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DEMENZ/029: Ergotherapie bei Demenz (Alzheimer Info)


Alzheimer Info, Ausgabe 1/12
Nachrichten der Deutschen Alzheimer Gesellschaft Selbsthilfe Demenz

Ergotherapie bei Demenz

Von Stefanie Ertl



Bei einer fortschreitenden Krankheit wie der Alzheimer-Demenz, die mit zunehmenden Einschränkungen des geistigen Leistungsvermögens einhergeht, ist ein wichtiges Ziel der Behandlung, die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern und aufrecht zu erhalten. Eigenständig zu sein, Aufgaben zu haben, am Leben und an der Gemeinschaft teil zu nehmen sowie das Gefühl gebraucht zu werden, erhöhen die Lebensqualität. Dabei kann die Ergotherapie helfen. Die Bezeichnung für diese Therapieform ist aus dem griechischen Wort "ergein" abgeleitet, was "handeln" oder "tätig sein" bedeutet. Ihr Ziel ist es, Menschen durch Beratung, geeignete Aktivitäten und Gestaltung der Lebensumgebung in ihrer Handlungsfähigkeit und Eigenständigkeit zu unterstützen.

Studien bestätigen Wirksamkeit
Die Wirksamkeit der Ergotherapie bei Demenzkranken ist durch mehrere Untersuchungen belegt. Erprobt wurden vor allem die Erarbeitung von Problemlösungen im Alltag und die Förderung angenehmer Tätigkeiten. Eine Studie des Alzheimer-Zentrums an der Universität Nijmegen unter Leitung von Maud Graff hat diese Ergebnisse bestätigt. Patienten im Alter von 65 Jahren und darüber mit einer leichtgradigen bis mittelschweren Alzheimer-Demenz wurden nach einem Zufallsverfahren für einen Zeitraum von fünf Wochen entweder der zu prüfenden Behandlung oder der Routineversorgung ohne ergotherapeutische Maßnahmen zugeteilt. Die Ergotherapie bestand aus zehn Hausbesuchen mit einer Dauer von jeweils einer Stunde. Im Mittelpunkt standen die Anpassung von alltäglichen Verrichtungen und der häuslichen Umgebung an die Fähigkeiten der Patienten sowie die Anwendung von Ausgleichs- und Umwegstrategien. Darüber hinaus wurden die Bezugspersonen angeleitet, wie sie die Patienten am besten unterstützen können. Die Behandlung bewirkte deutliche Verbesserungen von Lebensqualität und Stimmung bei den Patienten und dadurch auch bei den Angehörigen. Diese Effekte waren sechs Wochen nach Beendigung der Therapie noch immer nachweisbar.

Auf Grund der wissenschaftlich belegten Wirksamkeit wird die Ergotherapie in den Leitlinien medizinischer Fachgesellschaften als Teil der Demenzbehandlung empfohlen und von den Krankenkassen erstattet. Der Hausarzt kann die Ergotherapie nach Klärung der Diagnose per Rezept verordnen. Eine Erstverordnung umfasst bis zu zehn Therapieeinheiten. Im Regelfall können drei Folgeverordnungen ausgestellt werden. Eine darüber hinaus gehende Weiterführung der Ergotherapie ist mit einer entsprechenden Begründung des behandelnden Arztes möglich.

Fallbeispiele
Frau Müller leidet an einer leichtgradigen Demenz. Im Erstgespräch stellte sich heraus, dass sie eine begeisterte Köchin war, dass aber in letzter Zeit der Ehemann die Zubereitung der gemeinsamen Mahlzeiten übernommen hat. Während eines Hausbesuchs schlug die Therapeutin die gemeinsame Zubereitung einer Suppe vor. Dabei beobachtete sie, dass Frau Müller häufig nach ihren Küchenutensilien suchte. Mehrfach war es auch notwendig, die Patientin an die nächst folgenden Arbeitsschritte zu erinnern. Die therapeutischen Maßnahmen bestanden unter anderem darin, den Inhalt der Küchenschränke übersichtlich zu ordnen und Türen sowie Schubladen mit gut lesbaren Etiketten zu versehen. Weiterhin wurden die Lieblingsrezepte der Patientin vereinfacht und in einzelne Arbeitsschritte aufgeteilt. Dadurch gelang es Frau Müller besser, sich in ihrer Küche zurecht zu finden und einige einfache Gerichte wieder selbstständig zuzubereiten. Ihr Ehemann unterstützte sie mit Zuspruch, Lob und gelegentlichen Hilfestellungen.

Herr Bauer hatte Schwierigkeiten, selbstständig den Weg zu seinen regelmäßigen Kegelabenden zu finden. Die Therapeutin fertigte mit ihm gemeinsam ein handliches Fotoalbum an, das einen Straßenplan und Fotos von auffälligen Orientierungspunkten enthielt. Den Gebrauch dieser Orientierungshilfe übte Herr Bauer mit der Therapeutin in mehreren gemeinsamen Spaziergängen ein. Nach und nach gelang es ihm, die Strecke mit Hilfe des Büchleins auch allein zurückzulegen.

Ergotherapie in verschiedenen Stadien der Demenz
Die Ergotherapie kann in verschiedenen Stadien einer Demenzerkrankung zur Lebensqualität der Betroffenen und zur Entlastung ihrer Angehörigen beitragen. Ihre Ziele und Strategien ändern sich jedoch im Verlauf der Krankheit. Bei einer leichtgradigen Demenz ist die Therapie vor allem darauf gerichtet, die Eigenständigkeit und Funktionsfähigkeit der Patienten aufrecht zu erhalten. Durch ein Gespräch mit den Betroffenen und ihren Bezugspersonen, gegebenenfalls auch durch einen Hausbesuch, versucht der Therapeut herauszufinden, welche konkreten Probleme vorliegen und welche Lösungsversuche bereits unternommen worden sind.

Häufig eingesetzte therapeutische Maßnahmen in diesem Stadium sind die Nutzung von Gedächtnishilfen wie Terminplaner, Notizbuch, Pinnwand oder Diktiergerät, die Einführung eines gleichbleibenden Tagesablaufs, die Aufbewahrung von Gegenständen an einem festen Ort sowie die Verwendung von Orientierungshilfen wie große Uhren, Kalender, Hinweisschilder und farbliche Kennzeichnungen. Zur Tätigkeit des Ergotherapeuten gehört auch die Beratung über den Einsatz von technischen Hilfen, beispielsweise von automatisch gesteuerten Beleuchtungsvorrichtungen, Herdsicherungen oder Personenortungssystemen. Im mittleren Stadium einer Demenzerkrankung rückt als Ziel der Ergotherapie die Verminderung von Angst, Unruhe oder Depression in den Vordergrund.

Wichtige Maßnahmen bestehen darin, die Patienten nach Möglichkeit an Alltagsaufgaben in Haus und Garten zu beteiligen und ihnen einfache Tätigkeiten zu übertragen wie Wäsche zusammenlegen, Tisch abwischen, Geschirr abtrocknen, Laub zusammenrechen oder den Hof kehren. Manche Patienten können auch einfache Handarbeiten ausführen. Sinnvoll sind in diesem Stadium ferner Kommunikationsübungen wie Sprichwörter ergänzen oder Wörter finden, die Beteiligung an Gesellschaftsspielen, das Betrachten von Fotoalben und das gemeinsame Singen. Bei all diesen Aktivitäten kommt es nicht auf die Vollständigkeit oder Genauigkeit des Ergebnisses an, sondern auf die Freude an der Ausführung. Patienten mit fortgeschrittener Demenz begegnen dem Ergotherapeuten überwiegend in Einrichtungen der Tagesbetreuung und in Altenpflegeheimen.

In diesem Stadium liegt der Schwerpunkt auf der Förderung des Wohlbefindens der Betroffenen. Das kann durch die Vermittlung von angenehmen Sinnesreizen in den Bereichen des Sehens, Hörens, Riechens, Schmeckens und Tastens geschehen. Wichtig ist ferner, die Patienten bei Alltagshandlungen wie Essen, Trinken oder Ankleiden zu unterstützen, ihnen diese aber nicht ohne Notwendigkeit abzunehmen.

Stefanie Ertl, Ergotherapeutin
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Klinikum rechts der Isar
Technische Universität München

Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Kreatives Gestalten ist ein Bestandteil der Ergotherapie

- Auch einfache Tätigkeiten vermitteln Freude und das Gefühl der Zusammengehörigkeit

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Quelle:
Alzheimer Info, Ausgabe 1/12, S. 12 - 13
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. April 2012