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SCHLAGANFALL/347: Neuer Standard bei schwerem Schlaganfall - Thrombektomie senkt Risiko für Behinderungen (DSG)


Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) - 4. Mai 2015

Neuer Standard bei schwerem Schlaganfall - Thrombektomie senkt Risiko für Behinderungen

- Mechanische Gerinnselentfernung verbessert Chancen auf Leben ohne Behinderung
- Schlaganfallbehandlung: Endovaskuläre Therapie wird Standard


Berlin - Von den jährlich etwa 260.000 Patienten in Deutschland, die einen Schlaganfall erleiden, bleibt etwa jeder dritte dauerhaft durch Lähmungen oder Sprachprobleme behindert. Mitte April wurden auf dem europäischen Schlaganfall-Kongress in Glasgow neue Studien zur Entfernung von Blutgerinnseln mit Hilfe von Stent-Retrievern vorgestellt. Die Experten sind sich einig, dass dies bei großen Thromben die neue Standardtherapie ist. Von der mechanischen Entfernung großer Blutgerinnsel könnten in Deutschland jährlich etwa 10.000 Menschen mit einem schweren Schlaganfall profitieren, denen man allein mit der medikamentösen Therapie nicht ausreichend helfen könnte. Welche Vorteile die mechanische Gerinnselentfernung hat, für welche Patienten sie infrage kommt und was das für die Schlaganfallversorgung in Deutschland bedeutet, diskutieren Experten der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) zusammen mit zwei Patienten am 6. Mai 2015 auf einer Pressekonferenz zum "Tag gegen den Schlaganfall" (10. Mai 2015) in Berlin.

Wenn große Blutgefäße im Gehirn durch Gerinnsel blockiert sind, kann man sie häufig nicht mit Medikamenten auflösen. Die sogenannte Thrombolyse kommt hier an ihre Grenzen. Professor Dr. med. Matthias Endres, Direktor der Klinik für Neurologie an der Berliner Charité und 2. Vorsitzender der DSG: "Die aktuellen Studien zeigen, dass in diesen Fällen der Eingriff mit einem Stent-Retriever die richtige Therapie ist. Bei allen Studien wurden solche modernen Mikrokatheter verwendet. Die Auswahl der Patienten wurde verbessert und die Behandlungszeit verkürzt." Denn auch bei der sogenannten Katheterintervention sei der Faktor Zeit von Bedeutung, so der Berliner Schlaganfallexperte.

Die Aussicht für Patienten, einen Schlaganfall ohne bleibende Schäden zu überstehen, ist mit der interventionellen Therapie mit Stent-Retriever sehr gut. Dies zeigten bereits Anfang des Jahres die Ergebnisse von drei Studien, die auf der International Stroke Conference in Nashville, USA, vorgestellt wurden. In allen drei Studien (EXTEND-IA, ESCAPE und SWIFT-PRIME) erhielten die Patienten die medikamentöse Standardtherapie, eine Thrombolyse. Bei der Hälfte der Patienten kam zusätzlich der Stent-Retriever zum Einsatz. "In allen drei Studien wurden große Erfolge erzielt", fasst Professor Endres zusammen. "Die Chance der Patienten auf ein günstiges Behandlungsergebnis wurde um 20 bis 30 Prozent gesteigert." Das sei ein spektakuläres Ergebnis, so der Experte.

Auf der europäischen Schlaganfall-Konferenz Mitte April in Glasgow wurden zwei weitere Studien vorgestellt, die auch im New England Journal of Medicine (NEJM) veröffentlicht wurden - REVASCAT und THERAPY. Professor Dr. med. Bernd Eckert, Leiter der Neuroradiologischen Abteilung an der Asklepios Klinik Altona: "Diese Studien bestätigen die Ergebnisse von EXTEND-IA, ESCAPE und MR CLEAN und bringen nun die endgültige Gewissheit, dass die Methode effektiv ist. Es ist ein Wendepunkt für die Therapie bei schweren Schlaganfällen." Komplikationen gab es im Vergleich zur bisherigen Standardtherapie nur sehr wenige. Die Methode ist sicher und gut verträglich, betonen beide Experten.

Aufgrund der überzeugenden Datenlage ist die Therapie mit Stent-Retrievern bereits in die neuen europäischen Leitlinien zur Schlaganfalltherapie eingegangen. "Die Behandlung erfordert viel Erfahrung, gehört in die Hand eines Neuroradiologen und kann nur in spezialisierten Zentren mit Stroke Unit und Neuroradiologie durchgeführt werden", gibt Professor Eckert zu bedenken.

Für welche Patienten die Therapie infrage kommt, entscheidet sich in der Stroke Unit anhand einer CT-Angiographie, einer Methode zur Darstellung der Gefäße, die sofort nach Eintreffen des Patienten in jeder Klink mit Stroke Unit erfolgen kann. Neben dem direkten Nachweis des Verschlusses eines großen Hirngefäßes mittels der CT-Angiographie ist auch eine schwere Ausfallsymptomatik mit Sprachverlust oder schweren Lähmungen ein Hinweis darauf, dass die neue Behandlung für den Patienten infrage kommen könnte, merkt Professor Endres an.

Nach Ansicht der DSG-Experten ist es nun wichtig, die bestehenden Versorgungsstrukturen der akuten Schlaganfallbehandlung zu verbessern, um möglichst vielen Patienten, für die die mechanische Rekanalisation infrage kommt, die Behandlung zu ermöglichen.


Literatur

Bruce C.V. Campbell, M.D., Peter J. Mitchell, M.D., Timothy J. Kleinig et al.: Endovascular Therapy for Ischemic Stroke with Perfusion-Imaging Selection. N Engl J Med 2015; 372:1009-1018, published on March 12, 2015, at NEJM.org. Artikel

M. Goyal, A.M. Demchuk, B.K. Menon et al.: Randomized Assessment of Rapid Endovascular Treatment of Ischemic Stroke, The New England Journal of Medicine, published on February 11, 2015, at NEJM.org. Artikel

B.C.V. Campbell, P.J. Mitchell, T.J. Kleinig et al.: Endovascular Therapy for Ischemic Stroke with Perfusion-Imaging Selection, The New England Journal of Medicine, published on February 11, 2015, at NEJM.org. Artikel

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Quelle:
Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft
Pressemitteilung vom 4. Mai 2015
Pressestelle
Dagmar Arnold
Postfach 30 11 20
70451 Stuttgart
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Mai 2015

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