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DIABETES/2000: Kongress - Norden setzte Akzente (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 1/2018

Kongress
Norden setzte viele Akzente

von Uwe Groenewold


Gemeinsame Tagung von Deutscher Diabetes Gesellschaft und Deutscher Hochdruckliga (DHL) in Mannheim


Volkskrankheiten Diabetes und Bluthochdruck: vorbeugen, erkennen, behandeln. Unter diesem Motto wurde Ende des vergangenen Jahres in Mannheim in verschiedenen interdisziplinären und fachspezifischen Sitzungen, Workshops und Fortbildungsformaten diskutiert. Rund 4.000 Teilnehmer aus Wissenschaft und Praxis waren bei der Veranstaltung insgesamt dabei - und Experten aus Schleswig-Holstein setzten in beiden Fachrichtungen besondere Akzente.

Als Frau mit Diabetes Typ 1 oder Typ 2 ein Kind zu gebären, ist trotz verbesserter diabetologischer und geburtsmedizinischer Betreuung in den letzten 20 Jahren auch heute noch mit Risiken verbunden. Darauf wies Dr. Helmut Kleinwechter, Diabetologe aus Kiel, beim DDG-Kongress hin. 2016 haben etwa 3.500 Frauen mit Typ-1-Diabetes in Deutschland ein Kind geboren; bei jeder 200. Frau mit Typ-1-Diabetes nimmt eine Schwangerschaft einen lebensbedrohlichen Verlauf. "Die Hauptprobleme sind im Vergleich zu nichtdiabetischen Müttern erhöhte Sterblichkeitsraten der Babys vor, während und kurz nach der Geburt, vermehrt große Fehlbildungen besonders am Herzen, den herznahen großen Blutgefäßen und dem knöchernen Rückenmarksrohr mit Nervensystem, außerdem Frühgeburten und Präeklampsie." Die Risiken bei Schwangeren mit Typ-2-Diabetes seien genauso hoch wie bei Typ-1-Diabetes, obwohl ihre Diabetesdauer deutlich kürzer ist. "Insulinbehandelte Frauen sollten in Perinatalzentren der Stufen 1 und 2, Frauen mit Diabetes Typ 2 mindestens in einer Geburtsklinik mit angeschlossenem Kinderkrankenhaus entbinden."

Bei rund 40.650 Schwangeren wurde 2016 Gestationsdiabetes (GDM) festgestellt. Seit 2012 ist der orale Blutzuckerbelastungstest als Kassenleistung in die Mutterschaftsrichtlinien und damit verbindlich in die Schwangerschaftsvorsorge aufgenommen, trotzdem wird ein Gestationsdiabetes häufig übersehen, so Kleinwechter. "GDM hat in den letzten 15 Jahren um das Viereinhalbfache zugenommen." Damit zählt der Gestationsdiabetes zu den häufigsten Komplikationen in der Schwangerschaft. Risikofaktoren sind unter anderem Übergewicht, höheres Lebensalter, Bewegungsmangel und ein hoher Konsum von Softgetränken sowie rotem Fleisch. Außerdem essen werdende Mütter im Verlauf der Schwangerschaft nicht selten zu kalorienreich und nehmen übermäßig zu.

Ein unbehandelter Schwangerschaftsdiabetes kann zu einem unkontrollierten Gewichtswachstum des Kindes und zu Geburtskomplikationen führen. Ohne Veränderungen des Lebensstils führt GDM bei den Müttern häufig zu Kaiserschnittentbindungen und vorzeitigen Geburtseinleitungen. Für Mutter und Kind besteht außerdem das Risiko, dauerhaft an Diabetes zu erkranken. So entwickelt jede zweite Frau innerhalb von zehn Jahren nach der Schwangerschaft einen manifesten Diabetes Typ 2 und muss mit Folgeschäden an Augen, Nerven und Nieren rechnen. Empfehlung von Kleinwechter: "Frauen mit Kinderwunsch sollten ihren Nachwuchs in jüngeren Lebensjahren planen und etwaiges Übergewicht nach Möglichkeit schon vor der Schwangerschaft abbauen."

Schwer einstellbarer Hochdruck

Bis zu 20 Prozent der Patienten mit Bluthochdruck gehören zu den schwer einstellbaren Hypertonikern. Wie dieser therapeutischen Herausforderung begegnet werden kann, war ein wesentliches Thema der Jahrestagung der Deutschen Hochdruckliga. Prof. Joachim Weil, Chefarzt der Medizinischen Klinik II der Sana Kliniken Lübeck, präsentierte in diesem Zusammenhang ein Statement der Task Force "Wissenschaftliche Stellungnahmen und Leitlinien der DHL", das den Erfolg der sogenannten Renalen Denervierung (RDN) unterstreicht. Bei Hochdruckpatienten, die nicht medikamentös therapiert werden, führe die RDN zu einer signifikanten Blutdrucksenkung, so Weil. Ob dies auch bei Patienten mit laufender Hochdrucktherapie gelinge, müssten weitere Studien zeigen.

Mit der interventionellen renalen Sympathikusdenervation steht seit einigen Jahren ein minimal-invasives Verfahren zur Behandlung von nicht einstellbaren Hochdruckpatienten zur Verfügung. Dabei werden gezielt Stressnervenenden verödet, um eine Senkung des Blutdrucks zu erreichen. Bei der RDN wird über die Leiste ein Hochfrequenzstrom-Ablationskatheter in das Nierengefäß eingebracht. Der Katheter wird spiralförmig an verschiedenen Punkten an der Gefäßwand platziert. Der abgegebene Strom erhitzt das Nierengefäß auf der Außenseite, während es von innen durch den hohen Blutfluss gekühlt wird. Hierdurch werden die um das Nierengefäß verlaufenden Nervenfasern verödet und die Niere somit vom Stressnervensystem entkoppelt. Der Eingriff dauert etwa 45 Minuten und wird an beiden Nieren durchgeführt.

In die von Weil vorgestellte Studie wurden Patienten mit einem medikamentös nicht behandelten Bluthochdruck eingeschlossen, deren Praxisblutdruckwerte zwischen 150 und 180mm Hg systolisch sowie mehr als 90mm Hg diastolisch lagen. Zusätzlich musste der durchschnittliche systolische Wert in der 24-Stunden-Langzeit-Blutdruckmessung zwischen 140 und 170mm Hg liegen. Anschließend erfolgte eine Randomisierung in eine Scheinprozedur sowie in eine Behandlungsgruppe. "Die Studie war mit 80 Patienten relativ klein. Dennoch zeigte sich bei der Drei-Monats-Auswertung eine statistisch signifikante Reduktion des systolischen und diastolischen Blutdrucks zugunsten der Patienten, die eine renale Denervation erhalten hatten", erklärte Weil. Dies traf sowohl für den Praxisblutdruck (-7,7mm Hg systolisch und -5mm Hg diastolisch) als auch für die 24-Stunden-Langzeit-Blutdruckmessung (-5,5mm Hg systolisch, -4,8mm Hg diastolisch) zu. Im Gegensatz dazu kam es in der scheinbehandelten Gruppe zu keiner wesentlichen Änderung des Blutdrucks; relevante Nebenwirkungen oder Komplikationen wurden nicht beobachtet.

Trotz der geringen Patientenzahl und des frühen Messzeitpunktes nach drei Monaten ergibt sich eine statistisch signifikante Reduktion des Blutdrucks. Prof. Weil: "Dies ist insofern von Interesse, da bereits kleine Änderungen des Blutdrucks mit einer Senkung des kardiovaskulären Risikos einhergehen." Weil räumte ein, dass weitere klinische Studien mit größeren Patientenzahlen und längerer Nachbeobachtungszeit den endgültigen Stellenwert der renalen Denervation in der Hochdruck-Therapie klären müssten.


Info

Frauen mit Diabetes sind stark schlaganfallgefährdet. Untersuchungen des Deutschen Diabetes-Zentrums (DDZ) in Düsseldorf haben ergeben, dass ihr Schlaganfallrisiko um 50 Prozent höher liegt als bei Frauen ohne Diabetes. Auch zu den Folgen van Diabetes hat das DDZ neue Zahlen veröffentlicht. 2010 sind laut DDZ-Berechnungen 175.000 Sterbefälle mit Diabetes assoziiert - deutlich mehr, als in der offiziellen Todesursachenstatistik (23.000 diabetesbedingte Sterbefälle) abgebildet ist.


Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 1/2018 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2018/201801/h18014a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
70. Jahrgang, Januar 201, Seite 37
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der Kassenärztlichen Vereinigung
Schleswig-Holstein
Redaktion: Dirk Schnack (Ltg.)
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Februar 2018

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