Schattenblick → INFOPOOL → MEDIZIN → KRANKHEIT


DEMENZ/256: Gespräch - Erfahrungen mit Reha und Urlaub (Alzheimer Info)


Alzheimer Info, Ausgabe 1/16
Nachrichten der Deutschen Alzheimer Gesellschaft Selbsthilfe Demenz

Die Begleitumstände müssen stimmen
Erfahrungen mit Reha und Urlaub

Gespräch mit Hartmut Kretschel geführt von Astrid Lärm, DAlzG


Sind betreuter Urlaub und Rehabilitation tatsächlich eine Entlastung für pflegende Angehörige? Wie kompliziert sind die Anträge an die Krankenkasse? Darüber sprachen wir mit Hartmut Kretschel, der seine Frau Ute seit ihrer Alzheimer-Diagnose im Jahr 2008 viele Jahre betreut und gepflegt hat. Ausflüge und Reisen blieben auch mit Demenz ein wichtiger Teil des gemeinsamen Lebens. Im Gespräch mit dem Alzheimer Info berichtet Hartmut Kretschel von guten und schlechten Erfahrungen.


Herr Kretschel, Sie haben 2014 einen Antrag auf eine stationäre medizinische Rehabilitation für sich selbst und ihre Frau gestellt. Verlief das unproblematisch?

Zunächst einmal hatte mein Hausarzt nicht die Berechtigung, den Antrag zu stellen. Ich musste also zu einem anderen Arzt gehen. Dann wurde der Antrag abgelehnt. Der Fragebogen war nicht auf psychosomatische Beschwerden ausgelegt. Die Krankenkasse kam zu dem Schluss, dass man meine Rückenschmerzen auch ambulant behandeln könne. Ich habe Widerspruch eingelegt. Letztlich wurde eine Ausnahme für mich gemacht, weil ein Mitarbeiter des Pflegestützpunkts einen persönlichen Kontakt zu einem Mitarbeiter der Krankenkasse hatte und sich für mich eingesetzt hat.

Sie haben eine dreiwöchige Reha im Therapiezentrum Ratzeburg bewilligt bekommen. Wie sieht ein solcher Aufenthalt aus?

Die Angehörigen erhalten therapeutische Maßnahmen nach ihrem Bedarf, die Demenzpatienten sind in der stationären Kurzzeitpflege untergebracht. Ich war mit der Qualität der Therapie sehr zufrieden, aber die Unterbringung in der Kurzzeitpflege war für meine Frau nicht geeignet.

Was war das Problem?

Sie ist sehr auf mich fixiert und braucht viel Zuwendung. Doch die Pflegekräfte hatten zu wenig Zeit. Ich habe große Achtung vor den Pflegekräften, aber sie konnten unter diesen Bedingungen nicht die Betreuung leisten, die meine Frau gebraucht hätte. Sie war häufig sich selbst überlassen und unglücklich. Ich habe mich dann morgens und abends selbst um sie gekümmert und auf einen Teil meiner Therapie verzichtet. Nach sechs Tagen habe ich die Kur abgebrochen, weil es meiner Frau zu schlecht ging.

Hatte die Reha negative Folgen?

Als wir wieder zu Hause Waren, konnte meine Frau sich in der Wohnung schlechter orientieren, sie schlief schwer ein und versuchte wegzulaufen. Ich habe sehr lange gebraucht, um wieder Ruhe in unseren Alltag zu bringen.

Haben Sie auch mal betreuten Urlaub mit ihrer Frau gemacht?

Die AWO bietet betreute Urlaube für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen. Damit habe ich gute Erfahrungen gemacht. Ich war mit meiner Frau einmal in Großenbrode am Fehmarnsund und einmal in Winterberg im Hochsauerland. Es gibt dort eine Tagesbetreuung für Demenzkranke und ein Programm für die Angehörigen: Gesprächsgruppen und Ausflüge - mit und ohne ihre Partner.

In Großenbrode war der Zustand meiner Frau noch besser, wir haben lange Spaziergänge gemacht und es hat ihr dort gut gefallen. In Winterberg war es schon schwieriger, weil sie nicht in die Tagesbetreuung wollte. Von den Ausflügen hat sie nicht viel gehabt. Aber für mich waren die natürlich schön.

Was würden Sie anderen Angehörigen raten?

Ich kann den betreuten Urlaub nur empfehlen. Man bekommt Abstand zum Alltag und hat Zeit für sich. Das ist eine große Entlastung. Dass es meiner Frau in der Tagesbetreuung in Winterberg nicht gut ging, hat mich natürlich belastet, aber ich habe versucht, den Urlaub trotzdem zu genießen.

Wir danken Ihnen für das Gespräch!


Hartmut Kretschel veröffentlichte im Jahr 2014 jede Woche einen kurzen Bericht über die Pflege seiner Frau auf seiner facebook-Seite. Seine Berichte sind mittlerweile als Buch erhältlich.

*

Quelle:
Alzheimer Info, Ausgabe 1/16, S.
Nachrichten der Deutschen Alzheimer Gesellschaft Selbsthilfe Demenz
Friedrichstraße 236, 10969 Berlin
Telefon: 030/259 37 95-0, Fax: 030/259 37 95-29
Alzheimer-Telefon: 030/259 37 95-14
E-Mail: info@deutsche-alzheimer.de
Internet: www.deutsche-alzheimer.de
 
Das Alzheimer Info erscheint vierteljährlich.
Jahresabonnement: 12,00 Euro, Einzelheft: 3,00 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Mai 2016

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang