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ARTIKEL/1068: Europäischer Kongreß für Immunologie, 13.-16.09.2009 in Berlin (4) (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen


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      Ein neuer Ansatz gegen Krebs

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Hürden auf dem Weg zur HIV-Impfung

Die wichtigsten Immunzellen in der Abwehr von HI-Viren sind die T-Lymphozyten, weil sie virusbefallene Zellen gezielt abtöten können. Diese Eigenschaft macht man sich bei der Impfstoffentwicklung gegen HIV zunutze. "Dennoch blieben T-Zell-basierte Vakzinen bis heute enttäuschend. Unser Verständnis der T-Zell-Wirksamkeit ist noch begrenzt und wir müssen die T-Zell-Eigenschaften, die für einen effektiven Impfschutz gebraucht werden, erst einmal näher identifizieren", betont Dr. Victor Appay, Gruppenleiter Pathogenesis and Immunosenescence HIV, INSERM-Einheit der Medizinischen Fakultät, Paris, beim 2nd European Congress of Immunology ECI 2009 in Berlin.

Bei der Entwicklung eines T-Zell-basierten Impfstoffs gegen HIV konzentrieren sich die Forscher auf eine bestimmte Untergruppe der T-Lymphozyten, die sogenannten CD8(+)-Zellen, früher auch T-Killerzellen genannt, die virusinfizierte Zellen sowie Tumorzellen erkennen und zum Absterben bringen können. "Wir müssen nun auf die Ebene der Grundlagenforschung zurückkehren und die Faktoren, die die Wirksamkeit der T-Zell-Antwort gegen HIV bestimmen und aufrechterhalten, zunächst genauer analysieren", so Appay. Zu diesem Zweck haben die Wissenschaftler mit verschiedenen Ansätzen und neuen Technologien die funktionellen Eigenschaften der CD8(+)-Zellen bei HIV-Infizierten bis auf die Ebene ihrer Vorläuferzellen hin analysiert.

Die jüngsten Ergebnisse zeigen, wie groß die Bedeutung der Antigen-Sensitivität - das ist die Stärke der Interaktion zwischen CD8(+)-Zelle und infizierter Zielzelle - bei der Kontrolle der Vermehrung der HI-Viren ist. Die Antigen-Sensitivität beeinflusst wichtige Eigenschaften der T-Zellen: 1. ihre Fähigkeit, eine Vielzahl von löslichen Effektor-Molekülen gleichzeitig zu produzieren, 2. das Ausmaß ihrer Zellproliferation und Umschlagfrequenz und 3. ihre Fähigkeit, HI-Viren zu unterdrücken, indem sie die Replikation der Viren verhindern oder infizierte Zellen abtöten. Diese Eigenschaften sind die Meilensteine der T-Zell-Wirksamkeit gegen HI-Viren.

Darüber hinaus fanden die Wissenschaftler heraus, dass mit fortschreitender Erkrankung das Immunsystem zunehmend versagt bzw. einer vorzeitigen Alterung unterworfen ist, ähnlich, wie es beim gesunden Menschen erst im hohen Alter beobachtet wird. "Diese Erkenntnisse sind nicht nur für unser Verständnis der Krankheitsentwicklung bei HIV-Infektion und für neue Strategien zur Entwicklung erfolgreicher, T-Zell-basierter Impfstoffe relevant", so Dr. Appay. "Sie werden auch dabei helfen, das Phänomen der Immunalterung, im Fachjargon Immunseneszenz genannt, aufzuklären."

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Die Immunsuppression des Tumors aushebeln: Ein neuer Ansatz gegen Krebs

Krebs entsteht durch unkontrolliertes Wachstum von normalen Körperzellen. Im Prinzip kann das Immunsystem das Wachstum von Tumorzellen erkennen und sie über natürliche Killerzellen und zytotoxische T-Lymphozyten direkt zerstören. Die Tumoren verfügen jedoch über ein Arsenal von Waffen, mit dem sie die Immunattacke erfolgreich unterdrücken können. Prof. Dr. Kingston Mills vom Trinity College Dublin hat einen neuen Ansatz entwickelt, bei dem die tumorbedingte Immunsuppression aufgehoben und damit die Wirksamkeit gezielter Immuntherapien erhöht wird. Erste Ergebnisse präsentiert er beim 2nd European Congress of Immunology ECI 2009 in Berlin.

Um den Angriff des körpereigenen Immunsystems abzuwehren, sezernieren Tumoren immunsuppressive Moleküle, die die Immunantwort dämpfen und Zellen anlocken, die ihrerseits ebenfalls immunsuppressiv wirken. Sie heißen regulatorische T-Zellen ("Treg"-Zellen) und haben normalerweise die Funktion, Immunreaktionen gegen körpereigenes Gewebe zu unterbinden, die sonst zu Autoimmunerkrankungen führen würden. Zusammen mit den Treg-Zellen erschweren die von den Tumoren gebildeten immunsuppressiven Moleküle es dem Immunsystem, den wachsenden Tumor anzugreifen. In der Folge kommt es zu unkontrolliertem Wachstum und Krebserkrankung.

Normalerweise wird eine Krebserkrankung mittels Chirurgie, Chemotherapie, Strahlentherapie oder einer Kombination davon behandelt. Alle diese Therapieformen sind nicht immer ausreichend wirksam und haben ernstzunehmende Nebenwirkungen. Alternative Ansätze basieren auf der gezielten Stimulation des Immunsystems, um den Tumor auszuschalten und einen Rückfall zu vermeiden.

Unter diesem Aspekt wurden bereits zahlreiche biologische Therapien entwickelt. Einige davon haben die Aktivierung dendritischer Zellen zum Ziel. Diese besonderen Zellen des Immunsystems sind in der Lage (Tumor-)Antigene so zu präsentieren, dass die T-Lymphozyten zur Abtötung der Tumorzellen befähigt werden. Weitere immuntherapeutische Ansätze sind Zelltherapien, bei denen T-Lymphozyten oder dendritische Zellen zunächst in Kultur vermehrt und dann dem Patienten reinfundiert werden.

Nur wenige dieser Ansätze haben sich als wirksam gegenüber einzelnen Tumorarten erwiesen. So ist z. B. die Substanz Imiquimod, ein so genannter TLR(Toll-like receptor)-Agonist, ein bekannter Aktivator dendritischer Zellen. Die Substanz wird bereits klinisch genutzt, um Basalzellkarzinome topisch zu behandeln. Weitere TLR-Agonisten befinden sich in der klinischen Prüfung als Adjuvans für Krebsimpfungen, allerdings mit teilweise enttäuschenden Ergebnissen.

Ein Problem der TLR-Agonisten besteht darin, dass sie sowohl immunsuppressive als auch entzündliche Immunantworten anstoßen können, so dass sie die T-Zellen in verschiedene Richtungen - entweder tumoraggressiv oder immunsuppressiv - beeinflussen können. Diese Eigenschaft soll den Kollateralschaden während einer Infektion oder Entzündung begrenzen, schränkt aber die Fähigkeit der TLR-Agonisten ein, im immunsupprimierten Umfeld eines Tumors eine wirksame antitumorale T-Zell-Antwort auszulösen.

Mills und Mitarbeitern gelang es jedoch, die durch TLR-Agonisten ausgelöste Immunantwort so zu manipulieren, dass der immunsuppressive Arm gezielt ausgeschaltet wird. Die Wissenschaftler erreichten dies durch Manipulation der Signalwege innerhalb der dendritischen Zellen, durch die die Induktion der immunsuppressiv wirkenden von Treg-Zellen unterbunden wird. Damit wird der alternative Weg zu einer schützenden Immunantwort, die die Tumoren eliminiert, freigemacht. Dieser neue Ansatz war in Tumormodellen an der Maus bereits sehr erfolgreich und könnte auch beim Menschen immuntherapeutische Therapien gegen Krebs wirksam verstärken. Die neue Technologie wurde bereits an ein lokales Start-up-Unternehmen namens Opsona Therapeutics lizensiert, das nun zusammen mit Partnern aus der Pharmaindustrie den Weg in die klinische Entwicklung sucht.

EFIS (European Federation of Immunological Societies) ist der Dachverband der nationalen immunologischen Fachgesellschaften in Europa. Zu EFIS zählen 28 nationale Fachgesellschaften in 31 europäischen Ländern mit insgesamt 13.000 Mitgliedern. Gemeinsame Plattform ist der European Congress of Immunology, der all drei Jahre stattfindet - in diesem Jahr unter dem Motto: "Immunity for Life - Immunology for Health" vom 13. bis 16. September in Berlin. Der Kongress bietet über vier Tage ein umfassendes Programm zum aktuellen Wissensstand in der Immunologie. Das Themenspektrum in den mehr als 30 Symposien und 60 Workshops reicht von der Grundlagenforschung bis zur angewandten Immunologie. Im Mittelpunkt stehen die Erkenntnisse zur angeborenen und erworbenen Immunität, die verschiedenen Aspekte immunologischer Erkrankungen sowie die neuesten Möglichkeiten von Immun-Interventionen.

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.eci-berlin2009.com

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution1331

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Deutsche Gesellschaft für Immunologie
Dr. Julia Rautenstrauch, 16.09.2009
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. September 2009

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