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FORSCHUNG/812: Systemische Amyloidose - Krankhaften Eiweißablagerungen auf der Spur (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 5/2019

Amyloidose
Individuelle Krankheitsbilder

(PM/RED)


Krankhaften Eiweißablagerungen auf der Spur: Neue DFG-Forschungsgruppe ergründet lebensbedrohliche Erkrankung.


In den kommenden Jahren wollen Forschende der Universität Ulm der systemischen Amyloidose auf den Grund gehen. Ein Teilprojekt innerhalb der Forschungsgruppe verantwortet die Kieler Christian-Albrechts-Universität (CAU).

Die Erkrankung Amyloidose hat viele Gesichter und kann bei Herz- oder Nierenbefall unbehandelt nach wenigen Monaten zum Tod führen. Mit Fördermitteln von über 2,1 Millionen Euro wollen die beteiligten Wissenschaftler aus Ulm, Erlangen, München, Heidelberg und Kiel aufklären, welche proteinbiochemischen Faktoren zur Krankheitsentstehung und zu den so unterschiedlichen Ausprägungen der Amyloidose führen. Ihre Ergebnisse dienen nicht nur der Grundlagenforschung: Langfristig könnten sie die Frühdiagnose und somit die Versorgung betroffener Patienten verbessern.

Bei der systemischen Amyloidose lagern sich körpereigene, krankhaft veränderte Eiweiße im Gewebe oder in Organen wie Herz und Niere ab. Diese Ablagerungen führen zu Fehlfunktionen bis hin zum Organversagen. Was die Menge der Amyloidablagerungen und den Krankheitsverlauf angeht, gibt es große Unterschiede. Jeder der jährlich rund 250 im Amyloidose-Zentrum der Universitätsklinik Heidelberg diagnostizierten Patienten zeigt ein individuelles Krankheitsbild. Die häufigste Form, die Leichtketten- oder AL-Amyloidose, verläuft oft sehr aggressiv. Schon nach kurzer Krankheitsdauer kann eine Organtransplantation nötig werden.

Oft sind Krebspatienten betroffen

Die Entstehung der systemischen Amyloidose ist noch nicht vollständig verstanden. Ursächlich ist wohl eine Fehlfaltung der sogenannten Antikörper-Leichtketten, die zu den charakteristischen Ablagerungen im Gewebe führt. Dieser krankhafte Prozess wird zum Beispiel bei Krebspatienten mit einem multiplen Myelom beobachtet. Aber war Mittels Kryo-Elektronenmikroskopie erhaltene Darstellung einer Amyloidfibrille aus dem Herzen eines Amyloidose-Betroffenen um entwickeln lediglich fünf Prozent aller Betroffenen mit einer solchen Vorerkrankung eine AL-Amyloidose? Und wie kommt es zu so unterschiedlichen Krankheitsbildern? Diesen Leitfragen will die neue Forschungsgruppe "Mechanismen der Fehlfaltung von Antikörper-Leichtketten in der systemischen AL-Amyloidose" mit einem breiten biochemischen Methodenspektrum nachgehen.

Dazu kommen neuartige bildgebende Verfahren wie MALDI-Imaging oder Kryo-Elektronenmikroskopie. Denn bisher ist unbekannt, warum die Amyloidablagerungen so unterschiedlich stark ausgeprägt sind und die Erkrankung in einem Fall primär das Herz, im anderen Fall die Niere betrifft. Auch Mechanismen, die der Fehlfaltung der Leichtketten zugrunde liegen, und das Zusammenwirken der Ablagerungen mit Geweben sind weitgehend unverstanden. "Die AL-Amyloidose ist zwar relativ selten, gilt jedoch als Archetyp einer patientenspezifischen Protein-Fehlfaltungskrankheit. Ein tieferes Verständnis der proteinbiochemischen Grundlagen ist Voraussetzung für die Entwicklung neuer Behandlungsansätze", erklärt der Sprecher der DFG-Forschungsgruppe, Prof. Marcus Fändrich.

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Die Entstehung der systemischen Amyloidose ist nicht vollständig verstanden. Vermutet wird, dass eine Fehlfaltung der Antikörper-Leichtketten zu den Ablagerungen im Gewebe führt.
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Rückschlüsse auf Krankheitsentstehung und -verlauf

Die Wissenschaftler aus Medizin und Lebenswissenschaften nehmen an, dass die unterschiedlichen Krankheitsbilder der AL-Amyloidose durch die hochgradige Variabilität natürlicher Leichtketten und somit durch unterschiedliche Proteineigenschaften bestimmt werden.

Um diese Hypothese zu prüfen, analysieren die Forschenden unter anderem Blut, Nieren- und Herzgewebe sowie Knochenmark und Fett von Erkrankten. So sollen Charakteristika der extrahierten Amyloidablagerungen mit Krankheitsausprägung und Organbefall korreliert werden. Von der Universität Ulm bringt das Institut für Proteinbiochemie seine Expertise in die Forschungsgruppe ein: Mittels Kryo-Elektronenmikroskopie wird die Arbeitsgruppe Fändrich die Struktur von Amyloidfibrillen aus dem Herzgewebe betroffener Patienten untersuchen, während Dr. Christian Haupt in enger Zusammenarbeit mit Ärzten des Heidelberger Amyloidose-Zentrums die Variabilität der krankhaften Amyloidfibrillen bei Betroffenen mit hauptsächlichem Herz- oder Nierenbefall vergleicht. Ziel sind mögliche Rückschlüsse auf die Entstehung der verschiedenen Krankheitsbilder. "Ein weiteres Anliegen der weltweit in ihrer Ausrichtung einzigartigen Forschungsgruppe ist es, die relativ seltene Erkrankung und die Forschungsbemühungen hierzu einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen", so die Wissenschaftler.

Neben den Ulmer Forschenden sind Wissenschaftler der Universitäten Kiel, Erlangen-Nürnberg, Heidelberg sowie der Technischen Universität München beteiligt. Das am Institut für Pathologie und am Amyloid Register Kiel durchgeführte Teilprojekt der DFG-Forschungsgruppe widmet sich den Organveränderungen bei der kardialen und renalen AL-Amyloidose. Dazu setzt das Institut MALDI-Imaging als innovative, proteombasierte Imaging-Technologie ein. "Das Amyloid Register Kiel erhält jährlich aus der gesamten Bundesrepublik sowie dem europäischen und internationalen Ausland Proben zur Diagnostik dieser seltenen Krankheitsgruppe, für die es immer häufiger Behandlungsmöglichkeiten gibt", unterstreicht Prof. Christoph Röcken von der Medizinischen Fakultät der Kieler Uni. Eine DFG-Forschungsgruppe ist ein Arbeitsbündnis hervorragender Wissenschaftler zu einem aktuellen Forschungsthema. Die Zusammenarbeit ist zunächst auf drei Jahre angelegt, dann erfolgt eine neue Begutachtung und im Erfolgsfall eine zweite Förderperiode. Neben exzellenter Wissenschaft hat die Forschungsgruppe beispielsweise auch die Nachwuchsförderung zum Ziel.


Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 5/2019 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2019/201905/h19054a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
72. Jahrgang, Mai 2019, Seite 32
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Juni 2019

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