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INFEKTION/1558: Bessere Heilungschancen für Patienten mit multiresistenter Tuberkulose (idw)


Deutsches Zentrum für Infektionsforschung - 15.09.2016

Bessere Heilungschancen für Patienten mit multiresistenter Tuberkulose


Ein internationales Team von Wissenschaftlern hat die Behandlungserfolge bei Patienten mit schwerer Tuberkulose über fünf Jahre detailliert dokumentiert und dabei auch die derzeit von der WHO verwendeten Definitionen für "Heilung" überprüft. Die Studie an 23 Behandlungszentren in Europa zeigte, dass die Heilungschancen viel besser sind als bisher angenommen - sobald die Experten vereinfachte und aussagestärkere Definitionen als die der WHO verwendeten. DZIF-Wissenschaftler am Forschungszentrum Borstel haben die Studie koordiniert.

Die Anzahl an Patienten, die mit multiresistenten Tuberkulosebakterien (MDR-TB) identifiziert wurden, hat in den letzten Jahren zugenommen, auch in Europa. Die Aussichten für diese Patienten, erfolgreich geheilt zu werden, galten bislang als gering. Nach den Kriterien der Weltgesundheitsorganisation WHO sind es in Europa nur 31 Prozent, bei denen von Heilung gesprochen werden kann. Dabei umfasst die WHO-Definition von Heilung, dass nach erfolgreichem Abschluss der intensiven Therapie drei Kontrollen auf Tuberkulosebakterien im Sputum (Auswurf) der Patienten negativ sind.

Internationale Studie mit 380 Patienten

In einer internationalen Studie wurden die WHO-Kriterien überprüft und mit neu entwickelten Kriterien verglichen. Gemeinsam mit Ärzten des TBNET (Tuberculosis Network European Trialsgroup) zeichneten Wissenschaftler des Forschungszentrums Borstel fünf Jahre lang die Therapieverläufe von 380 Patienten an 23 Behandlungszentren in Europa auf - beginnend vom Zeitpunkt der Diagnose bis ein Jahr nach Beendigung der Therapie. "Wir haben festgestellt, dass die WHO-Kriterien für die Mehrzahl der Patienten in Westeuropa nicht anwendbar sind, da die geforderten Untersuchungen in der klinischen Praxis gar nicht durchgeführt werden", erklärt Dr. Gunar Günther vom Klinischen Tuberkulosezentrum des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) am Forschungszentrum Borstel. Der Grund: "In dieser Phase der Behandlung können die meisten Patienten kein Sputum mehr produzieren."

Die klinischen Wissenschaftler entwickelten daraufhin für die Studie vereinfachte und aussagekräftigere Kriterien für die Behandlungsergebnisse bei multiresistenten Tuberkulose-Patienten. Danach, so zeigten die Therapieverläufe, kann man von Heilung sprechen, wenn sechs Monate nach Beginn der Therapie keine Bakterien nachgewiesen werden können und es außerdem ein Jahr nach Therapieende zu keinem Rückfall kommt. "Diese Kriterien sind nicht nur einfacher zu bestimmen, die Ergebnisse sind auch stimmiger", erklärt Studienkoordinator Prof. Christoph Lange vom Forschungszentrum Borstel. Denn ähnlich wie bei Krebspatienten ist das Ausbleiben eines Rückfalls ein sehr gutes Kriterium für Heilung. "Die meisten Rückfälle treten innerhalb eines Jahres nach Beendigung der Behandlung auf", erklärt Lange. Bei den WHO-Kriterien sei eine Nachbeobachtungszeit nicht vorgesehen, kritisiert Lange.

Nach den neuen, aussagekräftigeren Kriterien konnten die Wissenschaftler eine rückfallfreie Heilung in 61 Prozent der MDR-TB-Fälle feststellen, das heißt, die Heilungschancen waren insgesamt etwa doppelt so hoch wie bei der Anwendung der WHO-Kriterien. "Für die betroffenen Patienten ist das sehr ermutigend", sagt Lange.

Hoffnung ja, Entwarnung nein

Auch wenn die Ergebnisse ermutigend sind, geben die Forscher keine Entwarnung im Hinblick auf resistente Tuberkuloseerreger. Christoph Lange: "Es gibt noch viel zu tun, denn mindestens ein Drittel der Patienten können aktuell nicht geheilt werden. Wir sind dennoch optimistisch, dass wir durch personalisierte Medizin und individuelle Behandlungskonzepte in Zukunft die Heilungschancen auch dieser Patienten noch einmal deutlich verbessern können."


Publikation
Günther G et al.:
Treatment Outcomes in Multidrug-Resistant Tuberculosis.
New England Journal of Medicine; 375: 1103-1105, September 15, 2016
DOI: 10.1056/NEJMc1603274

Kontakt
Prof. Dr. Christoph Lange
Forschungszentrum Borstel
Deutsches Zentrum für Infektionsforschung
E-Mail: clange@fz-borstel.de

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.dzif.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution1833

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Deutsches Zentrum für Infektionsforschung, Janna Schmidt, 15.09.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. September 2016

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