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SCHMERZ/637: Forschung - Sportler halten mehr Schmerzen aus als Nicht-Sportler (idw)


Universitätsklinikum Heidelberg - 04.06.2012

Sportler halten mehr Schmerzen aus als Nicht-Sportler

- Heidelberger Mediziner veröffentlichen Studie in "Pain"
- Möglicher Ansatzpunkt für Therapie bei chronischen Schmerzen



Wer auf professionellem Niveau Sport betreibt, kann größere Schmerzen ertragen, als jemand, der nicht sportlich aktiv ist. Zu diesem Ergebnis kamen Wissenschaftler der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg bei der Auswertung von 15 internationalen Studien, die sich mit Schmerzempfindlichkeit bei Sportlern beschäftigen. Sie stellten fest: Sportler fühlen den Schmerz zwar ebenso wie Nicht-Sportler, lassen sich davon aber weniger beeinträchtigen - sie sind schmerztoleranter. Dieses Ergebnis könnte sich in Zukunft in der Therapie von Patienten mit chronischen Schmerzleiden wie Rückenschmerz oder Fibromyalgie nutzen lassen, z.B. in Form eines speziellen Bewegungsprogramms. Die Auswertung der Studien wurde im Mai vorab online in der Fachzeitschrift PAIN veröffentlicht und im Rahmen einer Pressekonferenz am 4. Juni 2012 an der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg von den Studienleitern Dr. Jonas Tesarz und Professor Dr. Wolfgang Eich, Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik (Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. Wolfgang Herzog), vorgestellt.

In die 15 Ausgangsstudien aus den USA, Kanada, Australien und Europa waren insgesamt 568 Sportlerinnen und Sportler sowie 331 normal aktive Kontrollpersonen miteinbezogen worden. Alle Studien hatten bestimmte Aspekte des Schmerzempfindens bei Sportlern unterschiedlicher Sparten, darunter Ausdauer-, Kraft- und Ballsportarten, untersucht. Alle eingeschlossenen Athleten trainierten mehr als sechs Stunden wöchentlich. Um das Schmerzempfinden zu prüfen, hatten die Probanden z.B. die Hand in kaltes Wasser getaucht oder sich den Finger einklemmen lassen.

Schmerzschwelle nicht verändert

"Alle diese Studien betrachten jeweils bestimmte Personengruppen. Wir haben erstmals die Ergebnisse aller verfügbaren Studien zu diesem Thema zusammengeführt und in Bezug auf Schmerztoleranz und Schmerzschwelle, also ab welcher Intensität ein Reiz als schmerzhaft empfunden wird, bei Sportlern allgemein ausgewertet", erklären Dr. Jonas Tesarz und Professor Dr. Wolfgang Eich.

Sie entdeckten, dass die Schmerztoleranz der verschiedenen Sportler zwar unterschiedlich stark ausgeprägt war, aber deutlich über den Werten der Kontrollpersonen lag. "Die größte Schmerztoleranz hatten die Ballsportler, gefolgt von den Ausdauer- und den Kraftsportlern", so Tesarz. "Ihre Schmerztoleranz war ähnlich hoch wie bei Menschen, die ein gängiges Schmerzmittel eingenommen haben." Bei der Schmerzschwelle zeigte sich dagegen ein eher uneinheitliches Bild. Nach Ausschluss von qualitativ minderwertigeren Studien zeigten sich im Durchschnitt keine Unterschiede zwischen Sportlern und Kontrollpersonen. In Abhängigkeit vom verwendeten Schmerzstimulus waren die Schmerzschwellen der Sportler zum Teil sogar niedriger.

Schmerz wird weniger dominant empfunden

"Die Ergebnisse zeigen, dass Sportler Schmerz ebenso spüren wie normal aktive Menschen. Aber ihre Einstellung zum Schmerz ist eine andere, sie empfinden ihn weniger dominant", erklärt Tesarz. Als nächstes gilt es herauszufinden, wie die körperliche Aktivität sich auf molekulare Abläufe in Nervenzellen auswirkt, welche psychologischen Aspekte dabei eine Rolle spielen und wie diese Ergebnisse für die Therapie bei chronischen Schmerzen genutzt werden können: "Eventuell kann eine entsprechende Physiotherapie die Schmerztoleranz der Patienten anheben und ihnen trotz schwer zu behandelnder Schmerzen zu mehr Lebensqualität verhelfen", so Tesarz.

Auch für Leistungssportler liefert die Studie eine wichtige Erkenntnis: Durch die höhere Schmerztoleranz laufen sie leichter Gefahr die Belastungsgrenze ihres Körpers zu überschreiten. Sie sollten daher gut auf die Signale ihres Körpers achten.

TB


Literatur:
Pain perception in athletes compared to normally active controls: A systematic review with meta-analysis.
J. Tesarz, A.K-G. Schuster, M. Hartmann, A. Gerhardt, W. Eich. DOI: 10.1016/j.pain.2012.03.005.
PAIN, Volume 153, Issue 6 (June 2012)
published by Elsevier.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution665

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung 66 / 2012
Universitätsklinikum Heidelberg, Dr. Annette Tuffs, 04.06.2012
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Juni 2012