Schattenblick →INFOPOOL →MEDIZIN → KRANKHEIT

SCHMERZ/616: Forschung - Opioide können das Schmerzgedächtnis löschen (idw)


Universitätsmedizin Mannheim - 14.01.2012

Opioide können das Schmerzgedächtnis löschen

Im Fachmagazin Science veröffentlichte Studie zeigt: Opioide löschen das Schmerzgedächtnis im Rückenmark dauerhaft


Schmerzforscher der Medizinischen Universität Wien und der Universitätsmedizin Mannheim haben eine wichtige Entdeckung gemacht, die möglicherweise die Behandlung von Patienten mit chronischen Schmerzen verändern wird. Im Laborversuch konnten sie mit einer hoch dosierten Gabe von Opioiden (morphinähnliche Substanzen) das Schmerzgedächtnis, das für chronische Schmerzen verantwortlich ist, löschen.

Schmerzen sind stets unangenehm, und trotzdem als Warnsignal unverzichtbar, um den Körper auf Gefahr hinzuweisen und auf diese Weise zu schützen. Neben dem akuten Schmerz als normaler Reaktion des Körpers, gibt es auch den chronischen Schmerz, der bestehen bleibt, wenn der Auslöser der normalen Schmerzreaktion längst nicht mehr vorhanden ist. Über längere Zeit andauernder akuter Schmerz führt dabei zu zellulären Veränderungen an den Synapsen, den Verbindungen zwischen den Nervenzellen im Rückenmark. Über die so genannte synaptische Potenzierung bildet sich eine "Gedächtnisspur", die sich als Schmerzgedächtnis im Rückenmark ausbildet. Genau diese Gedächtnisspur im Rückenmark lässt sich durch Opioide wieder löschen.

Opioide werden erfolgreich in der Langzeittherapie von Schmerzen eingesetzt. Sie lindern Schmerzen, solange sie dem Körper zugeführt werden. Bislang war es jedoch nicht gelungen, damit auch die Ursachen von Schmerzen zu beheben.

Die aktuellen Untersuchungen sind an Versuchstieren in tiefer Narkose durchgeführt worden. Dabei werden Schmerzfasern kontrolliert erregt und die Gedächtnisbildung im Rückenmark aufgezeichnet. Das vollständige Absetzen von Opioiden kann Schmerzen verursachen. Die Forscher haben nun gezeigt, dass eine hohe Dosis von Opioiden einen ebenso starken Effekt erzielt. Sie konnten nachweisen, dass eine hoch dosierte Kurzzeittherapie Veränderungen an den Synapsen verursacht, die die zelluläre Gedächtnisspur im Rückenmark löschen kann.

Studien mit chronischen Schmerzpatienten sind in Planung. Wenn sich der wissenschaftliche Ansatz dort bestätigt, könnte dies einen Paradigmenwechsel in der Schmerztherapie bedeuten, indem in Zukunft Schmerzen nicht mehr nur symptomatisch behandelt, sondern die Ursachen von chronischen Schmerzen, die Ausbildung des Schmerzgedächtnisses im Rückenmark, beseitigt werden können.


Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.sciencemag.org/content/335/6065/235.full
Publikation

Wissenschaftliche Veröffentlichung:
Erasure of a Spinal Memory Trace of Pain by a Brief, High-Dose Opioid Administration
Ruth Drdla-Schutting, Justus Benrath, Gabriele Wunderbaldinger, Jürgen Sandkühler
Science 13 January 2012: Vol. 335 no. 6065
DOI: 10.1126/science.1211726

Zu dieser Mitteilung finden Sie Anhänge unter:
http://idw-online.de/de/attachment14719
Pressemitteilung

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution400


*


Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Universitätsmedizin Mannheim, Dr. Eva Maria Wellnitz, 14.01.2012
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Januar 2012