Jedoch verhindern Ärzte mit der sogenannten hochaktiven antiretroviralen Kombinationstherapie den Ausbruch des Krankheitsbildes AIDS. Dafür verwenden sie initial häufig drei Medikamente: zwei nukleosidische Reverse Transkriptase-Inhibitoren (NRTI) verhindern, dass sich die Erbsubstanz des Virus vervielfältigt; ein Protease-Inhibitor führt darüber hinaus dazu, dass nicht funktionsfähige Viruspartikel entstehen.

Trotz guter Erfahrungen mit dieser Erst-Therapie beschreiben verschiedene Studien in ein bis 30 Prozent aller Fälle ein Versagen der Kombinationstherapie innerhalb der ersten 48 Wochen. Dann ist ein Therapiewechsel nötig. "Auf welche Therapie der Patient in diesem Fall wechseln sollte, ist bisher nicht eindeutig definiert", so die Preisträger Brunner und Seybold. Und auch die aktuellen europäischen Leitlinien geben bisher keine eindeutige Empfehlung dazu.

In ihrer preisgekrönten Arbeit verglichen die Forscher daher erstmals bei 85 Patienten zwei Zweit-Therapie-Strategien, nachdem die Kombinationstherapie mit PI versagt hatte: 51 Patienten wechselten auf einen anderen PI, 33 auf eine andere Medikamentenklasse, einen Nicht-nukleosidischen Reverse-Transkriptase Inhibitor (NNRTI). "Wir wollten herausfinden, welche der beiden Umstellungen langfristig bessere Ergebnisse liefert", erklärt Seybold, Oberarzt der Infektionsambulanz am Klinikum der Universität, München. "Unsere Analyse zeigte deutliche Vorteile für den Wechsel auf NNRTI", so die Assistenzärztin Brunner. Denn nach mehr als acht Jahren waren in der NNRTI-Gruppe noch mehr als die Hälfte der Patienten erfolgreich behandelt. Bei den Patienten der PI-Gruppe versagte die Zweit-Therapie bei 50 Prozent hingegen bereits nach gut anderthalb Jahren.

Die unabhängige Fachjury des DMW Walter Siegenthaler Preises prämiert die Arbeit vor allem wegen des klaren Ergebnisses: "Bisher verglichen die meisten Studien zur Zweit-Therapie Medikamente von nur einer Substanzklasse", sagt Professor Dr. med. Martin Middeke, Vorsitzender der Jury. Die Ergebnisse zeigen nun den Vorteil eines Klassenwechsels auf NNRTI und seien somit durchaus praxisrelevant. Außerdem könnten die Ergebnisse die Lücke in den Leitlinien zur Therapie bei einer HIV-Infektion schließen. Die Gutachter lobten die Preisträger von der Ludwig-Maximilians Universität München auch für das klare Studiendesign und die gute Planung.

Die DMW vergibt den nach dem Schweizer Internisten Professor Dr. med. Dr. h. c. Walter Siegenthaler benannten Preis in diesem Jahr zum zwölften Mal. Der mit 5 000 Euro dotierte Preis zeichnet Autoren aus, deren in der DMW im Vorjahr erschienene Forschungsarbeit prägenden Einfluss auf Medizin und Gesundheit nimmt.


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Quelle:
FZMedNews - Mittwoch, 4. Mai 2011
Thieme Verlagsgruppe
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Mai 2011