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HERZ/1063: Risiken und Nutzen bei der Veränderung der Leitlinien zur Definition von Bluthochdruck (idw)


Australisch-Neuseeländischer Hochschulverbund / Institut Ranke-Heinemann - 26.04.2018

Risiken und Nutzen bei der Veränderung der Leitlinien zur Definition von Bluthochdruck


Bald schon könnten Menschen als an Bluthochdruck erkrankt gelten, die heute noch als gesund eingestuft werden. Durch das Herabsetzen der Schwellenwerte, wie von amerikanischen Wissenschaftlern empfohlen, würden frühere Medikamenteneinnahmen und Behandlungen erfolgen. Anstatt damit aber die Gesundheit der Menschen zu sichern, könnten die neuen Schwellenwerte die potenziellen Patienten ernsthaft gefährden.

Neue Empfehlungen des American College of Cardiology und der American Heart Association (ACC/AHA) legen nahe, den Schwellenwert für die Definition von Bluthochdruck zu senken und Risikopatienten früher zu behandeln. Australische Wissenschaftler der Bond University und der University of Sydney stellen in ihrem neuen Report im JAMA International Medicine zur Diskussion, ob damit die Gesundheit der potenziellen Patienten verbessert oder gefährdet wird.

Die Empfehlungen der neuformulierten Richtlinien lauten wie folgt:

  • den Schwellenwert für Bluthochdruck von 140/80 mmHG zu 130/80 mmHg herabsetzen
  • den Schwellenwert für medikamentöse Behandlung der "Risikopatienten" mit Bluthochdruck und bereits vorhandener Herzkreislauferkrankung von 140/80 mmHg auf 130/80 mmHg herabsetzen
  • den Schwellenwert für medikamentöse Behandlung von Erwachsenen mit einem Herzkreislauf-Erkrankungsrisiko von mindestens zehn Prozent oder Patienten, die an Diabetes oder Nierenerkrankungen leiden, von 140/80 mmHg auf 130/80 mmHg herabsetzen

Die Diagnosestandards zu verändern und Behandlungsschwellenwerte für Bluthochdruck herabzusetzen, gefährdet jedoch die Menschen, laut den Autoren des Reports, in dreifacher Weise:

"Erstens bedeutet eine erweiterte Definition von Bluthochdruck, dass plötzlich deutlich mehr Personen als krank eingestuft werden können, obwohl sie vielleicht nur ein sehr geringes Krankheitsrisiko haben", so Dr Katy Bell von der University of Sydney, die leitende Autorin des Reports. "Einer Person den Stempel aufzudrücken, sie habe Bluthochdruck, erhöht das Risiko von Angstzuständen und Depressionen im Gegensatz zu Personen mit demselben Blutdruck, denen kein Bluthochdruck attestiert wird."

"Zweitens ist es wahrscheinlich, dass mehr Menschen von Nebenwirkungen der Behandlungen betroffen sein würden. Und drittens könnten die Neuerungen in Ländern mit keiner umfassenden Krankenversicherung, wie es etwa in den Vereinigten Staaten der Fall ist, dazu führen, dass die Betroffenen Probleme beim Abschluss von Versicherungsverträgen aufgrund von Vorerkrankungen haben."

Professor Paul Glasziou von der Bond University sagt dazu: "Die ACC/AHA Richtlinien folgen bewährten Mustern der medizinischen Fachbereiche, wo Krankheiten eher weiter als enger definiert werden. Systolischer Blutdruck ist nur bedingt reproduzierbar mit einer Standardabweichung von 10 mmHg bei wiederholten Messungen in verschiedenen Kliniken. Da ein großer Teil aller Erwachsenen einen "echten" systolischen Blutdruck hat, der an den Schwellenwert von 130 mm Hg grenzt, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass mehr Menschen mit Bluthochdruck diagnostiziert werden."

Der Report weist nach, dass eine Blutdrucksenkung für achtzig Prozent der kürzlich nach den neuen ACC/AHA Richtlinien diagnostizierten Bluthochdruckpatienten keinerlei Vorteile bietet hinsichtlich der Reduktion des Risikos einer Herz-Kreislauferkrankung, elf Prozent könnten geringe Vorteile erwarten und nur für neun Prozent würden die neuen Richtlinien einen spürbaren Vorteil bedeuten. Die neuen ACC/AHA Richtlinien würden zusätzlich 13,7 Prozent aller Erwachsenen als Bluthochdruckpatienten kategorisieren. Das wären 31 Millionen Menschen in den Vereinigten Staaten und rund 2,4 Millionen Menschen in Australien.

Die Mehrheit dieser Personen sollte laut den Autoren des Reports nicht mit Bluthochdruck diagnostiziert werden, da sie nur ein geringes Krankheitsrisiko aufweisen und eine medikamentöse Behandlung nicht empfehlenswert ist. "Die Ärzte sollten weiterhin einen gesunden Lebensstil, Diäten und körperliche Aktivität anraten und verordnen, egal ob der systolische Blutdruck über oder unter 130 mmHg liegt," so Professor Jenny Doust von der Bond University.

"Wenn es darum geht, Blutdruckmedikamente einzusetzen, sollte das Risiko von Herzkreislauferkrankungen genauestens bestimmt werden. Hierzu können verlässliche Risikokalkulationen angeführt werden und mögliche Vorteile und Risiken müssen mit dem Patienten besprochen werden."


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Australisch-Neuseeländischer Hochschulverbund / Institut Ranke-Heinemann
Sabine Ranke-Heinemann, 26.04.2018
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Mai 2018

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