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HERZ/778: Meldungen von der 81. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (1) (idw)


Deutsche Gesellschaft für Kardiologie - Herz- und Kreislaufforschung
Pressemitteilungen vom 8. April 2015

81. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK), Mannheim, 8.-11. April 2015

→ Schwere Herzinfarkte: Anteil jüngerer Frauen nimmt zu
→ Herz-Patienten im Krankenhaus: Jeder vierte hat Depressionen, zu wenige werden behandelt
→ Künstlicher Kostendruck erschwert kardiologische Versorgung
→  Die Qualität der kardiologischen Versorgung in Deutschland sichern
→ Siegeszug des Herzkatheters: Die Qualität muss stimmen


Schwere Herzinfarkte: Anteil jüngerer Frauen nimmt zu

Mannheim, Mittwoch, 8. April 2015 - Von einem schweren Herzinfarkt (STEMI) sind deutlich mehr jüngere Frauen betroffen als noch vor 15 Jahren, zeigt eine aktuelle Auswertung des Berliner Herzinfarktregisters. Waren um die Jahrtausendwende nur zehn Prozent der Frauen mit einem STEMI (ST-elevation myocardial infarction) jünger als 55 Jahre, sind es heute bereits 17 Prozent. "Die prozentuale Verteilung der Altersgruppen hat sich seit 1999 über die Zeit vor allem bei Frauen hin zu jüngeren Altersgruppen verschoben", so der Dr. Jens-Uwe Röhnisch, Leitender Oberarzt am Vivantes Klinikum Hellersdorf, Berlin, auf der 81. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, bei der vom 8. bis 11. April in Mannheim 8.500 aktive Teilnehmer aus 25 Ländern zusammentreffen.

"Das Rauchen hat vor allem bei jüngeren Altersgruppen zugenommen und liegt bei den Unter-55-Jährigen mit STEMI auf einem sehr hohen Niveau von 80 Prozent", benennt Dr. Röhnisch eine wesentliche Ursache dieser Entwicklung. Rauchten 1999 noch 47 Prozent der STEMI-Patientinnen der Altersgruppe 55-64, sind es heute bereits 62 Prozent. "Auch Adipositas hat insbesondere bei jüngeren Frauen zugenommen", so Dr. Röhnisch.

Die Behandlung des ST-Hebungsinfarktes (STEMI) ist im Verlauf der letzten 15 Jahre zunehmend erfolgreicher geworden. Der immer häufigere Einsatz des Herzkatheters sowie der evidenzbasierten medikamentösen Therapie unabhängig von Alter und Geschlecht haben zu einer eindrucksvollen Reduktion der Krankenhaussterblichkeit geführt. Jetzt sei es wichtig, "sich aktuell auf die Primärprävention insbesondere bei jüngeren Frauen zu konzentrieren", empfiehlt Dr. Röhnisch.

Im Berliner Register werden seit 1999 prospektiv Daten zur stationären Therapie von Patienten mit akutem Koronarsyndrom (ACS) erhoben. In die Untersuchung wurden alle 15.436 STEMI-Patienten aus bis zu 25 Kliniken eingeschlossen. Analysiert wurden Altersverteilung und Risikoprofil für Männer und Frauen in verschiedenen Altersgruppen über die Zeit (1999-03, 2004-08 und 2009-13).

Quelle:
DGK-Abstract V1631. 15 Jahres-Daten eines Herzinfarktregisters - Gibt es einen Wandel im Risikoprofil bei STEMI-Patienten? J.-U. Röhnisch, B. Maier, S. Behrens, R. Schoeller, H. Schühlen, H. Theres

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Herz-Patienten im Krankenhaus: Jeder vierte hat Depressionen, zu wenige werden behandelt

Mannheim, Mittwoch, 8. April 2015 - Im Krankenhaus behandelte Patienten mit Herz-Kreislauf-Krankheiten haben wesentlich öfter depressive Störungen als die Allgemeinbevölkerung, außerdem sind bei ihnen behandlungsbedürftige depressive Störungen deutlich unterversorgt. Von den Studienteilnehmern mit aktueller mittelschwerer bis schwerer depressiver Episode waren aktuell nur 29 Prozent in Behandlung. Das berichtet PD Dr. Nina Rieckmann (Berlin School of Public Health, Charité) auf der 81. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, bei der vom 8. bis 11. April in Mannheim 8.500 aktive Teilnehmer aus 25 Ländern zusammentreffen.

Von 1.266 Teilnehmern der CDCare Studie hatten 23 Prozent ein positives Depressions-Screening. Bei 22,1 Prozent der Frauen und 15,5 Prozent der Männer war innerhalb der vorangegangenen zwölf Wochen eine Depression aufgetreten ("12-Wochen-Prävalenz"), in der Allgemeinbevölkerung sind es 10,6 Prozent bei Frauen und 4,8 Prozent bei Männern. Bezogen auf die vorangegangenen vier Wochen ("4-Wochen-Prävalenz") hatten 17,6 Prozent der Frauen und 10,7 Prozent der Männer eine Depression. Insgesamt waren nach eigenen Angaben 5,1 Prozent aller Teilnehmer aktuell wegen einer Depression in Behandlung, 2,6 Prozent hatten in den 12 Monaten davor eine Behandlung gegen eine Depression abgeschlossen. Nur 29 Prozent den Teilnehmer mit bestehender mittelschwerer bis schwerer Depressions-Episode waren aktuell in Behandlung.

Internationale Studien haben gezeigt, dass Depression eine häufige Komorbidität bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung ist, die mit einer schlechteren medizinischen Prognose einhergeht, die Therapietreue der Patienten einschränkt und die Krankheitskosten erhöht. Dr. Rieckmann: "Einige kardiologische Fachgesellschaften diskutieren die Einführung eines systematischen Depressions-Screenings bei Herzpatienten. Verlässliche Daten zur Prävalenz depressiver Störungen und zur Versorgungslage depressiver Herz-Kreislauf-Patienten in realen klinischen Settings sind eine Voraussetzung zur Abschätzung des Behandlungsbedarfs."

Die CDCare Studie wurde mit KHK-Patienten ohne kognitive Beeinträchtigungen durchgeführt, die an zwei universitären kardiologischen Kliniken zwischen Juni 2012 und August 2014 rekrutiert wurden. Folgeerhebungen wurden bzw. werden nach einem, sechs, und zwölf Monaten mittels Fragebögen durchgeführt. Zur Baseline-Erhebung wurden ein Depressions-Screening (Patient Health Questionnaire, PHQ) sowie ein klinisches Interview zur Erfassung depressiver Störungen (Composite International Diagnostic Interview) durchgeführt, soziodemographische Angaben und Behandlungsraten wurden mittels Fragebogen erfasst.

Quelle:
DGK Abstract V 872: Prävalenz und Versorgungslage depressiver Störungen bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung; N. Riekmann, F. Hoffmann, V. Arolt, W. Haverkamp, P. Martus, A. Ströhle, J. Waltenberger, J. Müller-Nordhorn

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Künstlicher Kostendruck erschwert kardiologische Versorgung

Ungeachtet ihrer Erfolge hat die Kardiologie in Deutschland mit wachsenden finanziellen Problemen zu kämpfen. Der Grund dafür ist das System der diagnosebezogenen Fallgruppen, das bewirkt, dass ungeachtet des medizinischen Fortschritts für gleiche Leistungen immer weniger bezahlt wird.

Mannheim, Mittwoch, 8. April 2015 - "Die Kardiologie gehört zu jenen Fächern der Medizin, die in den vergangenen Jahren die erfreulichsten Erfolge verbuchen konnten. Die Sterblichkeit nach einem Herzinfarkt ist während der letzten Jahrzehnte deutlich gesunken, neue interventionelle Verfahren wie die TAVI oder der Mitraclip ermöglichen die sichere Behandlung auch sehr kranker Patienten. Allerdings gibt es von genau diesen immer mehr", so Prof. Dr. Stephan Felix (Greifswald), Präsident der 81. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, bei der vom 8. bis 11. April in Mannheim 8.500 aktive Teilnehmer aus 25 Ländern zusammentreffen. "Das hat einerseits mit dem zunehmenden Alter der Bevölkerung zu tun, andererseits aber auch damit, dass Akutereignisse wie ein Herzinfarkt seltener zum Tod, dafür aber nicht selten zu einer bleibenden Schädigung des Herzens führen."

Die Kardiologie bewege sich in einem besonderen Spannungsfeld zwischen Patientenversorgung, Gesundheitsökonomie sowie Forschung und Lehre, betont Prof. Felix: "Die Dimensionen sind gewaltig. Mit mehr als 2,5 Millionen Krankenhausfällen im Jahr 2012 stehen Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems an erster Stelle bei den stationären Behandlungsfällen. Damit entsteht jedoch für die Kardiologie eine zwiespältige Situation. Einerseits wirkt sich der hohe Deckungsbeitrag der kardiologischen Kliniken auf die Wirtschaftsbilanz der Krankenhäuser sehr günstig aus." Gleichzeitig entstehe durch die Besonderheiten des deutschen Abrechnungssystems jedoch eine schwierige Lage, denn der Katalogeffekt im DRG-System bewirkt eine veränderte Bewertung identischer Leistungen.

Konkret bedeute das, so Prof. Felix: "Niedrig gehaltene Kosten der Kliniken innerhalb eines Jahres gehen im Folgejahr in die Kalkulation des Instituts für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) ein und führen zwei Jahre später zu niedrigeren Pauschalen und damit höherem Kostendruck. Aufgrund rechnerischer Besonderheiten gibt es in diesem System Gewinner und Verlierer unter den Fächern. Die Kardiologie ist der größte Verlierer, sie gerät unter Druck, weil für identische oder verbesserte Leistungen im Vergleich zum Vorjahr geringere Erlöse erzielt werden."

Verantwortlich dafür ist das System der diagnosebezogenen Fallgruppen (DRGs). Dieses habe beispielsweise bei den Drug Eluting Stents, die heute für die meisten Herzinfarkt-Patienten die Therapie der Wahl darstellen, zu einem regelrechten Verfall der Vergütung geführt, rechnet Prof. Felix vor. Die Vergütung beruht auf ermittelten durchschnittlichen Kostenwerten und berücksichtigt nicht, ob es sich im Einzelfall um einen moderneren oder einen älteren Stent handelt.

Dieses Vorgehen lasse völlig außeracht, dass ständig neue Stents entwickelt werden, die oft auch nachweisbare klinische Vorteile mit sich bringen, kritisiert Prof. Felix: "Und die sind eben nicht billiger als die alten Modelle." Wie dramatisch sich solche Abwertungen auswirken können, zeigt zum Beispiel die Behandlung sehr schwer kranker Patienten (PCCL4) nach einem Herzinfarkt. Für die interventionelle Versorgung mit zwei Stents wurden 2014 nur mehr 53 Prozent der Summe erstattet, die 2013 für die gleiche Leistung bezahlt worden war.

Dieses System habe als Ziel, so der Experte, in Deutschland die Preise für stationäre Leistungen möglichst niedrig zu halten. Laut Daten der OECD liegt Deutschland beispielsweise bei den kaufkraftbereinigten Preisen von Koronarinterventionen auf dem vorletzten Platz der untersuchten Länder, weit hinter Österreich oder auch Portugal. Spitzenreiter bei den Preisen sind mit großem Abstand die USA. Prof. Felix: "Die Gesundheitspolitik will den Preisverfall derzeit nicht stoppen. Die politischen Ziele heißen Marktbereinigung, Konzentration, Netzwerk- und Zentrenbildung. Kann man aber weiterhin so schnell die Produktivität steigern, wie es die Kosten-Erlös-Schere erfordert? Das bedarfsnotwendige Krankenhaus muss auch ohne Mengensteigerungen überleben können."

Universitätskliniken in der Klemme

In einer ganz besonderen Situation befinden sich in diesem System die Hochschulkliniken, die nicht nur für Forschung und Lehre zuständig sind, sondern obendrein die Versorgung von Patienten mit seltenen Erkrankungen sowie extrem aufwändige und teure Fälle übernehmen müssen, betont Prof. Felix: "Hinzu kommt, dass der Anteil, den Hochschulkliniken an der Notfallversorgung übernehmen, überproportional ansteigt. Damit ergibt sich eine über Jahre zunehmende finanzielle Schieflage dieser Häuser. Zwar werden vom Bund erhebliche Mittel für Exzellenzuniversitäten und Gesundheitszentren zur Verfügung gestellt." Doch diese sind nicht für die Routineversorgung einzusetzen und deshalb keine Lösung des Problems. Die Zuführung von Bundesmitteln für die Forschung sei sehr sinnvoll. Dadurch werde das Strukturproblem der Hochschulmedizin aber nicht gelöst, betont Prof. Felix: "Es sind zusätzliche Mittel zur Finanzierung der Hochschulmedizin an allen Standorten zwingend notwendig, die zum Beispiel für Notfallmedizin, Extremkostenfälle, Hochschulambulanzen und Investitionen gebraucht werden." Dies sei unverzichtbar, um Hochleistungsmedizin zu erhalten, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Universitätsmedizin zu steigern und um den Druck, nicht vorgesehene Querfinanzierungen durchzuführen, zu vermeiden."

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Die Qualität der kardiologischen Versorgung in Deutschland sichern

Leitlinien, Positionspapiere und Curricula für die Ausbildung von Herzspezialisten: Mit ihrer Qualitätsoffensive schafft die DGK die Rahmenbedingungen für eine erstklassige Versorgung herzkranker Patienten. Herzinsuffizienz und Klappenerkrankungen sind aktuelle Herausforderungen, die Infarktsterblichkeit geht in Deutschland seit Jahren kontinuierlich zurück.

Mannheim, Mittwoch, 8. April 2015 - "Es ist eine Erfolgsgeschichte der modernen Kardiologie", berichtet DGK-Präsident Prof. Dr. Christian Hamm (Gießen/Bad Nauheim) auf der 81. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, bei der von 8. bis 11. April in Mannheim 8.500 aktive Teilnehmer aus 25 Ländern zusammentreffen. "Die Sterblichkeit aufgrund von Herzinfarkten oder der koronaren Herzkrankheit ist seit Jahren stark rückläufig." Lag die Zahl der Todesfälle pro 100.000 Einwohner beim akuten Herzinfarkt 1982 noch bei 116,4, hat sie sich bis 2012 beinahe halbiert (65,2). Bei der chronischen Form der koronaren Herzkrankheit sind die entsprechenden Zahlen in diesem Zeitraum von 207,3 auf 159,2 zurückgegangen.

"Paradoxerweise ist es gerade auch eine Konsequenz dieser Erfolge, dass andere Herzkrankheiten kontinuierlich an Bedeutung gewinnen. Immer mehr Menschen überleben einen akuten Herzinfarkt, erkranken später aber an einer Herzschwäche", so der DGK-Präsident. "Auch die steigende Lebenserwartung erhöht das Risiko von Herzinsuffizienz, Herzklappen- oder Herzrhythmuserkrankungen." Die Herzinsuffizienz war 2012, wie der aktuelle Deutsche Herzbericht zeigt, mit 386.548 stationären Fällen die zweithäufigste Einzeldiagnose bei vollstationär behandelten Personen. Die Zahl der stationären Herzschwäche-Krankheitsfälle pro 100.000 Einwohner stieg von nur 275 im Jahr 1995 auf 480 (2012). Im gleichen Zeitraum findet sich bei Herzrhythmusstörungen ein Anstieg von 282 auf 537 Krankheitsfälle pro 100.000 Einwohner (90 Prozent), und bei Herzklappenerkrankungen von 69 auf 105 (52 Prozent). Prof. Hamm: "Diese Entwicklungen sind zentrale Themen der diesjährigen Jahrestagung der DGK."

Beiträge zu höchster Versorgungsqualität: Leitlinien und Positionspapiere

Vor diesem Hintergrund sei besonders die Rolle und Bedeutung der DGK als Fachgesellschaft und wissenschaftliche Gesellschaft hervorzuheben, die einen zentralen Beitrag zur Sicherstellung einer hohen Versorgungsqualität leiste, so Prof. Hamm: "Wir haben in den vergangenen Jahren Leitlinien und Positionspapiere zu wesentlichen Fragen unseres Fachs entwickelt. So zum Beispiel zu den neuen oralen Antikoagulantien (NOAK), deren leitliniengerechten Einsatz die DGK, auch entgegen einer rein auf Kostenersparnis ausgerichteten Pharmakritik, voll unterstützt. Die Sicherheit von NOAKs ist in großangelegten Studien erwiesen."

Eine klare Position bezog die DGK auch hinsichtlich der lipidsenkenden Therapie bei Patienten mit erhöhtem kardiovaskulärem Risiko. Hier wurde die seit langem gebräuchliche europäische Position unterstrichen: Eine lipidsenkende Therapie mit Statinen sollte sich an den gemessenen Cholesterin-Werten orientieren und auf Zielwerte hin ausgerichtet sein. Der Ansatz der amerikanischen Gesellschaften AHA/ACC, der keine Zielwerte mehr berücksichtigt und die Therapie ausschließlich nach Grundkrankheiten indiziert, wird von den Experten der DGK kritisch gesehen. "Ob und wie lange ein Patient in Zusammenhang mit interventioneller Koronardiagnostik und -therapie stationär behandelt wird, führt immer wieder zu Diskussionen zwischen Leistungserbringern und dem medizinischen Dienst der Krankenkassen (MKD)", berichtet Prof. Hamm. "Die DGK hat gemeinsam mit dem MDK unter Berücksichtigung des Patientenwohls, der medizinischen Datenlage und den aktuellen Leitlinien einen allgemeinen Kriterienkatalog entwickelt, der hier mehr Transparenz schaffen soll."

Die DGK hat auch ein Positionspapier zu den Qualitätskriterien zur Durchführung von TAVIs entwickelt, das definiert, wie diese Eingriffe nach zeitgemäßen Standards durchzuführen sind. Prof. Hamm: "Der Inhalt macht deutlich, dass die DGK größten Wert auf ein höchstes Qualitätsniveau bei diesen Eingriffen legt. Auch Qualitätskriterien für die Zertifizierung von TAVI-Zentren wurden definiert und publiziert."

Die von der DGK publizierten Leitlinien geben die Standards für die Behandlung von Herzkrankheiten in Deutschland vor, so Prof. Hamm: "Es gibt derzeit rund 20.000 biomedizinische Journale. Niemand kann alle lesen, und so wurde es zu einer der wichtigsten Aufgaben der medizinischen Fachgesellschaften, aus der unüberschaubaren Informationsflut relevante Studienergebnisse herauszufiltern. Diese Resultate werden dann in Empfehlungen für die tägliche Praxis umgelegt."

Eine wichtige Aufgabe sieht die DGK ihrem Präsidenten zufolge auch darin, die von der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) ausgearbeiteten europäischen Leitlinien an die deutschen Gegebenheiten anzupassen. Solche Kommentare zu ESC Leitlinien erschienen kürzlich zum Management der stabilen koronaren Herzkrankheit (KHK), zu Herzklappenerkrankungen sowie zur Schrittmacher- und kardialen Resynchronisationstherapie.

Qualitätsoffensive: Neue Curricula

Nicht zuletzt hat die DGK in den vergangenen Jahren auch wichtige Akzente in der Fortbildung gesetzt. Beispielsweise wurde ein neues Curriculum "Magnetresonanztomographie" geschaffen, in dem die Anforderungen beschrieben werden, die zur Erlangung der Zusatzqualifikation "Kardio-MRT" Voraussetzung sind. Prof. Hamm: "Auch Curricula für die Ausbildung interventioneller Kardiologen, die Untersuchungen und Behandlungen mit dem Herzkatheter durchführen, sowie für Rhythmologie, wurden von der DGK entwickelt und erfreuen sich extrem hoher Nachfrage."

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Siegeszug des Herzkatheters: Die Qualität muss stimmen

Minimalinvasive Untersuchungen und Behandlungen mit dem Herzkatheter haben das Potential, die Kardiologie zu revolutionieren. Voraussetzung dafür ist die Einhaltung strenger Qualitätsstandards. Die DGK hat für die minimalinvasive Implantation künstlicher Aortenklappen solche Standards erarbeitet.

Mannheim, Mittwoch, 8. April 2015 - "In der Kardiologie zeichnet sich seit einigen Jahren ein vermehrter Trend zu minimalinvasiven Eingriffen ab. Minimalinvasiv bedeutet in der Regel, dass eine Untersuchung oder Behandlung mit dem Herzkatheter durchgeführt werden kann", so Prof. Dr. Karl-Heinz Kuck (Hamburg), President Elect der DGK, auf der 81. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, bei der vom 8. bis 11. April in Mannheim 8.500 aktive Teilnehmer aus 25 Ländern zusammentreffen. "Dabei nähert sich die interventionelle Kardiologie mit ihren Instrumenten dem Herzen idealerweise über das Arterien- oder Venensystem."

Die Vorteile liegen auf der Hand: Der Brustkorb muss nicht eröffnet werden, ein Einsatz der Herz-Lungenmaschine ist nicht erforderlich. Viele Katheter-Eingriffe sind ohne Narkose möglich. Prof. Kuck: "Die vielen Vorteile und die rasante technische Entwicklung führen dazu, dass Herzkatheter immer häufiger zum Einsatz kommen. So verzeichnet auch der aktuelle Deutsche Herzbericht einen steigenden Trend beim Einsatz von Herzkathetern für diagnostische oder therapeutische Zwecke."

Einheitliche Qualitätsstandards für TAVI-Eingriffe

Neue Therapien wie insbesondere die minimalinvasive Implantation von künstlichen Aortenklappen (TAVI) erweisen sich als so erfolgreich, dass die Eingriffszahlen nicht nur in den vergangenen Jahren gestiegen sind, sondern aller Voraussicht nach auch in absehbarer Zeit weiter steigen werden. "Das erfordert Qualitätssicherung", betont Prof. Kuck. "War die TAVI zunächst nur für Patienten gedacht, die so krank waren, dass ihnen eine Operation an der Herz-Lungenmaschine nicht mehr zugemutet werden konnte, so mehrt sich nun die Evidenz, dass auch durchaus operationsfähige Patienten von dieser Methode profitieren können. In dieser neuen Situation besteht dringender Bedarf nach Empfehlungen zur Indikationsstellung der TAVI gegenüber dem herzchirurgischen Klappenersatz sowie zu praktischen Aspekten der TAVI-Implantation." Diese Empfehlungen wurden kürzlich von einer Task Force der DGK erarbeitet und in einem Positionspapier publiziert. Darin werden unter anderem einheitliche Qualitätsstandards für TAVI-Eingriffe formuliert. Prof. Kuck: "Ziel dieses Papiers ist vor allem die Sicherung der Versorgungsqualität bei steigendem klinischem Bedarf."

Dabei wurde Wert auf flexible Indikationsstellung gelegt, berichtet der President Elect der DGK: "Die Entscheidung zwischen TAVI und chirurgischer Klappenprothese für Patienten mit hochgradiger, symptomatischer Aortenklappenstenose soll in einem TAVI-Zentrum unabhängig von der aufnehmenden Fachabteilung stets gemeinsam im Herz-Team getroffen werden. Dieser Ansatz schließt explizit den Willen des Patienten und gegebenenfalls seiner Angehörigen mit ein. Score-Systeme können zur Entscheidungsfindung herangezogen werden, sind aber immer als Teil des klinischen Gesamtbildes zu sehen und führen nicht zu automatischen Indikationsstellungen."

Definiert wurden auch Anforderungen an TAVI-Zentren. Diese müssen personelle, technische, strukturelle und organisatorische Anforderungen erfüllen um für die entsprechende Indikations-, Prozess- und Ergebnisqualität garantieren zu können. Damit soll die umfassende und multidisziplinäre Versorgung innerhalb eines interdisziplinären Herz-Teams sichergestellt werden. Im Zentrum dieses Teams stehen Kardiologen und Herzchirurgen mit jeweils ausreichender Erfahrung in der Durchführung der TAVI-Prozedur (>50 supervidierte TAVI-Prozeduren/Jahr/Zentrum und ≥25 TAVI-Prozeduren/Jahr/Operateur) bzw. der Beherrschung möglicher Komplikationen.

Prof. Kuck: "Wir betonen in unserem Positionspapier, dass an einem TAVI-Zentrum nicht unbedingt eine herzchirurgische Fachabteilung vorhanden sein muss. In solchen Fällen muss eine vertragliche Kooperation mit einer Fachabteilung für Herzchirurgie nachgewiesen werden. Dies unter anderem deshalb, weil die Rate schwerwiegender Komplikationen, die bei TAVI-Eingriffen ein sofortiges Eingreifen des Herzchirurgen erfordern, derzeit bei nur einem Prozent liegt und der Trend laufend weiter nach unten geht." Es existieren auch Daten des AQUA-Instituts (Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen) aus dem Jahr 2013, wonach die Mortalität bei TAVI-Behandlung in Zentren mit Fachabteilung für Herzchirurgie und ohne entsprechende Abteilung - aber mit Beteiligung von kooperierenden Herzchirurgen bei TAVI-Eingriffen - nicht unterschiedlich war.

Der ideale Ort für die Durchführung einer TAVI-Implantation sei ein Hybrid-Katheterlabor/Operationssaal, in dem im Falle einer Komplikation, die einen herzchirurgischen Eingriff erfordert, sofort die Operation erfolgen kann, so Prof. Kuck: "Ist vor Ort kein Hybridlabor vorhanden, können TAVI-Prozeduren unter bestimmten Voraussetzungen auch in einem Herzkatheterlabor durchgeführt werden. Wenn im Falle einer Komplikation eine Operation unmittelbar erfolgen muss, muss das Herzkatheterlabor für den herzchirurgischen Eingriff vollständig ausgestattet sein."

ifizierungs-Offensive

Diese Empfehlungen zu den Qualitätsstandards von TAVI-Eingriffen sollen regelmäßig in Abhängigkeit von der wissenschaftlichen Datenlage aktualisiert werden. "Die entsprechende Zertifizierungen von Zentren durch die DGK hat bereits begonnen", so Prof. Kuck. "Mit den Erfahrungen der ersten Zertifizierungen ist für die nächsten Wochen die Einrichtung einer Webseite auf der DGK-Homepage geplant, so dass sich Zentren aus ganz Deutschland für die Zertifizierung anmelden können. Der Plan für meine Präsidentschaft ist, derartige Qualitäts-Initiativen auszuweiten und als nächstes Projekt die Zertifizierung von Vorhofflimmer-Zentren zu initiieren."

Quelle:
Qualitätskriterien zur Durchführung der transvaskulären Aortenklappenimplantation; Kardio-loge 2014 - 8 (6): DOI 10.1007/s12181-014-0622-8; K.-H. Kuck, H. Eggebrecht, H. R. Figulla, M. Haude, H. Katus, H. Möllmann, C. K. Naber, H. Schunkert, H. Thiele, C. Hamm (http://leitlinien.dgk.org/2014/qualitaetskriterien-zur-durchfuehrung-der-transvaskulaeren-aortenklappenimplantation-tavi/

Raute

Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie - Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit über 9000 Mitgliedern. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen und die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder. 1927 in Bad Nauheim gegründet, ist die DGK die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Weitere Informationen unter www.dgk.org.

Weitere Informationen unter
http://www.dgk.org/presse
http://ft2015.dgk.org

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution737

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Deutsche Gesellschaft für Kardiologie - Herz- und Kreislaufforschung e.V.
Prof. Dr. Eckart Fleck, 08.04.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. April 2015

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