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AIDS/796: Internationale AIDS-Konferenz - HIV ist keine Waffe (DAH)


Deutsche AIDS-Hilfe e.V. (DAH) - Montag, 19. Juli 2010

Internationale AIDS-Konferenz in Wien (18.-23. Juli 2010)

HIV ist keine Waffe


Die ehemalige No-Angels-Sängerin Nadja Benaissa steht im August vor Gericht.Der Vorwurf: ungeschützter Sex trotz HIV-Infektion. Vor Beginn des Verfahrens mahnt die Deutsche AIDS-Hilfe zur Fairness: HIV-Positive dürfen nicht leichtfertig zu Kriminellen gemacht werden.


Am 16. August beginnt der Prozess gegen Nadja Benaissa. Die Anklage lautet auf versuchte Körperverletzung. Die 28-jährige Sängerin soll ungeschützten Sex mit mehreren Partnern gehabt haben, obwohl sie gewusst habe, dass sie HIV-positiv sei. Für den Prozess in Darmstadt sind bislang sechs Verhandlungstage anberaumt und 20 Zeugen geladen worden, unter ihnen auch Benaissas Kolleginnen von der Band No Angels. Im Fall einer Verurteilung droht Benaissa eine Gefängnisstrafe zwischen sechs Monaten und zehn Jahren.

Den bevorstehenden Beginn der Verhandlungen nimmt die Deutsche AIDS-Hilfe zum Anlass für eine Klarstellung: Es nutzt der HIV-Prävention wenig, HIV-Positive leichtfertig zu kriminalisieren, nur weil sie ungeschützten Sex gehabt haben.



Zum Sex gehören zwei

"In der Berichterstattung wird die Verantwortung für den angeblich ungeschützten Sexualverkehr allein Frau Benaissa zugeschoben", kritisiert DAH-Referent Karl Lemmen. "Aber zum Sex gehören mindestens zwei Personen, und beide tragen gleichermaßen Verantwortung für ihre Gesundheit und für die ihres Sexualpartners." Die Maßnahmen gegen HIV und Aids in Deutschland sind gerade deshalb so erfolgreich, weil sie von der Verantwortung jedes einzelnen Menschen ausgehen und weil sie HIV-Positive nicht stigmatisieren, sondern ihre schwierige Situation im Umgang mit Stigma HIV anerkennen.



HIV vor Gericht

Seit den 1990er Jahren haben die gerichtlichen Verurteilungen bei Fällen von HIV-Übertragung erheblich zugenommen. Es gibt Einzelfälle, in denen es durchaus berechtigt ist, eine Person wegen einer HIV-Übertragung zu bestrafen, zum Beispiel wenn das Gegenüber arglistig getäuscht wurde und eine Ansteckung beabsichtigt war. Sonst aber gilt: Die Justiz ist und darf keine Akteurin der HIV-Prävention sein. Die Bestrafung von Menschen mit HIV/Aids lässt die Illusion entstehen, der Staat habe das Problem unter Kontrolle. Wenn HIV-negative Menschen glauben, dass allein die HIV-Positiven für den Schutz vor HIV verantwortlich seien, vernachlässigen sie ihr eigenes Schutzverhalten (Safer Sex).



Strafen schrecken ab - vom HIV-Test

Ein weiteres Problem: Nur wer weiß, dass er HIV-positiv ist, kann strafrechtlich belangt werden. Die Kriminalisierung der HIV-Übertragung führt unter Umständen dazu, dass Menschen sich aus Angst vor Repressionen nicht mehr auf HIV testen lassen - denn wer nicht getestet ist, kann auch nicht verurteilt werden.

Dabei gehen seriöse Schätzungen davon aus, dass bis zur Hälfte aller neuen Ansteckungen entstehen, weil der HIV-positive Partner nichts von seiner Infektion weiß. Wenn Menschen vom Test abgehalten werden, führt das also zu mehr Neuinfektionen.



Medizinische Bedenken

Hinzu kommen medizinische Bedenken. Ob es beim ungeschützten Geschlechtsverkehr zu einer Infektion kommt, hängt von mehreren Faktoren ab. So kann zum Beispiel eine erfolgreiche HIV-Therapie die Viren im Blut fast völlig verschwinden lassen und so die Infektiosität sehr stark vermindern.

Die Deutsche AIDS-Hilfe fordert deshalb ein faires Gerichtsverfahren, in dem die Verantwortung aller Beteiligten unvoreingenommen geklärt wird. Eine leichtfertige Kriminalisierung der HIV-Übertragung verhindert keine einzige Neuinfektion. Im Gegenteil: Sie gefährdet die äußerst erfolgreiche HIV-Präventionspolitik in Deutschland.



Vier Tage gegen HIV

Vier Thementage prägen das Programm des Deutschen Pavillons auf der Internationalen Aidskonferenz in Wien (18.-23. Juli 2010). Auch die Deutsche AIDS-Hilfe präsentiert passende Beispiele für ihre erfolgreiche HIV-Präventionsarbeit.

Verfolgen kann man zahlreiche Veranstaltungen und Themen unter:
http://globalhealth.kff.org/AIDS2010


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Quelle:
Deutsche AIDS-Hilfe e.V. (DAH)
Presse- & Öffentlichkeitsarbeit
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Telefon: 030 /69 00 87-16, Fax: 030 / 69 00 87-42
E-Mail: presse@dah.aidshilfe.de
Internet: www.aidshilfe.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Juli 2010