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FORSCHUNG/292: Wie Nervenzellen Virenattacken trotzen (idw)


Universitätsklinikum Freiburg - 07.02.2013

Wie Nervenzellen Virenattacken trotzen

Fasnet forcierte Forschungsprojekt / Freiburger Wissenschaftler beweisen die Existenz eines Schutzfaktors, der den Untergang von Gehirnzellen verhindern kann.



Dass Prof. Dr. Martin Schwemmle und Prof. Dr. Bernd Heimrich bei einer Fasnetfeier ihrer Kinder zufällig ins Gespräch kamen, liegt schon einige Jahre zurück. Damals ahnte keiner der beiden Freiburger Forscher, dass diese närrische Bekanntschaft der Beginn einer höchst erfolgreichen wissenschaftlichen Zusammenarbeit werden würde. Gerade haben der Virologe aus dem Freiburger Universitätsklinikum und der Neuroanatom aus der Freiburger Universität in der renommierten Fachzeitschrift PNAS (Proceedings of the National Academy of Science) ihre neueste gemeinsame Studie veröffentlicht. Das Wissenschaftlerteam konnte zeigen, dass es lösliche Schutzfaktoren geben muss, die trotz Virenattacke auf bestimmte Nervenzellen im Gehirn deren Niedergang verhindern können.

Der Verlust von Nervenzellen im Gehirn ist besonders problematisch, da sich diese nicht regenerieren können und im Normalfall für immer verloren sind. Das gilt auch für Ratten, die nach einer Infektion mit dem Bornavirus sämtliche Körnerzellen im Hippocampus verlieren. Veränderungen in diesem Hirnareal, das zum Großhirn gehört, werden unter anderem für Erkrankungen wie Epilepsie und Alzheimer verantwortlich gemacht. Da Körnerzellen die Schaltstelle bilden, über die alle Informationen in den Hippcampus gelangen, könnte hier der Schlüssel zu einem wirksamen Schutz vor zerstörerischen Hirnerkrankungen liegen.

Heimrich war es bereits 2005 gelungen, Hippocampuszellen so zu präparieren, dass sie in der Kulturschale funktionsfähig bleiben - ein kompliziertes Unterfangen, das den Aufwand aber lohnt. Geben Untersuchungen an diesen Gehirnschnitten doch präzise Auskunft über natürliche Hirnfunktionen. Mehrere Tausend dieser auch als Slice-Kulturen bezeichneten Präparate wurden für die nun veröffentlichte Studie angefertigt, die nicht nur durch die Ergebnisse, sondern auch mit einem ausgefeilten Versuchsprotokoll besticht. Das aufwendige Programm bewältigt hat Yuan-Ju Wu, Erstautorin der Studie, die über die - im Rahmen der Exzellenzinitiative geförderte - Spemann Graduiertenschule für Biologie und Medizin nach Freiburg und in die Arbeitsgruppe von Schwemmle und Heimrich gekommen ist. "Ihr Einsatz und Überblick war schon besonders", lobt Prof. Heimrich.

Die ersten Tests zeigten, dass das Bornavirus nicht jeder Ratte etwas anhaben kann. Es gibt einzelne Stämme, bei denen die Körnerzellen trotz Infektion mit dem Erreger überleben. "Das ließ nur einen Schluss zu: Diese Tiere können einen Faktor bilden, der den Hippocampus schützt und unempfindlich gegen das Virus macht", erklärt Prof. Schwemmle. Weitere Beobachtungen in der Kulturschale bewiesen: Die Resistenz aus den Körnerzellen unempfindlicher Ratten kann auf Nervenzellen übertragen werden, die nach Kontakt mit dem Bornavirus normalerweise absterben würden; und der Botenstoff, der diesen Schutz vermittelt, lässt sich im Kulturmedium nachweisen. Also muss er löslich sein. Darüber hinaus konnten die Gene, die die Tiere vor dem neuronalen Untergang schützen beziehungsweise dafür anfällig machen, durch eine Kooperation mit Prof. Dr. Nobert Hübner vom Max-Delbrück-Zentrum in Berlin gefunden werden. Auf Chromosom 6 sitzt das Gen, welches den Ratten Resistenz verleiht, auf Gen 3 liegt die Anlage, die die Tiere empfindlich werden lässt für die zerstörerische Wirkung des Virus.

Nun wollen die Wissenschaftler mit biochemischen Methoden klären, wie der Botenstoff aussieht, der Körnerzellen vor dem Untergang bewahren kann. Einen Kandidaten überprüfen sie bereits, ein - allem Anschein nach dazugehöriger - zweiter Schutzfaktor wird noch gesucht. Sobald Schwemmle und Heimrich die Identifikation gelungen ist, werden neue Tests beginnen: Die Wirksamkeit des Neuroprotektors werden die Forscher dann an anderen Nervenzelltypen überprüfen. Vorher gönnen sich die beiden aber noch eine kreative Pause. Schließlich ist Fasnet, und wer weiß, welche brillante Idee ihnen dieses Jahr während der "tollen Tage " in den Sinn kommt.


Die Originalveröffentlichung finden Sie unter:
www.pnas.org/cgi/doi/10.1073/pnas.1214939110


Kontakt:

Prof. Dr. Martin Schwemmle
Abteilung für Virologie
Universitätsklinikum Freiburg
E-Mail: martin.schwemmle@uniklinik-freiburg.de

Prof. Dr. Bernd Heimrich
Abteilung für Neuroanatomie
Institut für Anatomie und Zellbiologie
Universität Freiburg
E-Mail: bernd.heimrich@zfn.uni-freiburg.de


Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution1401

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Universitätsklinikum Freiburg, Doreen Winkler, 07.02.2013
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Februar 2013